Fortunato F. Leal Justino und Ernestina da Silva Cruz Leal Foto: Ditzer

Auf der Flucht vor der Diktatur in seinem Heimatland zog es den gebürtigen Portugiesen Fortunato Francisco Leal Justino einst nach Deutschland. Im Landkreis Calw hatte er bis zu seinem Tod eine neue Heimat gefunden. Mittlerweile lebt seine Familie in der fünften Generation dort.

Althengstett - Wenn das Wort Diktatur fällt, wird wohl kaum jemand als erstes an Portugal denken. Doch unter der Herrschaft von António de Oliveira Salazar wurde das Land mehr als 40 Jahre lang von einem autoritären Regime regiert, der Estado Novo. Bis zur sogenannten Nelkenrevolution im Jahr 1974, die das Ende der Diktatur besiegelte, flüchteten viele Portugieser vor Armut, politischer Verfolgung und der Wehrpflicht. So auch Fortunato Francisco Leal Justino. Wie fast jeder andere junge Portugiese wäre er in den Kolonien eingesetzt worden. Auch sein Bruder war bereits beim Militär. Damit ihn nicht dasselbe Schicksal ereilt, trat Leal Justino mit 17 Jahren die Flucht nach Deutschland an, wo sein Vater bereits lebte. "Er ist vor dem Tod geflüchtet", sagen seine Töchter Filomena Calmbach und Elia Ditzer heute.

Ankunft 1962 in Heumaden

Doch nicht nur der Kolonialkrieg bereitete den Menschen sorgen, auch in Portugal verursachte die Diktatur Leid: "Es gab viel Armut. Den Menschen ging es schlecht", erzählen Calmbach und Ditzer. Am 15. Mai 1962 kam ihr Vater schließlich in Heumaden an, wo er ab September in einer Gipserei arbeitete. Drei Jahre später lernte er seine spätere Ehefrau Ernestina da Silva Cruz Leal kennen. 1939 geboren, bekam sie sowohl die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs in Europa als auch die der Diktatur in Portugal mit. "Man durfte nichts gegen die Regierung sagen", erzählt die heute 82-Jährige. Menschen seien verschwunden und grundlos ins Gefängnis gekommen.

Eigentlich sollte es weiter nach Australien gehen

Da Silva Cruz Leal kam schließlich 1966 nach Deutschland, nachdem ihr erster Ehemann gestorben war. Verwitwet mit einem Kind hat sie in Portugal keine Zukunft mehr gesehen. Als sie Leal Justino in Deutschland kennenlernte, hegte dieser bereits Pläne, nach Australien weiterzuziehen, wo bereits einige portugiesische Einwanderer lebten. Für die Schiffsüberfahrt war alles vorbereitet, sogar die Tickets waren schon bezahlt. Doch der Liebe wegen blieb er in Deutschland – wo er bis zu seinem Tod im Dezember 2021 zusammen mit seiner Ehefrau lebte, zuletzt in Althengstett.

Das Paar heiratete seinerzeit in Portugal. Da dort allerdings noch immer Salazar an der Macht war, konnte Leal Justino nicht mitkommen. Er blieb in Deutschland, als da Silva Cruz Leal in Portugal die Papiere einreichte. Als die Diktatur schließlich vorbei war, hatte das Paar immer wieder überlegt, nach Portugal zurückzukehren – doch mit der Zeit wurde ihnen klar: Ihre neue Heimat ist Deutschland. Dort, wo Leal Justino fast 60 Jahre gelebt hat, und wo er nun auch beerdigt worden ist. Er hat die Freiheit, die ihm dieses Land geboten hat, geliebt.

"Wir lieben die deutsche Kultur"

So auch seine Familie, die mittlerweile in der fünften Generation im Landkreis Calw lebt. "Wir lieben die deutsche Kultur", sagen Calmbach und Ditzer. Sie hätten sich von Anfang an aufgenommen gefühlt. Und das, obwohl sie auch negative Erfahrungen gemacht haben, wie sie erzählen. Als Kind hätten sie nicht mit den Nachbarskindern spielen dürfen. Und auch in der Flüchtlingskrise 2015 seien sie erschrocken, wie teilweise über die Menschen geredet wurde. Die Abneigung gegenüber Einwanderern sei für sie unverständlich. "Jeder ist froh, wenn einem geholfen wird", sagen Calmbach und Ditzer, die aber auch betonen, dass sie die Angst vor dem Fremden nachvollziehen können. Sie machen dennoch deutlich: "Unser Vater hat nie etwas genommen, er hat nur gegeben."

Weil er selbst in Not gewesen sei, habe er stets anderen Menschen helfen wollen, betonen seine Töchter. Fortunato Francisco Leal Justino hat es der Familie ermöglicht, in Deutschland Fuß zu fassen. Und die Familie ist gekommen, um zu bleiben: "Wir gehen jedes Jahr nach Portugal, trotzdem zieht es uns immer wieder ins Schwäbische", sagen Calmbach und Ditzer.

Info: Estado Novo

Estado Novo (portugiesisch für "Neuer Staat"), auch Salazarismus genannt, war die Bezeichnung für die autoritäre Diktatur in Portugal von 1933 bis 1974. Unter der Herrschaft von António de Oliveira Salazar und dessen Partei União Nacional (Nationale Union) wurden alle anderen Parteien verboten und politische Gegner verfolgt. Rechte wurden eingeschränkt und die Presse zensiert. Portugal war seinerzeit eines der ärmsten Länder Europas. Auch durch die Unabhängigkeitskriege in den portugiesischen Kolonien in Afrika wurde die Bevölkerung immer unzufriedener. Die Nelkenrevolution am 25. April 1974, ausgelöst durch ein Militärputsch, besiegelte das Ende der Estado Novo.