Aufgearbeitetes Sturmholz aus dem Jahr 2020. Vor 100 Jahren richtete ein Sturm ebenfalls schwere Zerstörungen im Winzelner Wald an.Foto: Moosmann Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Viel Holz und niedrige Preise / Wie sich doch in der Geschichte etwas wiederholen kann (1920/2020)

Fluorn-Winzeln. Durch den in der Nacht vom 9. auf den 10. Januar 1920 herrschenden Sturm waren im Gemeindewald etwa 5000 Festmeter Sturmholz angefallen, denn die Abteilung 31 sowie das Grubenwäldle wurden fast völlig vernichtet.

Um eine schnelle Aufarbeitung zu ermöglichen, wurde ein Holzhauerlohn von zwölf Mark sowohl für den Festmeter Langholz, als auch für den Raummeter Brennholz festgesetzt. Etwa 100 Mann arbeiteten im Wald.

Da die ordentliche Jahresnutzung schon erledigt war, betrug der Gesamtholzanfall mehr als 8000 Festmeter. Für eine derartige Menge fehlten allerdings die Abnehmer.

Der Gemeinderat Winzeln beschloss daher, jedem Bürger drei Festmeter Langholz zur alten Forsttaxe zu überlassen. Durch die immer schneller fortschreitende Geldentwertung konnte diese nicht mehr als Bezahlung verwendet werden.

Für die "Schwabenspende" für Auslandsdeutsche bewilligte der Gemeinderat 300 Mark. Die Ortswege von der "Oberen Mühle" bis zu Albert Schweikerts Haus im Winkel und Hinterbauerngässle, von Lorenz Schmid’s Haus bis zum Backhaus sowie vom Haus der Luise Jauch bis zum "Bitzbäumle" wurden gewalzt. Dies bedurfte etwa 800 Kubikmeter Schotter. Ferner wurden die Heergass bis zum gegen die Rötenbergerstraße führenden Eizentalweg, desgleichen der sogenannte Zwerenweg vom Hause Valentin Hezel bis zum Hochkreuz in der Fortsetzung des Niederwegs bis zum Heifeimen von Karl Merz gewalzt.

Für die Not leidenden Deutsch-Österreichischen wurde in der Gemeinde Brotgetreide gesammelt. Die Kriegerwitwe Anna Ebinger erhielt auf Ansuchen 100 Mark aus der Gemeindekasse. Der erst jetzt aus der französischen Kriegsgefangenschaft zurückkehrende Franz Hezel erhielt angesichts der fortschreitenden Geldentwertung 150 Mark sowie die sonstigen Ehrengaben für die Kriegsgefangenen.

Da die neu angelegten Wiesenflächen auf der "Eschachwiese" jedes Jahr möglichst zweimal gewalzt werden sollten, wurde eine Moorwalze angeschafft. Wegen der Überhandnahme des Wildbestandes und des damit zusammenhängenden Wildschadens wurde die Gemeindejagd für 2055 Mark lediglich auf zwei Jahre an Sägewerksbesitzer Johann Melber verpachtet.

Im Jahre 1920 musste die Gemeinde auf Weisung der Landesbrennstoffstelle an die Bedarfsgemeinden des Bezirks 1800 Raummeter Brennholz abgeben. Hiervon erhielt allein Schramberg 1300 Raummeter.

Bis zum Jahre 1906 war Winzeln der Sitz eines Arztes. Nach dem Tod von Wundarzt Rottach bemühte sich die Gemeinde um einen Nachfolger, doch scheiterten diese Bemühungen am Widerstand der Ärztevereinigung. Da sich die Fahrgelder der Oberndorfer Ärzte infolge der fortschreitenden Inflation ins Uferlose erhöhten, stellte die Allgemeine Ortskrankenkasse im September an die Gemeinde das Ersuchen, sich um einen Arzt zu bewerben, da die Krankenkasse nicht mehr länger die hohen Wegegelder der Stadtärzte bezahlen könne.

Die Zulassung einer Kassenpraxis in Winzeln wurde sofort genehmigt. Nachdem auch der Oberamtsarzt die Gemeinde ersucht hatte, auf Gemeindekosten ein Arztfuhrwerk zu bestellen, um auch den Armen und Minderbemittelten in Krankheitsfällen eines behandelnden Arztes zu sichern, beschloss der Gemeinderat die Aussetzung eines Wartegeldes in Höhe von 100 Mark. Ein Bewerber, Dr. Mangold aus Salach, hatte sich inzwischen in Donzdorf niedergelassen. Schließlich bewarb sich ein Dr. Vogel aus Altensteig um die Stelle. Da aber keine geeignete Wohnung zur Verfügung stand, nahm dieser seine Bewerbung zurück und ließ sich in Magstadt nieder.

Erst im November hat sich dann auf Veranlassung der Ortskrankenkasse ein Dr. Stein gemeldet. Da dieser Homöopath war und die eingeholte Auskunft gut ausfiel, beschloss der Gemeinderat, eine Wohnung zur Verfügung zu stellen.

Die Errichtung des längst geplanten Pfarrhauses mit der Absicht, das seitherige Pfarrhaus auf dem Tauschweg zu erwerben und dem Arzt zur Verfügung zu stellen, wurde beschlossen. Bis zur Verwirklichung des Vorhabens nahm der Arzt auf Kosten der Gemeinde eine Wohnung bei Kaufmann Haas. Warte- und Sprechzimmer hatte er in der "Krone". Wegen Ablieferung von Pferden musste im September eine Pferdemusterung durchgeführt werden.

Übertragung durch die Schuhe

Im Oktober brach in Winzeln die übertragbare Ruhr aus. Eingeschleppt wurde sie durch die in Malsch (Baden) verheiratete Tochter Rosa des Salomon Schmid (Hier). Obwohl diese sofort nach Feststellung der Krankheit in ihre Heimat zurückkehrte, wo sie starb, verbreitete sich die Krankheit in Winzeln weiter.

Die ersten Befallenen waren die Geschwister Johannes und Johanna Ott, Friedels Kinder, die Eheleute Johannes und Elisabeth genannt Bruckrottach sowie Feldschütz Karl Niebel und die Ehefrau des Schuhmachermeisters Feger. Die kinderlosen Eheleute und Karl Niebel starben. Die Geschwister Ott sowie Frau Feger wurden wiederhergestellt. Auch die beiden acht und neun Jahre alten Kinder Irma und Erwin des Pferdehändlers Faulhaber wurden von der Krankheit befallen und waren lange Zeit schwer krank.

Wie verlautete, hatten sie ihre Schuhe bei Schuhmacher Feger in Reparatur. Die Kranke lag im Wohnzimmer, wo auch der Mann arbeitete. Es scheint, dass der Krankheitserreger durch die Schuhe auf die Faulhaberschen Kinder übertragen wurde.

Die erste Verbreitung der Cholera soll nach Feststellung der behandelnden Ärzte dadurch entstanden sein, dass im Haus des Salomon Schmid der Abort mit den nicht desinfizierten Entleerungen der erkrankten Rosa in den Garten getragen und zur Kopfdüngung verteilt wurden. Die Krankheitserreger sollen von dort aus durch Fliegen verschleppt worden sein.

Im November wurde das Eschachgelände durch die Herren Brünne und Dr. Kammelberg sowie Baurat Riek aus Reutlingen vom Verein zur Förderung der Moorkultur besichtigt, wobei für die weitere Behandlung der entwässerten Fläche wichtige Unterweisungen gegeben wurden.

Einer Anregung der Herren entsprechend wurde vom Gemeinderat die Beschaffung eines Landbaumotors beschlossen. Die Maschine kostete 110 000 Mark. Für die Unterbringung der Maschine wurde an Ort und Stelle in Abteilung 34 im Gemeindewald ein Schuppen erstellt.