Rund 40 Flüchtlinge aus der Ukraine betreut die israelitische Kultusgemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen. Einer von ihnen ist Konstiantyn Dashevskyi. Für ihn gestaltet sich die Wohnungssuche sehr schwierig – die Gemeinde bittet um Unterstützung. Foto: Zelenjuk

Von einer Entspannung der Lage in der Ukraine kann keine Rede sein. Immer mehr Menschen fliehen vor dem Krieg. Seit den ersten Tagen hilft ihnen unter anderem die israelitische Kultusgemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen. Es ist eine Herausforderung – und eine Bereicherung.

Rottweil - In der Synagoge ist es alles andere als still und ruhig an diesem Vormittag. Es herrscht geschäftiges Treiben: Da muss nach einem weinenden Baby geschaut werden, hier ein Einkaufszettel geschrieben werden, um Besorgungen für ältere Gemeindemitglieder zu machen, und natürlich dreht sich viel um die Flüchtlinge aus der Ukraine.

Wohnungsbesichtigungstermine, Behördengänge, Arztbesuche, Kindergarten- oder Schulanmeldungen und Fahrdienste: Jeder bringt sich ein, wie er kann. Viele kommen selbst aus der Ukraine und wissen, wie schwer die ersten Schritte in einem fremden Land sein können.

Viele Familien mit Kindern

So auch Tatjana Malafy, die Geschäftsführerin der israelitischen Kultusgemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen. Bei ihr laufen alle Fäden zusammen, immer wieder schaut sie auf ihr Handy. Hat sich noch ein Vermieter gemeldet? Klappt es mit den Matratzen und Möbeln? Sind alle für den Deutschkurs angemeldet?

Rund 40 Flüchtlinge hat die jüdische Gemeinde in Rottweil mittlerweile aufgenommen. "Besonders für orthodoxe Juden ist es wichtig, weil sie koschere Lebensmittel und Mahlzeiten brauchen", schildert Malafy. In einer Erstaufnahmestelle wäre es kaum machbar, weiß sie. Die Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Landratsamt klappe aber hervorragend.

"Wir haben jetzt mehr als 320 Gemeindemitglieder", sagt sie nicht ohne Stolz. Es sind Anwälte, IT-Ingenieure, Psychologen, Bankangestellte – und ausgesprochen viele Familien mit Kindern. Die Neuankömmlinge, die aus verschiedenen Regionen der Ukraine kommen, werden in allen Angelegenheiten betreut – und geben auch gerne etwas zurück, betont Malafy. "Sie helfen zum Beispiel bei den Festen in der Synagoge mit, sie möchten so Danke sagen."

Kindergarten und Schule als Zukunftsvision

Malafys Augen leuchten, wenn sie berichtet, wie viel aktiver die Gemeinde geworden ist. Und wie viel jünger. Ihre große Vision für die Zukunft: ein Kindergarten und eine Schule. "Sonst gibt es bei uns jetzt schon alles, was das jüdische Herz begehrt", sagt sie.

Die Kinder toben sich gern im Jugendzimmer der Synagoge aus. Das lenkt sie ab, und sie vergessen die Schrecken des Kriegs. "Wir haben einen dreijährigen Jungen hier, der sich auf den Boden geworfen hat, als er das Martinshorn gehört hat, und geschrien hat: ›Bitte nicht schießen!‹ Das ist schrecklich."

Die Zeit drängt

Als Wunder bezeichnet sie die Tatsache, dass bis jetzt fast für alle Flüchtlinge Wohnungen gefunden wurden. "Mit Gottes Hilfe und mit so viel Glück", fügt sie hinzu.

Fast, denn der 56-jährige Konstiantyn Dashevskyi, der allein aus Kyjiw nach Rottweil gekommen ist, hat immer noch kein eigenes Dach über dem Kopf. Er wohnt seit April in der Synagoge. Bis Ende Juli kann er noch bleiben, danach sind die Mitarbeiter mehrere Wochen lang im Urlaub. Eine langfristige Lösung muss her. Die Zeit drängt – und Malafy wendet sich an die Vermieter aus Rottweil und Umgebung mit einem Hilferuf, denn bis jetzt habe es für Konstiantyn nur Absagen gehagelt. Er ist allein, spricht kein Deutsch und hat noch keine Arbeit. Und er braucht eine kleine Einzimmerwohnung, eventuell eine Zweizimmerwohnung als Wohngemeinschaft mit einer Bekannten, die noch in der Ukraine lebt. "Er ist so ruhig, so intelligent, er hilft in der Gemeinde überall, wo er nur kann. Es wäre so schön, wenn wir für ihn eine Wohnung finden könnten", sagt Malafy.

1986 als Liquidator im Einsatz

Auch Konstiantyn will sie endlich lächeln sehen. "Wir engagieren uns ohne Wochenenden und Feiertage für die Flüchtlinge, aber es lohnt sich, um in die fröhlichen Gesichter zu schauen, um die Menschen endlich lächeln zu sehen."

Und Konstiantyn selbst? Er traut sich zuerst gar nicht richtig, mit der Redakteurin zu sprechen, will nicht aufs Foto, schaut verlegen zur Seite – doch langsam taut er auf. "Es ist jetzt mein größtes Problem, das macht mir schon sehr viel Druck", sagt er über die Wohnungssuche. Und erzählt ein bisschen über sich.

1986 sei er, damals ein junger Soldat im Wehrdienst, nach der Nuklearkatastrophe als Liquidator in Tschernobyl im Einsatz gewesen. 34 Tage auf dem verstrahlten Gelände. Er holt seine Liquidatoren-Bescheinigung aus dem Zimmer. Dank dieser konnte er die Ukraine im April verlassen. Doch viel mehr will er nicht darüber berichten, sein Blick wird traurig. In Gedanken kehrt er schon wieder in die Gegenwart zurück.

Wer die israelitische Kultusgemeinde bei der Wohnungssuche für Konstiantyn Dashevskyi unterstützen kann, kann sich bei Tatjana Malafy unter der Handynummer 0179/9 41 96 01 melden.