Flughafenchef Georg Fundel schaut optimistisch und nicht skeptisch ins Jahr 2017, obwohl die Planungen noch nie so schwierig waren wie diesmal. Foto: FSG

Die Planungen der Stuttgarter Flughafengesellschaft fürs folgende Jahr waren noch nie so schwierig wie diesmal, sagt der Chef Georg Fundel. Dennoch bewahrt er sich seinen Optimismus. Auch wenn der wichtige Kunde Air Berlin ausfallen sollte, sei man gut aufgestellt.

Herr Fundel, in der Luftfahrtbranche kriselt es. Air Berlin verleiht Flugzeuge an die Lufthansa-Tochter Eurowings und tritt selbst kürzer. Bisher fliegt sie von hier auch die Topziele Mallorca, Berlin und Hamburg an. Müssen wir uns Sorgen machen?
Air Berlin hat in Stuttgart momentan etwa 18 Prozent Marktanteil nach Passagieren, damit etwa 1,9 Millionen Fluggäste in Stuttgart, und ist unser zweitgrößter Kunde. Die derzeitige Entwicklung kann uns nicht gleichgültig sein. Wir machen gerade die Planung für 2017 und da müssen wir mit der Frage umgehen, was durch Übernahmen oder Marktaustritte geschehen könnte.
Was, wenn Air Berlin in Stuttgart am Boden bleibt?
Ein Beispiel: Falls von allen unseren Berlin-Flügen 20 Prozent entfallen, würden wir theoretisch etwa 190 000 Fluggäste verlieren. Wir gehen aber davon aus, dass dann entweder sofort oder sehr schnell andere Airlines, wie Easyjet oder Ryanair starten. Zum Glück haben wir beide schon auf dem Hof. Für uns wird spannend, ob dann der Markt stimuliert wird oder ob er insgesamt stagnieren wird.
Wie sind die Rahmenbedingungen für 2017?
Wir sehen große Fragezeichen hinter dem Kapitel Nordafrika. Nur das Ägypten- und Tunesien-Geschäft dürfte auf niedrigem Niveau weitergehen. Der Türkei-Markt, auf dem es gravierende Rückgänge im zweiten Halbjahr 2016 gab, wird zurückkommen, glauben wir. Es kann aber auch ganz anders kommen, wenn es erneut innenpolitische Verwerfungen, Terror oder militärische Konflikte gibt.
Die Frage ist also, ob 2017 das Wachstum für den Flughafen weiter geht.
Wir planen 2017 mit Nullwachstum. Je nachdem, wie Veränderungen und Ereignisse durchschlagen, könnten wir Ende 2017 auch mit fünf Prozent im Minus sein – oder fünf Prozent im Plus.
Das heißt, Sie tappen total im Dunkeln.
Es war noch nie so schwierig. Wir sind organisatorisch aber so flexibel aufgestellt, dass wir von einem Tag zum andern bestmöglich reagieren können. Wir könnten auch ein Bremsmanöver meistern, sollte es zu Turbulenzen im Markt kommen.
Die Lufthansa-Gruppe will mit Leihmaschinen von Air Berlin in die Offensive gehen, um die Briten und Iren auf Distanz zu halten. Ryanair landet künftig aber auch auf dem Großflughafen Frankfurt. Wie ist Ihre Prognose?
Da Ryanair in wenigen Jahren die größte Airline der Welt sein will und nach wie vor die günstigsten Stückkosten hat, kann sie jeden auf jeder Strecke angreifen. Eine Ryanair kann noch Geld verdienen, wenn andere schon viel Geld verlieren. So lange es noch Strecken gibt, wo man nicht die Klingen kreuzen muss, wird Ryanair dorthin ausweichen. Aber Air Berlin ist eine Airline mit über 30 Millionen Passagieren. Diesen Kuchen werden Ryanair und auch Easyjet nicht freiwillig anderen überlassen.
Ryanair und Easyjet imponieren Ihnen.
Für uns sind das Toppartner. Wir haben von der Art, wie sie ihre Produktion hier machen, viel gelernt. Wir haben deshalb zum Beispiel die Gates, die Ausgänge in Richtung Vorfeld und Flugzeuge, noch einmal umgebaut. Weil diese Airlines mit ihren Flugzeugen für 150 bis 200 Fluggäste innerhalb von 25 Minuten kommen und gehen wollen. Das kriegen wir nur mit Preboarding hin.
Was verstehen Sie darunter?
Wir haben im Gate baulich einen Bereich eingerichtet, in dem schon mal das Boarding, das Einsteigen, für 40 bis 50 Passagiere vorbereitet wird. Während diese Personen dann in den Flieger einsteigen, werden im Gate die nächsten 40 bis 50 Fluggäste kontrolliert. Der Bus wartet nicht zehn oder zwölf Minuten, bis er zum Flieger fährt, sondern vier Minuten. Das ist nur ein Beispiel. Wir machen heute viele Dinge anders, von denen man geglaubt hatte, sie wären schon letztgültig erfunden.
Hat man dafür alle Gates angepasst?
Bisher nur ausgewählte, aber immer mehr Airlines interessieren sich für das Verfahren. Die Systeme lernen voneinander. Das ist auch der Grund, weshalb ich trotz absehbar vielen Veränderungen nicht skeptisch bin. Das Wichtigste ist doch, dass wir in Deutschland eine zahlungskräftige Nachfrage nach Flügen haben. Deswegen wird hier in Stuttgart weiterhin ein entsprechendes Flugangebot sein.
Könnte es sein, dass Sie den Forderungen der Billigflieger nach geringeren Gebühren nachgeben und mit ihnen eine Art Günstigflugzentrum aufbauen? Als Antwort, weil Sie sich von Großflughäfen eingekesselt fühlen und von der Lufthansa bei Fernflügen ausgehungert?
Im Grunde sind wir im Verhältnis zu Frankfurt, München und Zürich schon ein Günstigflugzentrum. In deren Einzugsgebieten erreichen wir schon jetzt viele Reisende. Die anderen Flughäfen werden mit Günstigfliegern eher uns angreifen. Frankfurt hat sich ihnen jetzt geöffnet. München ist bereits in dieses Geschäftsfeld eingestiegen. Der Flughafen Zürich ist noch zu teuer, wird mittelfristig aber auch einsteigen müssen.
Macht Ihnen das Angst?
Nein. Zwischen der Landung eines Flugzeugs und seinem Wiederabheben vergehen in Stuttgart oft nur 25 Minuten. Das kriegen große Flughäfen wegen der langen Rollzeiten nicht hin. Weil unser Flughafen so unkompliziert ist, sind wir auch bei den Kosten pro Turnaround, also pro Landung und Neustart, im Vorteil. Das macht uns attraktiv.
Frankfurt gewährt Ryanair offenbar bis zu 50 Prozent Rabatt bei den Gebühren für Landungen und Starts. Was halten Sie davon?
Bei den Entgelten gilt grundsätzlich ein Diskriminierungsverbot. Dass neue Strecken und neue Airlines von Flughäfen anfangs unterstützt werden, ist normal. Es gibt sogar ein offizielles Verfahren, in dem Strecken mit einer Subvention öffentlich ausgeschrieben werden.
Haben Sie Ryanair und Easyjet ähnlich viel geschenkt? Wenn nicht, zwingt das Beispiel Frankfurt Sie jetzt zum gleichen Preismodell?
Wir wären nicht so erfolgreich, wenn wir unsere Leistung verschenken würden. Aber: Die Erwartung aller Airlines auf anfängliche Förderung neuer Strecken ist gegeben. Damit nachhaltiges Wirtschaften möglich ist, muss sich eine Flugverbindung am Ende für alle lohnen: für den Passagier, für die Airline und für den Flughafen.
Sie bemühen sich weiterhin auch um Langstreckenflüge, waren beispielsweise in der Zentrale von Delta Airlines in Atlanta/USA. Tut sich etwas?
Wir reden mit Delta im Moment in erster Linie über eine größere Variante des derzeit eingesetzten Flugzeugtyps Boeing 767-300. Wir hoffen auch, dass mittelfristig doch wieder ein Drehkreuz von Delta in New York ins Gespräch kommt. Das ist im Grunde unser Programm: Atlanta als größten Flughafen der Welt im Flugplan zu behalten und künftig auch New York als attraktivstes Ziel in den USA drin zu haben.