Grundstück: Nach vielen Jahren öffnet sich ein Fenster zur Erschließung eines lange geplanten Baugebiets

Es kommt selten vor, am Dienstagabend ist aber so eine Entscheidung gefallen: Die Gemeinde Fluorn-Winzeln macht von ihrem Vorkaufsrecht für eine Teilfläche an der Oberen Lehrstraße in Winzeln Gebrauch.

Fluorn-Winzeln. Die Situation ist vertrackt. Da kauft eine junge Familie ein Haus auf einem mit 2380 Quadratmetern doch sehr ansehnlichen Grundstück. Mitten im Ort. Die Grünfläche reicht optisch noch viel weiter: Zwar gibt es einige Nebengebäude, doch das erste "richtige" Haus in dieser Richtung taucht erst nach fast 200 Metern auf. Und dann sagt beansprucht die Gemeinde einen Teil des, gedanklich vielleicht längst als Spiel- oder Gartenfläche genutzten Geländes für sich. Möglich wird das, weil die Kommunen ein Vorkaufsrecht für Grundstücke aus ihrem Bereich haben, die in Verkehr kommen. In dem Moment, in dem Verkäufer und Käufer ihr Grundstücksgeschäft beim Notar in trockene Tücher bringen wollen, kommt die Gemeinde ins Spiel. In fast allen Fällen gibt es dann eine Verzichtserklärung: Die Kommune übt ihr Vorkaufsrecht nicht aus. In ganz wenigen Fällen läuft es anders.

Bereits in der Bürgerfragestunde zu Beginn der Sitzung im Winzelner Rathaus kommt das Thema auf den Plan. So lässt der Verkäufer, aus gesundheitlichen Gründen verhindert, eine Erklärung verlesen, in der er an alte Zeiten erinnert, als der damalige Bürgermeister ihm nahegelegt habe, noch ein Grundstück zu kaufen, um dann darüber irgendwann eine Zufahrt legen zu können. Eine Anliegerin fragt unter anderem, ob alle Möglichkeiten geprüft worden seien, die Gemeinde an einem alten Bebauungsplan festhalten, und ob sie immer mehr bebauen müsse.

Schließlich meldet sich auch die Käuferin, die mit ihrer Familie "gerne demnächst hierher ziehen" möchte. Man hätte sie beim Kauf darauf hinweisen müssen, was auf sie zukommen könne. Und was auf sie zukommen kann, fürchtet sie. Denn das Grundstück hat es in sich. Es ist das Entree zu einem 1972 aufgestellten und für damalige Zeit flächensparenden Bebauungsplan. Der ist rechtskräftig und sieht eine Erschließung über den westlichen Teil des betroffenen Grundstücks vor. Sollte diese kommen, wird das bisher nur an der Oberen Lehrstraße liegende Areal zum Eckgrundstück. Erschließungskosten für den neuen Weg, der auf der innerörtlichen Grünfläche bis zu einem Dutzend Bauplätze schaffen könnte, würden fällig – wobei wohl nur für einen Teil der Fläche Beiträge erhoben werden dürften, weil ein Teil bereits über die Erschließung über die Obere Lehrstraße abgerechnet sein müsste. Gleichzeitig würde das Grundstück, dann auch im hinteren Bereich erschlossen, als Bauland eine deutliche Wertsteigerung erfahren.

Der Gemeinderat tut sich schwer mit der Entscheidung. Zumal es nur ein "entweder, oder" gibt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sehen die Ausnahme von Erschließungsbeiträgen nicht vor. Und weil auf das Grundstück eben nur Zugriff besteht, wenn es auf dem Markt ist – für die Gemeinde zwei Monate nach Kenntnisnahme des Verkaufs – reicht die Zeit auch nicht, um eine Änderung des Bebauungsplans herbeizuführen und die Erschließung über einen anderen Weg zu planen. Ganz abgesehen davon, dass die dafür nötigen Flächen auch nicht in kommunaler Hand sind.

Bei einer Gegenstimme und ohne Enthaltung stimmt der Rat für die Ausübung des Vorkaufsrechts: Die Gemeinde kauft die für die Erschließungsstraße nötige Teilfläche von etwa 400 Quadratmetern. Ob und wann das Baugebiet tatsächlich realisiert wird, ist offen.