Steigende Flüchtlingszahlen: Notunterkünfte sind oft der Schnelllebigkeit geschuldet. Info-Kette funktioniert noch nicht richtig.

Rottenburg - Da waren viele perplex und völlig überrascht: Die Flüchtlinge sitzen bereits im Zug nach Rottenburg und der Oberbürgermeister der Stadt, Stephan Neher, erfährt erst kurz vorher, dass Hunderte von Flüchtlingen in einer ehemaligen Fabrikhalle untergebracht werden.

Auch in der Bevölkerung kam die mangelnde Information nicht gerade gut an: "Das können die doch nicht machen", so war die erste Reaktion bei vielen Menschen. "Man kann doch nicht mir nichts, dir nichts in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einfach hunderte Flüchtlinge einquartieren, ohne dass die Bevölkerung davon was weiß". Und weiter: "Damit schafft man doch keine Willkommenskultur, das ist völlig kontraproduktiv", war bei einem Seniorenstammtisch zu hören.

Gegen die Flüchtlinge selbst hatte niemand etwas einzuwenden, sehr wohl aber gegen das Flüchtlingsmanagement. Dieses sei chaotisch und wenig durchdacht, war die fast einhellige Meinung

Wir fragen uns: Wie funktioniert eine Info-Kette für die Ankunft von Flüchtlingen?

Daniela Hüttig vom zuständigen Regierungspräsidium in Tübingen sagte gegenüber unserer Zeitung: "Die Notunterkunft in Ergenzingen war einfach der Schnelllebigkeit geschuldet. Auch die Mitarbeiter wurden erst kurz vorher informiert. Die Züge oder Busse fahren in Bayern los und erst wenn sie bereits zwei Stunden unterwegs sind, werden wir kontaktiert. Die Ministerien und das RP bekommen kaum Infos aus Bayern oder anderen Bundesländern." Die Informationskette funktioniere einfach noch nicht richtig, sagt Daniela Hüttig. Die Folge sei dann, dass die zuständigen Mitarbeiter nicht vorbereitet seien.

"In Ergenzingen war es so, dass erst einmal der Schlüssel für die Halle organisiert werden musste. Wenn wir so überrumpelt werden, arbeiten wir im Katastrophenmodus, da bei so einer Menge an Flüchtlingen natürlich auch Organisationen wie das DRK oder das THW eingebunden werden müssen."

Auch wenn das Land Baden-Württemberg ständig nach Unterkünften schaue, so müsse dringend mehr Ruhe einkehren. Dann, erklärt Hüttig, können auch die "Abläufe besser geplant werden und eine Nacht-und-Nebel-Aktion wie in Ergenzingen vermieden werden."

Wird Ergenzingen dauerhaft zu einer Außenstelle der völlig überlasteten LEA in Karlsruhe?

"Dazu kann ich noch nichts sagen", meint Steffen Fink, Pressesprecher des Regierungspräsidiums Tübingen. Vorgesehen sei, die Flüchtlinge hier erst einmal medizinisch zu versorgen und sie zu registrieren. Die dafür notwendige EDV sei aber noch nicht eingetroffen.

Klar ist lediglich, wieso ausgerechnet Ergenzingen nun zur größten Flüchtlingsunterkunft im Landkreis Tübingen geworden ist: Laut Fink habe der Eigentümer das verlassene Firmengelände schon vor längerer Zeit als Flüchtlingsunterkunft angeboten. Nachdem die Situation sowohl in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen als auch an den bayerischen Bahnhöfen immer unübersichtlichere Ausmaße annimmt, habe man reagieren müssen – und nehmen, was man kriegt. Fink: "Die guten Gebäude liegen nun mal nicht auf der Straße. Und die Kapazitäten im Regierungsbezirk Tübingen sind am Anschlag."

Auch der SWR hat in einem Extra über das Thema Flüchtlinge berichtet. Hier geht's zum Beitrag des SWR:

Quelle: SWR Mediathek