Der ehemalige syrische Nationalspielder Hussein Dib trainiert heute eine Fußballmannschaft im Asylheim Heumaden Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Erst schenkten sie ihm ein Haus, dann bombten sie es aus. Das Regime der Familie Assad hat Hussein Dib als Nationalspieler Syriens gefeiert, heute hat er seinen Wohlstand komplett verloren und wohnt im Flüchtlingsheim Heumaden. Halt findet er bei seiner Familie.

Stuttgart/Damaskus - Hussein Dib sitzt mit seiner Tochter und seinem Sohn am Tisch einer Gemeinschaftküche. Zu trinken gibt es Leitungswasser. Der 50-Jährige, der eine etwas aus der Mode gekommene Adidas-Mütze trägt, sieht sich ein Fußballspiel an, das über sein Smartphone flimmert. Nicht Bundesliga, nicht Championsleague. Hussein Dib blickt in seine eigene Vergangenheit.

Die spielt im al-Assad Stadion in Latakia, einer syrischen Hafenstadt. Nummer Elf trickst einen Franzosen mit einem Übersteiger aus, der Kommentar des Fußballspiels ist auf arabisch. Gezeigt wird das Endspiel der Mittelmeerspiele 1987, Syrien gegen Frankreich. Die Mittelmeerspiele sind ein sportliches Großereignis, bei dem sich die Mittelmeeranrainer ein Jahr nach den Olympischen Spielen in verschiedenen Disziplinen messen. Abpfiff! Eine Sensation: Syrien gewinnt mit 2:1 gegen den haushohen Favoriten. Die Kamera zoomt auf die Rückansicht von Nummer Elf. Der Spieler dreht den Kopf zur Seite und kann sein Glück kaum fassen kann. Er hat den größten Fußball-Erfolg in Syriens Geschichte mitverantwortet. Hussein Dib ist Nummer Elf.

Aber der Krieg kennt auch mit Volkshelden keine Gnade. Hafiz al-Assad, Diktator Syriens und Vater des amtierenden Staatschefs Baschar al-Assad, schenkte damals jedem Nationalspieler ein Haus. Heute, vier Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs in Syrien, liegt Dibs Haus in Damaskus in Schutt und Asche. Eine Veranstaltungshalle, die der Ex-Fußballprofi und spätere Co-Trainer der syrischen Fußballnationalmannschaft vermietete, werde heute von den Rebellen als Gefängnis genutzt, sagt der Fußballprofi.

Kurz nach Kriegsbeginn hat die syrische Armee Mukhayam Al Yarmouk, den Stadtbezirk in Damaskus, in dem Dib lebte, zum Sperrgebiet erklärt. Dibs Familie floh zu den Großeltern nach Alt-Damaskus. „Ich habe eine Akademie für junge Fußballtalente geleitet. Aber nach Kriegsausbruch haben die Eltern ihre Kinder nicht mehr zu mir geschickt“, sagt Dib. Zu gefährlich.

Kein Einkommen, das Ersparte neigte sich dem Ende zu. Dib sah sich gezwungen, mit einem Teil der Familie – seiner Tochter und insbesondere seinem Sohn, der mit Down-Syndrom geboren worden war, das Land zu verlassen. Dibs Frau und zwei seiner Söhne sind noch in Damaskus. Obwohl er als Fußballstar umschwärmt war, habe Dib immer nur für eine Frau Augen gehabt: Für seine. Mit 23 hat er seine Nachbarin aus Kindheitstagen geheiratet.

Dib lebt seit eineinhalb Jahren in Deutschland, kürzlich wurden ihm, Diana und Ali Dib offiziell Asyl gewährt. Seine 22-Jährige Tochter kümmert sich um Papierkram und Botengänge, da sie am besten Deutsch spricht. Die Dibs scheinen zwar glücklich zu sein, hier ein neues Leben beginnen zu können. Aber natürlich „vermissen wir den bürgerlichen Wohlstand und auch ein wenig den Ruhm“, sagt Diana Dib.

Dib spielte täglich in Damaskus auf der Straße Fußball, bis er mit neun Jahren von einem Talentscout entdeckt wurde. Dann es steil bergauf: Dib spielte in Profiklubs, bald in der Nationalmannschaft. Angebote von hochkarätigen Vereinen aus der Türkei musste er ausschlagen, sagt der Ex-Fußballprofi, weil ihn das aufgrund der diplomatischen Beziehungen der Länder seinen Platz in der Nationalmannschaft gekostet hätte.

Die Nummer Elf war ein gefürchteter Torjäger in der syrischen Liga, 1983, 1987, 1988 und 1990 wurde er zum „Spieler des Jahres“ gekürt. Nach dem Sieg des Fußballturniers bei den Mittelmeerspielen war er stolz, von Hafiz al-Assad höchstpersönlich beglückwünscht zu werden.

„Heute gibt es Syrien nicht mehr“, sagt Dib. Für ihn ist das Land gestorben, an eine Rückkehr nicht zu denken. Auch gebe es keine richtige Fußballliga mehr in dem Land: „Die Stadien sind leer, eine eher lose Aneinanderreihung von Turnieren hat die Liga ersetzt“, sagt Dib. Wehmütig schaut er einige Fotos an, die aus seiner aktiven Spielerzeit stammen. Nicht auf dem Smartphone, sondern Abzüge fürs Fotoalbum.

Eine Zeit, so sieht das Dib, die er hinter sich lassen muss. In Deutschland spielt er auf Neubeginn, jetzt, wo er die Aufenthaltsgenehmigung in der Tasche hat, will er Deutsch lernen. „Das macht einen fertig, hier so lang warten zu müssen, um Gewissheit zu bekommen, ob man hier bleiben darf“, kritisiert Dib die Langsamkeit, mit der die Mühlen der deutschen Asylbehörden mahlen.

Ganz vom Fußball hat sich Dib aber nicht getrennt. Er trainierte eine Flüchtlingsmannschaft des Asylheims in Sillenbuch. Vergangenes Jahr hat er mit ihr den Stuttgarter Flüchtlingscup gewonnen. Dieses Jahr waren die „Free Borders“ weniger erfolgreich: Die Mannschaft schied Ende Januar beim Tarka-Cup der Amateure mit Migrationshintergrund in der Vorrunde aus. „Vielen Spielern mangelt es an Disziplin. Und die anderen spielen mittlerweile in richtigen Vereinen“, sagt Dib.

Was er machen wird, wenn die Sprachbarriere überwunden ist, weiß er noch nicht genau. „Reizen würde es mich schon, zumindest nebenher als Fußballtrainer zu arbeiten“, sagt er, „ich habe ja nichts anderes gelernt.“

Doch selbst wenn Dib eine zweite Karriere im Fußballgeschäft verwehrt bleiben sollte, gibt es ein anderes Familienmitglied, das eine erfolgreiche berufliche Zukunft in Deutschland anstrebt: Tochter Diana möchte Mathematik studieren. „Mit Zahlen konnte ich immer mehr anfangen als mit Sport“, sagt sie. Dass sie mit ihrem Schulabschluss „Bakkalaureat“ auch in Deutschland studieren kann, hat sie schon geklärt.