„Die prekäre Lage insbesondere in den Krisenherden Afghanistan, Irak, Iran, Pakistan und Syrien hält vermutlich an“, sagte Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer im Sozialausschuss. Foto: dpa

Zahl der Asylbewerber steigt zum dritten Mal in Folge an. Irak und Afghanistan stellen die größte Gruppe.

Stuttgart - 882 Flüchtlinge leben zurzeit in Stuttgart, rund 170 mehr als im vergangenen Jahr. Damit setzt sich der Anstieg seit 2011 fort. Die Stadt muss deshalb neue Wohnplätze schaffen, 230 mehr sollen es bis Jahresende sein.

Die größte Unterkunft entsteht in der Nordbahnhofstraße, wo zum Jahresende 120 Flüchtlinge in dem bisher von Studenten genutzten Gebäude einziehen. Das zweitgrößte Wohnheim hat 27 Plätze und liegt Am Römerkastell, mit 26 Plätzen plant man in der Reinsburgstraße. Viele Flüchtlinge sind in kleineren Wohneinheiten untergebracht, insgesamt hat die Landeshauptstadt zurzeit 854 Plätze in 34 Unterkünften.

Weiterer Anstieg auf 1000 Flüchtlinge bis Ende 2012 prognostiziert

Im Vergleich zu 13.000, 14.000 oder 15.000 Flüchtlingen, die Anfang der 90er Jahre im Zug des Zweiten Balkankriegs hier Zuflucht suchten, ist die aktuelle Zahl niedrig. „Die prekäre Lage insbesondere in den Krisenherden Afghanistan, Irak, Iran, Pakistan und Syrien hält vermutlich an“, sagte Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer im Sozialausschuss. Der Flüchtlingsbeauftragte Stefan Spatz prognostiziert einen weiteren Anstieg auf 1000 Flüchtlinge bis Ende 2012, deshalb müssten wieder mehr Plätze geschaffen werden.

Dies beobachten die Stadträte mit Argusaugen. Keinesfalls will man nochmals einen Koloss wie früher an der Leitzstraße am Pragsattel, wo mehr als 500 Personen unterschiedlichster ethnischer Herkunft mit entsprechend hohem Konfliktpotenzial lebten. „Wir beschreiten weiterhin den Stuttgarter Weg“, versprach Stefan Spatz. Man werde Familien weiterhin dezentral in kleinen Wohneinheiten mit Anbindung in den Stadtteil unterbringen, „aber 75 Prozent der Flüchtlinge sind inzwischen alleinstehend“.

Problem: Flüchtlinge geben sich als minderjährig aus

Diese Personen könnten sich aus Brandschutzgründen keine Wohnung als WG teilen: „Wenn die Leute ihre Zimmertür abschließen, ist ein Fluchtweg im Fall eines Brandes abgeschnitten“, sagt Spatz. Deshalb sollen sie in Wohnheimen unterkommen. Insgesamt schafft das Sozialreferat 230 neue Wohnplätze bis zum Jahresende, die größte Wohneinheit soll 150 Plätze haben.

Probleme schaffen Flüchtlinge, die sich als minderjährig ausgeben. In diesem Jahr kamen laut Spatz 60 Personen, „die wir aufnehmen müssen, nicht abschieben können und denen wir das gesamte Repertoire der Jugendhilfe zur Verfügung stellen müssen“.

„Im Zweifel müssen wir sie als Jugendliche betrachten“

Sie kommen seit einigen Jahren vor allem aus Nordafrika, Pakistan, Indien und Afghanistan, und zwei Drittel von ihnen seien laut Spatz gar nicht minderjährig. Zu einer Röntgenuntersuchung könne man diese Flüchtlinge aber nicht zwingen, so dass Stuttgart mit Hilfe einer unabhängigen Kommission eine Altersbestimmung vornehme. „Im Zweifel müssen wir sie als Jugendliche betrachten.“ Weder Bund noch Land bemühten sich bisher um eine gerechte Verteilung dieser Flüchtlinge, so dass die Kommune, in der sie anlanden, zwangsläufig handeln muss.

Für die von SÖS/Linke angefragte finanzielle Unterstützung für Bus- und Bahnfahrkarten hatten SPD und Grüne Zustimmung signalisiert. Die Verwaltung neigt allerdings dazu, die freiwillige Leistung bei Bonus- oder Familiencards zu belassen – auch sie berechtigen zum vergünstigten Ticketkauf. „In dringenden Fällen gibt es beim Sozialamt Mehrfahrtenkarten“, sagte Stefan Spatz.