Mein Selbstversuch im Tarzan-Flugworkshop erwies sich als deutlich anspruchsvoller als gedacht. Foto: Merk

Wie fühlt es sich an, selbst wie Tarzan durch die Luft zu schwingen? Unsere Volontärin durfte beim exklusiven Flugworkshop des Musicals „Tarzan“ in eine andere Rolle schlüpfen.

Kaum haben wir den Backstage-Bühnenbereich des Palladium-Theaters in Stuttgart betreten, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Requisiten, Kronleuchter, Gelächter und Theaterluft pur - ein Sinneseindruck jagt den nächsten. In dem kleinen containerartigen Raum zu meiner Rechten steht ein Schminktisch, daneben hängen einige Kostüme. Schräg links: Ein riesiges Klettergerüst, das bis zur Decke reicht. Eine Bühnendarstellerin - ihr Gesicht erkenne ich flüchtig von den Bildern an der Wand - huscht vorbei. Überall gibt es etwas zu sehen, jeder ist in Bewegung. Kein Wunder: In weniger als vier Stunden hebt sich der Vorhang für die Abendaufführung des Musicals „Tarzan“.

 

Der Grund unseres Besuchs: Ein exklusiver Flugworkshop – das Kernstück eines Gewinnspiels, das unsere Zeitung gemeinsam mit dem Musicalteam veranstaltet hat. Gemeinsam mit meiner Kollegin und den drei glücklichen Gewinnern darf ich heute schon vor Vorstellungsbeginn hinter die Kulissen blicken – und erleben, wie es sich anfühlt, einmal selbst wie Tarzan durch die Luft zu schwingen.

Dafür begeben wir uns zum Klettergerüst in den hinteren Teil des Backstage-Bereichs. Bunte Seile hängen von der Decke, rechts und links wurde ein Metallgeländer bis ganz nach oben gebaut. Der Boden ist mit weichen Matten gepolstert – die aber, wie uns Workshopleiter Fabian „Fabi“ Zeeb gleich zu Beginn warnt, nicht vor blauen Flecken schützen. „Die Kletterausrüstung ist für euch ungewohnt, und die Bewegungen selbst natürlich auch. Ihr werdet mit ziemlicher Sicherheit morgen irgendwo blaue Flecke haben.“ Immerhin ist er ehrlich, denke ich nur, und ziehe auf Anweisung meinen Schmuck aus und die Kletterausrüstung mitsamt Helm an. Unsere Schuhe mussten wir bereits vor Betreten des Backstage-Bereichs vor der Tür stehen lassen.

Einiges an Mut und Kraft ist gefragt

Fabi und drei weitere Spezialisten, die für die Flug- und Klettereinlagen des Musicals zuständig sind, helfen uns beim Anlegen und Festzurren der Gurte. Und ja: Die Gurte sind wirklich ungewohnt. Wir hängen jeweils an einem einzigen Seil, befestigt an einem Gurt, der einmal um die Beine und einmal um den Bauch verläuft. Mehr ist da nicht. Aber Tarzan und seine Affenfamilie brauchen schließlich volle Bewegungsfreiheit für ihre akrobatischen Luftnummern. Ein bisschen nervös bin ich trotzdem. Anders als Tarzan erledige ich meine tägliche Arbeit nämlich von einem Bürostuhl aus. Auf dem Boden.

Einer nach dem Anderen werden wir ein paar Meter in die Luft gezogen. Unsere erste Aufgabe: sich nach rechts oder links lehnen, und das fast waagrecht. Ein Flugspezialist macht es uns vor. So sollen wir ein Gefühl für die Bewegung bekommen, die später auch beim Fliegen gebraucht wird. Kurz bin ich dankbar für meine wöchentlichen Fitnesseinheiten – das Ganze erfordert deutlich mehr Körperspannung, als ich erwartet hatte. Dennoch bin ich bis hier ziemlich entspannt. Den ersten skeptischen Blick tauschen die anderen Teilnehmer und ich kollektiv untereinander aus, als der Spezialist sich vor uns senkrecht ins Seil hängt, die Beine ausgestreckt in der Luft und die Arme locker baumelnd in Richtung Boden.

In diesem Moment wird mir bewusst, dass mein Vertrauen in das Seil doch noch ziemlich ausbaufähig ist. Ich bin überzeugt: Es wird reißen, sobald ich diesen Stunt nachzumachen versuche. Ich falle zu Boden und ich breche mir das Genick. Ziemlich sicher.

Der erste Erfolg

Allerdings siegt dann doch die Neugier, auch wenn ich zwei Anläufe brauche, bis ich es wirklich willentlich in die Senkrechte schaffe. Sei still, Überlebensinstinkt. Immerhin wiegt Tarzan aufgrund seiner Muskelmasse deutlich mehr als ich und ich arbeite mit Profis zusammen.

Das schwerste daran: loslassen. Die Arme locker baumeln zu lassen, dem Seil zu vertrauen – es fühlt sich anfangs falsch an. „Nicht die Bauchmuskeln anspannen, entspann dich“, ruft Fabi lachend, greift sich meine Arme und schüttelt sie locker aus. „So ist’s gut!“ Na schön, dann hänge ich halt ab. Zur Sicherheit schwinge ich mich nach etwa einer halben Minute doch wieder nach oben. Probiere es dann aber noch einmal, diesmal ganz alleine. Und bin ein bisschen stolz.

Im nächsten Schritt beginnt der spannende Teil. Wir klettern am Geländer hoch, um uns nacheinander auf die andere Seite zu schwingen. Klingt einfach, sieht noch einfacher aus – ist aber ein echter Kraftakt. Zuerst mit beiden Händen nach dem Geländer greifen, dann die Beine nachziehen.

Spätestens jetzt verstehe ich, warum die meisten der Darsteller dieses Musicals so muskulös sind: Ihr ganzer Körper ist dauerhaft unter Spannung, und um diese fließenden Bewegungen in der Luft so leicht aussehen zu lassen, braucht es viel Training.

Augen zu und durch

Zum zweiten Mal an diesem Nachmittag muss ich mich überwinden und loslassen. Denn von unten sieht das Geländer gar nicht so hoch aus - steht man selbst zum ersten Mal drauf, erscheint einem der Boden doch sehr weit entfernt. Ganz nach dem Motto „Augen zu und durch“ stoße ich mich nach ein paar Sekunden Bedenkzeit vom Geländer ab und schwinge mich auf die andere Seite - wobei ich prompt den richtigen Augenblick verpasse, mich festzuhalten. Also wieder zurück.

Beim zweiten Versuch klappt es: Ich greife das Geländer, ziehe mich mit ordentlich Kraft nach oben. Arme, Bauch, Beine – alles muss mitarbeiten. Und sich dabei auch noch elegant bewegen, in die Waagrechte gehen, wie Tarzan durch die Luft gleiten? Das ist echte Körperbeherrschung. Aber: Es macht riesigen Spaß.

Fast zu schnell ist unsere Zeit auf dem Gerüst vorbei. Ich bin fast ein bisschen enttäuscht, als wir wieder auf den Boden gelassen werden.

Der „wedding flight“ durch den Theatersaal

Immerhin geht es jetzt aber auf die große Bühne: Wir dürfen den sogenannten „wedding flight“ von Tarzan und Jane nachmachen. Dabei werden wir am Seil vom oberen Teil des Saals über die Zuschauersitze auf die Bühne geflogen. Wer möchte, darf natürlich auch Affengeräusche machen - für die Extraportion Dschungelfeeling. Meine anfängliche leichte Höhenangst ist bis zu diesem Zeitpunkt vollständig verpufft und ich freue mich richtig, als ich auch ein zweites Mal durch den Saal fliegen und sogar meine Kollegin mitnehmen darf. Unsere Landung gleicht zwar mehr der von einem Babyaffen, der den Lianenschwung noch übt, aber immerhin haben wir viel zu Lachen.

Dann ist die spaßige Flugstunde auch schon vorbei. Und während ich meine Schuhe wieder anziehe, schleicht sich ein wichtiger Gedanke ein: Tarzan erzählt vom Suchen und Finden – und vom Sprung ins Unbekannte. Vielleicht steckt mehr davon in unserem Alltag, als wir denken. Und vielleicht ist Loslassen manchmal viel cooler als Festhalten.

Das Musical
„Tarzan“ ist noch bis Anfang September im Palladium-Theater in Stuttgart zu sehen. Spielzeiten und Ticketpreise sind online einsehbar.