Seit seinem 14. Lebensjahr spielt Walter Schweikert Akkordeon – ohne Noten.Foto: Herzog Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: Volksliedersingen gibt es seit 25 Jahren / Feier aufgrund der Corona-Situation aber noch ungewiss

Mit seinem vor 25 Jahren initiierten Volksliedersingen hat der Winzelner Walter Schweikert vielen Menschen glückliche Stunden beschert. Doch beim Feiern von Jubiläen hat er wirklich Pech. Von der Corona-Krise ist auch das Volksliedersingen betroffen.

Fluorn-Winzeln. Die Teilnehmer gehören ausnahmslos der sogenannten Risikogruppe an, zudem ist das Singen in der Gemeinschaft derzeit verboten. Bereits seit dem 10. März ruhen die monatlichen Treffen, und es ist ungewiss, ob sie in diesem Jahr überhaupt noch fortgesetzt werden können. Dabei hätte heuer das 25-jährige Bestehen von "Volksliedersingen Winzeln und Umgebung" gefeiert werden sollen.

Seit seinem 14. Lebensjahr spielt das Winzelner Urgestein Walter Schweikert Akkordeon. Nach der Schule pflanzte er Tannen im Gemeindewald, und mit dem ersten verdienten Geld kaufte er sich eine gebrauchte Harmonika. Drei Jahre später erwarb er eine neue diatonische Handorgel und trat in den Handharmonika Club (HHC) Winzeln ein.

Als er mit 19 beruflich für zwei Jahre im schweizerischen Winterthur arbeitete und Mitglied im dortigen Verein wurde, stieß er erstmals auf das chromatische Knopfgriff-Akkordeon. "Mit diesem Instrument kann man mit dem gleichen Fingersatz alle zwölf Tonarten spielen. Das ist ein entscheidender Vorteil. Da es aber in Fluorn-Winzeln keinen Ausbilder hierfür gab, und ich mir das Knopfgriff-Akkordeon trotzdem kaufte, lernte ich, ohne Noten zu spielen, was bis heute so geblieben ist", berichtet der 80-jährige Hobbyspieler.

1992 stach Schweikert eine Annonce im Schwarzwälder Boten ins Auge. Im Gasthaus Rössle in Dornhan-Weiden wurde zu einem Volksliedersingen mit Pianistin Traudel Sturm eingeladen. Dass er dort hin ging und mitspielte, blieb nicht ohne Folgen.

Nachdem im Rössle 1995 das letzte Bier ausgeschenkt wurde und sich das Volksliedersingen aufzulösen drohte, ergriff Schweikert die Initiative. Er suchte in Winzeln ein passendes Lokal mit Klavier und wurde im "Adler" fündig. Die Situation mit Lokalschließungen wiederholte sich. Erst machte 2002 der "Adler", danach die "Linde" 2008 zu. Seit nunmehr zwölf Jahren trifft man sich jetzt im "Kegelstüble". Das Volksliedersingen erfreute sich großer Beliebtheit, bis zu 70 Besucher kamen – auch aus benachbarten Orten.

Beste Entscheidung

Wiederholt richteten Teilnehmer an Schweikert die Bitte, auch in ihrem Heimatdorf ein Treffen zu organisieren. So kamen 2001 das Heimathaus Römlingsdorf, 2002 die "Rose" in Seedorf, 2003 die "Linde" in Betzweiler-Wälde und 2018 das Fritz-Fleck-Haus in Sulgen als Veranstaltungsort hinzu. Seitdem spielt der Gemeindeförster a. D. "auf fünf Hochzeiten" und zählt neben der Heirat seiner Frau Emilie das Volksliedersingen und den Wechsel vom diatonischen zum chromatischen Knopfgriff-Akkordeon zu den besten Entscheidungen seines Lebens. "Die Vielfalt und der Reichtum an Sprache und Melodie kennen zu lernen, ist etwas Besonderes", schwärmt der Musikus.

Nachdem anfangs mit kleinen Liederbüchleins begonnen wurde, aber viele bekannte Lieder fehlten, begann Schweikert eine eigene Liedertextmappe zusammenzustellen. Er erhielt außerdem von den Teilnehmern Lied-Vorschläge. Mittlerweile ist sein Kunstwerk 600 Seiten dick. Ständig kommen neue Stücke hinzu.

"Die Lieder, die ich nicht kannte, haben mir die Besucher vorgesungen. Ich nahm sie auf Tonband auf und studierte sie zu Hause auf meinem Akkordeon ein. Damit ich mir die Melodien einprägen konnte, habe ich ein eigenes Noten-Steno entwickelt, das ich über den Text geschrieben habe. Es hat sicherlich Seltenheitswert, weil niemand anderer etwas damit anfangen kann", betont der heimliche Komponist.

In den zweieinhalbstündigen Treffen werden circa 25 bis 30 Lieder gesungen, unterbrochen von einer Kaffee- und Kuchenpause. "Meist beginne ich mit ein paar bekannten Liedern – passend zur Jahreszeit. Danach werden mir Zettel mit Wunschliedern gereicht", erzählt Schweikert.

Geplant war, das 25-jährige Bestehen am 2. Oktober im "Kegelstüble" mit den Sängerinnen und Gitarristinnen Lisa Dahlke und Annemarie Burget aus Hardt zu feiern. Die Entscheidung, ob dies stattfinden kann, erwartet Schweikert aus dem Rathaus.

Es wäre das dritte bedeutende Ereignis, das der passionierte Akkordeonspieler innerhalb zweier Jahren nicht feiern könnte. Die goldene Hochzeit am 31. August 2018 fiel aus, weil am gleichen Tag sein Schwager beerdigt wurde. Die Feier zu seinem 80. Geburtstag am 22. Mai diesen Jahres musste wegen der Corona-Krise abgesagt werden.