Die Bewohner der zerstörten Flüchtlingsunterkunft sind nun in der Festhalle in Rottenburg untergebracht. Foto: dpa

Die Flammen überraschen sie mitten in der Nacht. Einige der Bewohner der lichterloh brennenden Asylbewerber-Unterkunft in Rottenburg können sich nur mit einem Sprung aus dem Fenster retten. Die Polizei ermittelt die Brandursache - ausschließen kann sie nichts.

Rottenburg - Die Spuren der Flammen zeigen ein verheerendes Bild. Die Containerwände sind rußgeschwärzt, die großen Fensterscheiben durch Hitze geborsten. Es riecht nach Rauch, rot-weißes Flatterband sperrt das Gelände ab. Dahinter stehen ein paar jugendliche Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in der Kälte und schauen der Qualmwolke hinterher, die gerade in den Nachthimmel aufsteigt. Nur wenige haben sich ihre Bettdecke mitgenommen. „Ich stehe unter Schock“, sagt einer von ihnen. „Wir wurden vom Feuer überrascht und mussten um unser Leben rennen“, sagt ein anderer. Die jungen Männer sind in Isolierdecken gehüllt, darunter tragen die meisten nur Unterwäsche – alles andere hat das Feuer geraubt: Ausweis, Handys, Kleidung, Geld, Bilder von Verwandten.

In der Nacht zum Montag hatten die Flammen die 84 Bewohner einer Asylbewerberunterkunft in Rottenburg am Neckar (Landkreis Tübingen) aus dem Schlaf gerissen. Dramatische Szenen spielten sich ab: Ein Familienvater trug seine drei Kinder in den Armen nacheinander aus dem brennenden Container-Gebäude, anderen Bewohnern blieb auf der Flucht vor den Flammen nur noch der Sprung aus dem Fenster.

Erst nach drei Stunden war das Feuer gelöscht

Sechs Menschen wurden bei dem Brand verletzt. Sie zogen sich bei ihrer Rettung Knochenbrüche, Rauchvergiftungen und Schulterverletzungen zu. Die Leitende Notärztin, Lisa Federle, ließ zudem zwei schwangere Frauen vorsorglich in eine Frauenklinik bringen.

Gegen 2.00 Uhr ging der Alarm los. Die Feuerwehr rückte mit einem Großaufgebot an. Als die Rettungskräfte eintrafen, stand das hintere Drittel des Bauwerks aus 56 Containern lichterloh in Flammen. Erst nach knapp drei Stunden war der Brand vollständig gelöscht. Eine Ermittlungsgruppe der Polizei versucht seit dem frühen Morgen, der Brandursache auf die Spur zu kommen.

Wie viele der 84 Bewohner zur Zeit des Brandausbruchs im Wohnheim waren, sei unbekannt, sagt Karlheinz Neuscheler, Leiter der auch für die Flüchtlingsunterbringung zuständigen Abteilung Ordnung im Tübinger Landratsamt. Die meisten der nun obdachlosen Menschen kommen aus Gambia und den Balkanstaaten.

Die Menschen sind völlig traumatisiert

„Es waren emotionale Momente. Diese Menschen sind vollkommen traumatisiert. Jetzt verlieren sie auch noch ihre letzten Habseligkeiten“, sagt Federle. Noch während die Feuerwehren den Brand löschten, kamen Busse, die die frierenden Menschen in die Rottenburger Festhalle fuhren. Dort bauten etwa 40 ehrenamtliche Helfer des Deutschen Roten Kreuzes Feldbetten auf.

Am frühen Morgen stellt eine Bäckerei Backwaren für ein Frühstück zur Verfügung. Dazu gibt es Kaffee, Tee und Kaltgetränke. An einem langen Tisch sitzen die erschöpften Flüchtlinge mit hängenden Köpfen, die Stimmung sichtlich gedrückt. Außen vor der Festhalle klopft eine junge Frau an der Tür - um 7.00 Uhr morgens. „Braucht ihr noch warme Decken?“, fragt sie die Helfer und überreicht ihnen einen großen Sack. Sie bleibt an diesem Morgen nicht die einzige Spenderin. Windeln, Spielzeug, Hemden und Hosen liegen auf einem Stapel in der Halle. „Ich habe im Radio von der Katastrophe gehört und möchte einen Beitrag leisten.“

Ermittlungen in jede erdenkliche Richtung

Die Menschen hätten um 8.00 Uhr morgens schon mehr als 1300 Euro gespendet, berichtet Ärztin Federle. „Sie sind noch nicht mal richtig wach und helfen schon. Wir gehen jetzt los und kaufen Spielsachen.“ Unter den Bewohnern sind etwa 20 Kinder.

Die Flüchtlinge wurden noch am Montag in der Tübinger Kreissporthalle untergebracht. „Wichtig ist mir, dass sie jetzt ein Dach über dem Kopf haben“, sagte der Tübinger Landrat Joachim Walter (CDU). Die Tübinger Halle sei fast vollständig vorbereitet für die Aufnahme von Flüchtlingen. Noch in dieser Woche sollten dort ohnehin 400 Menschen untergebracht werden.

Wie es zu dem Feuer kommen konnte, war am Montag zunächst unklar. „Es wird in jede erdenkliche Richtung ermittelt. Im Moment kann nichts ausgeschlossen werden“, sagt Oberstaatsanwalt Martin Klose. In den vergangenen Monaten hatte es im Südwesten zwei Brandstiftungen in geplanten Flüchtlingsunterkünften gegeben, die vermutlich einen fremdenfeindlichen Hintergrund hatten. Nun brannte es zum ersten Mal in Baden-Württemberg in einer bewohnten Flüchtlingsunterkunft.