Das Rathaus mit seinem schönen Fachwerk ist 1957 gebaut worden. Foto: Moosmann Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Bürgermeister Julius Hägele hat den Ort zu einer modernen Gemeinde entwickelt

Julius Hägele war ein Mann des Fortschrittes und des Ausgleichs, der über die Hälfte seines Lebens in der Gemeinde verbrachte, die ihm vieles verdankte und deren modernes Gesicht er seinem Wahlspruch gemäß, "nicht nur verwalten, sondern vor allem lebendig gestalten", prägte.

Fluorn-Winzeln. Den Weg zum Bürgermeisterstuhl beschritt Julius Hägele, geboren am 23. April 1911 in Ober-Esslingen, von der Schulbank weg. 1926 schnupperte der 15-Jährige zum ersten Mal die Luft einer Gemeindeverwaltung, und als er die Prüfung für den gehobenen Dienst ablegte, hatte er bereits Erfahrungen in einer Land-, Industrie- und Weinbaugemeinde gesammelt.

Als Ratsschreiber in Alpirsbach ergänzte er seine Kenntnisse auf einem Gebiet, das ihm bis zu seinem Dienstende am Herzen lag – der Waldwirtschaft. So vorbereitet wurde der junge Beamte 1937 zum Bürgermeister von Winzeln ernannt.

Nach vier "Soldatenjahren", vorübergehender Tätigkeit in der Industrie und als Sachbearbeiter der Verkehrsabteilung, später Verwaltungs-Archivar für den Bezirk Oberndorf bei der Kreisverwaltung Rottweil kehrte er 1954 nach Winzeln zurück, das ihn mit überzeugender Mehrheit von über 80 Prozent zum Bürgermeister wählte. Nach seiner Wahl lud Hägele die ganze Einwohnerschaft, Vereine und Ehrengäste zu einem Gemeindeabend ins Gasthaus Adler ein und bedankte sich für das große Vertrauen, das ihm entgegen gebracht wurde.

Landrat Freiherr von Enzberg legte den Bürgern ans Herz, den neuen Bürgermeister zu unterstützen, da er nun einmal die Gesetze vertrete, an die sich die Bürger halten müssten. Enzberg bedankte sich auch beim seitherigen Bürgermeister Gotthard Schmid für dessen neunjährige Amtstätigkeit in schwierigen Zeiten.

Pfarrer Andreas Schmid gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass der innere Friede in der Gemeinde, der sein höchstes Ziel sei, auch unter dem neuen Bürgermeister zum Segen der Gemeinde erhalten bleiben möge. Für die Schule überbrachte Kummer die Glückwünsche, und Alois Kreuzberger als Ortsvorsitzender der CDU überbrachte den Wusch auf gute Zusammenarbeit.

In einer launigen Rede verglich der Senior der Bürgermeister des Kreises Rottweil, Bürgermeister Baier aus Hochmössingen, die Gemeinde ob des Waldreichtums mit einem Königreich, mit der Ausnahme, dass nur der Hofnarr fehle. Seufzend meinte er, dass der Herrgott die Güter dieser Erde anscheinend doch nicht gleichmäßig verteilt habe. In Winzeln sei gut Bürgermeister sein.

In seiner insgesamt 24-jährigen Dienstzeit hat Hägele Winzeln vom ehemaligen Bauerndorf zu einer der fortschrittlichsten Gemeinden im Kreis Rottweil entwickelt. Mit dem Bau der ersten Sammel-Kläranlage, dazu notwendiger Kanalisation, eines Bauhofes mit beheizten Postomnibusgaragen und Ruheraum für die Fahrer, dem Ausbau der Ortsdurchfahrt mit Gehwegen und neuzeitlicher Straßenbeleuchtung ging Winzeln den meisten Landgemeinden voraus.

Der Fachwerkbau des neuen Rathauses 1957 folgte. Die Zweigstelle der Kreissparkasse und das Wähleramt der Bundespost wurden darin untergebracht, und ein Schlachthaus mit einer hochmodernen Gemeinschaftsgefrieranlage schloss sich an. Auch gab es einen Warteraum für die, die mit dem Bus zu ihren Arbeitsplätzen fuhren. 1964 wurde der neue Kindergarten anstelle des ehemaligen Rathauses mit Schwesternhaus ebenfalls in Fachwerkbauweise errichtet. Nach dem Umbau des ehemaligen Hengststalles hinter dem Rathaus zu einem Feuerwehrgerätehaus erhielt Winzeln als erste Landgemeinde im Kreis Rottweil 1959 ein Löschfahrzeug (LF 16), ebenso als erste Gemeinde einen Unimog für den Bauhof, mit dem nicht nur Schnee geräumt, sondern auch der Müll abgefahren wurde. Der Ausbau des Flugplatzes Eschachwiesen für den Segelfliegerverein Robert Moser lag ihm ebenso am Herzen (ein Hochleistungsflugzeug wurde für seine Verdienste um den Verein auf den Namen "Julius Hägele" getauft) wie die Förderung der Vereine.

Während andere Gemeinden im Kreis ihr Trinkwasser aus Quellen bezogen, sorgte er 1966/67 mit Tiefbrunnenbohrungen für eine auch in Trockenzeiten ganzjährig gesicherte Wasserversorgung in der Gemeinde.

In seine Amtszeit fiel auch die beschlossene Zusammenführung von Fluorn und Winzeln, für die er sich schon seit Jahren einsetzte. Seine vermittelnde, auf die Überwindung von Interessengegensätzen und Ausgleich bedachte Art, die ihm viel Vertrauen und Freundschaft einbrachte, bewährte sich immer. Dass der Bürgermeister der Gemeinde als Mitglied des Ausschusses für Körperschaftswald beim Forschungsrat in Bonn, des Beirates des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft in Stuttgart, des Forstausschusses des Württembergischen Gemeindetages, des Verwaltungsrats der KSK, vor allem als langjähriger Obmann des Bürgermeistervereines Rottweil über sein Amt hinaus eine fast erdrückende Fülle an Aufgaben auf sich genommen hat, charakterisierte seine Rastlosigkeit, sein kommunales Wissen und sein Engagement. Die Kraft für diese Aufgaben holte er sich dort, wo er auch einen guten Teil der Mittel für die Gemeinde holte – bei Spaziergängen im gemeindeeigenen Wald. Wenn man den Bürgermeister nach seinem Hobby fragte, dann sagte er, das sei Wandern. Doch eigentlich war sein größtes Hobby Winzeln.

Für seine Verdienste um die Gemeinde wurde Julius Hägele am 31. Oktober 1972 von seinem Nachfolger Jürgen Schlaich der Ehrenring der Gemeinde überreicht. Nach seiner Pensionierung übernahm er das verwaiste Amt des Amtsverwesers in Rötenberg für fast ein Jahr anstelle von Jürgen Schlaich, der als Nachfolger von ihm in Fluor-Winzeln (damals jüngster Bürgermeister in Baden-Württemberg) gewählt wurde. Es ist geplant, eine Stele mit den Namen der verstorbenen Bürgermeister der Gemeinde aufzustellen