OB Fritz Kuhn zeigt am Dienstag die Unterkunft in Plieningen Foto: Max Kovalenko

In Plieningen hat die Stadt am Dienstag die ersten Systembauten für die wachsende Zahl von Flüchtlingen eingeweiht. Fünf weitere sollen in den nächsten Monaten folgen.

Stuttgart - In Plieningen hat man Erfahrung mit der Unterbringung von Flüchtlingen. In den 90er-Jahren waren aufgrund der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien kurzfristig so viele Asylbewerber eingetroffen, dass man sie in der Sporthalle unterbringen musste. Hier lebten rund 250 Menschen ein Jahr lang, ehe sie in Wohncontainer umziehen konnten. Dort war es im Sommer so heiß, dass die Leute die meiste Zeit im Freien verbrachten. Konflikte waren programmiert.

Kein Wunder, dass Oberbürgermeister Fritz Kuhn, Stefan Spatz, der stellvertretende Leiter des Sozialamts, und Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer mit den Systembauten, die nun auf der Festwiese im Wolfer stehen, sehr zufrieden sind. Hinsichtlich Schall- und Wärmeschutz sind die in nur drei Monaten errichteten Unterkünfte für 159 Menschen, die am Dienstag eingeweiht worden sind, mit konventionellen Wohnungen vergleichbar.

38 Bewohner sind bereits eingezogen, obwohl die Bagger noch vor der Tür stehen und das Areal mit Spielplatz und Raum für Gartenarbeit vorerst einer Schotterwüste gleicht. In den nächsten Tagen sollen weitere 90 Menschen folgen, die bisher interimsweise im ehemaligen Olgahospital untergebracht waren. Dann ist die Unterkunft nahezu voll belegt. Gemeinschaftsräume, Küchen, behindertengerechte Sanitäranlagen – das alles ist pragmatisch gestaltet, zeugt aber vom Bemühen, die Flüchtlinge nicht nur unterzubringen, sondern ihnen so etwas wie ein vorläufiges Zuhause zu bieten.

„Systembau soll keine sprachliche Beschönigung für Container sein“, betont Spatz. „Wir verfolgen ein anderes Konzept.“ Ein Blick in die 14 Quadratmeter großen Zimmer, in denen bis zu drei Asylbewerber zwischen Kühlschrank, Kleiderschrank, Tisch und Bett leben, genügt, um zu sehen, dass das mit Luxus nichts zu tun hat. 4,5 Quadratmeter Wohnraum stehen jedem von ihnen gesetzlich zu. Daran orientieren sich die Abmessungen in Plieningen. Andererseits wurde daran gedacht, dass sich Räume für Familien mit Kindern durch Zwischentüren verbinden lassen.

Nach spätestens zwei Jahren sollen diejenigen, die in Deutschland bleiben dürfen, in kleinere Wohneinheiten umziehen. Die Landeshauptstadt setzt auf Dezentralisierung: 2088 Asylsuchende leben derzeit in Stuttgart. Sie sind auf 66 Unterkünfte in 16 Stadtbezirken verteilt. Fünf weitere Standorte mit Systembauten werden folgen.

Zum Stuttgarter Modell gehört auch die Einbindung in ein soziales Umfeld. Jeder Systembau-Standort wird von einem anderen Träger betreut, der als Ansprechpartner dient. In Plieningen ist dies die Evangelische Gesellschaft (Eva). Hinzu kommt das Engagement eines Flüchtlingsfreundeskreises. Die Plieninger Sportvereine machen integrative Angebote. Plätze in den örtlichen Kindertagesstätten sollen so rasch wie möglich zur Verfügung stehen. „Flüchtlingskinder sind Stuttgarter Kinder“, sagt Spatz.

„Wir gehen davon aus, dass sich die Zahlen 2015 ähnlich entwickeln werden wie in diesem Jahr“, sagt Kuhn, „wir machen aber keine Panik. Wir unterstützen die Asylbewerber.“ Die Mehrheit der Bürger scheint das ähnlich zu sehen. Nach anfänglichen Protesten ist die Stimmung in Plieningen vorwiegend positiv. Eine Klage gegen die Unterkunft ist zurückgezogen worden.