Viele Flugzeuge von Air Berlin blieben die vergangenen zwei Tage auf dem Boden. Foto: dpa

Nach zwei Tagen wilden Streiks soll am Donnerstag der Betrieb wieder normal laufen. Die Kaufinteressenten sind verwirrt.

Frankfurt - Die Situation bei der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin hat sich durch den „wilden Streik“ von Piloten verschlechtert. Zwar hatten sich am Mittwoch weniger Piloten als am Vortag krank gemeldet, doch musste das Unternehmen dennoch rund 70 Flüge streichen und setzt erst für Donnerstag auf eine spürbare Besserung. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) appellierte an die Flugzeugführer, ihren Dienst so schnell wie möglich wieder aufzunehmen. Auch Vertreter des Managements baten die Piloten, ins Cockpit zurückzukehren. „Unterstützt uns in dieser für das Unternehmen existenzbedrohenden Situation“, schrieb Konzernchef Thomas Winkelmann in einem offenen Brief. Alles andere würde die Rettung der Airline gefährden.

Bereits am Dienstag waren rund 100 Maschinen am Boden geblieben, weil sich etwa 200 Piloten zum Teil kurzfristig krank gemeldet hatten. Daraufhin hatte der Generalbevollmächtigte des Unternehmens, Frank Kebekus, gewarnt: „Wenn sich die Situation nicht kurzfristig ändert, werden wir den Betrieb und damit jegliche Sanierungsbemühungen einstellen müssen.“ Air Berlin ist seit Mitte August pleite und kann nur dank eines Staatskredits über 150 Millionen Euro weiterfliegen. Interessenten können bis Freitag ein Kaufangebot für den Konzern oder Teile davon einreichen. Am 21. September soll dann der Gläubigerausschuss zusammenkommen.

Lufthansa zählt zu den Interessenten

Zu den Interessenten zählt der Marktführer Lufthansa, der sich durch die Übernahme von Teilen Air Berlins einen schnelleren Aufbau der neuen Tochter Eurowings erhofft. Die Billigtochter der Lufthansa hatte bereits im Frühsommer mehr als 30 Jets von Air Berlin und deren Besatzungen übernommen. Dazu wurden die Maschinen in die Farben von Eurowings umlackiert und die Leasingverträge übernommen. Aber auch der Billigflieger Easyjet und die Ferienfluggesellschaft Condor soll an Teilen interessiert sein. Der Unternehmer Hans-Rudolf Wöhrl hat zudem mehrfach bekräftigt, dass er sich auch eine Gesamtübernahme des Unternehmens vorstellen könne, 500 Millionen Euro soll er dafür anbieten. Er wehrt sich vor allem gegen eine Übernahme durch die Lufthansa und kritisiert offen, dass sich Lufthansa und die Bundesregierung offenbar schon vor der Einleitung der Insolvenz abgesprochen hätten. Ähnliche Kritik äußert auch Michael O’Leary, Chef des irischen Billigfliegers Ryanair, der aus dem Bieterrennen ausgestiegen ist. Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann ist ein ehemaliger Lufthansa-Manager.

Neu im Rennen ist ein chinesischer Investor. Die Betreiber-Gesellschaft des Flughafens Parchim in Mecklenburg-Vorpommern, Link Global Logistics, erwägt eine Offerte für die insolvente Fluggesellschaft. Ziel sei definitiv, dass ein Angebot abgegeben werden soll. Der chinesische Unternehmer Jonathan Pang würde bei einer erfolgreichen Übernahme eine Kooperation seiner Logistikfirma mit der Fluggesellschaft ausloten. Dobrindt verwies mit Blick auf Pang auf das für Airlines geltende EU-Recht nach dem Prinzip „Ownership und Control“. „Das heißt, dass die Mehrheit des Eigentums und die Kontrolle über eine europäische Fluggesellschaft auch von Europäern gehalten werden muss“, sagte Dobrindt in Berlin. Der Insolvenzverwalter dagegen begrüßte, dass sich die Zahl der Bieter erhöht habe.

Piloten fürchten Gehaltseinbußen

Viele Piloten fürchten bei einer Übernahme durch Konkurrenten wie Lufthansa oder Easyjet erhebliche Gehaltseinbußen. Sie fordern deshalb Verhandlungen mit Air Berlin darüber, nach welchen Maßstäben sie übernommen werden könnten. Dies ist auch für die Interessenten ein Knackpunkt. „Der Betriebsübergang von Personal ist die giftige Pille, die Condor, Lufthansa und Easyjet nicht schlucken wollen“, sagte ein Insider aus dem Umfeld der Verhandlungen. Die Pilotengewerkschaft VC dagegen betonte, dass man erst dann über Tarife sprechen könne, wenn die unternehmerischen Verhältnisse geklärt seien.

Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles kritisierte das Verhalten der Piloten als „hochgradig unsolidarisch“. Air Berlin sei in einer schwierigen Lage, sagte die SPD-Politikerin. „Die Piloten belasten mit ihrem Verhalten jetzt eine vernünftige Übergabe oder einen Verkauf. Das ist nicht akzeptabel.“ Die insgesamt rund 8000 Beschäftigten „sollten jetzt nicht in Mithaftung genommen werden für die Einzelinteressen von einigen Piloten“, sagte die Ministerin.

Konzernchef will Gespräche mit Arbeitnehmervertretern führen

Konzernchef Winkelmann versprach den Piloten, nach Auswertung der Kaufangebote Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften zu führen. „Unser Ziel ist eine geordnete Überleitung möglichst vieler Arbeitsplätze“, schrieb der Air-Berlin-Chef. „Die kurzfristige Stabilisierung des Flugbetriebs ist die unabdingbare Voraussetzung dafür.“

Die Verkäufer wollen ein „Grounding“ verhindern, also die Einstellung des Flugbetriebs. Für Interessenten könnte dies eine Lösung sein, um nicht für Air Berlins Start- und Landerechte an Flughäfen zahlen zu müssen. Bei einer Einstellung des Flugbetriebs droht Air Berlin diese „Slots“ zu verlieren. Dann würden sie kostenlos neu verteilt – zu 50 Prozent an Airlines, die vom jeweiligen Flughafen bereits abfliegen, und zu 50 Prozent an Neubewerber.