Blumen in den Landesfarben der Ukraine: Seit Mittwoch sind Geflüchtete im Ankunftszentrum in Meßstetten, der ehemaligen Zollernalbkaserne, untergebracht. Foto: Müller

Seit Mittwoch sind die ersten Geflüchteten aus der Ukraine in der ehemaligen Zollernalbkaserne in Meßstetten angekommen. Im "Ankunftszentrum Ukraine" finden um die 200 Menschen Schutz vor dem Krieg in ihrem Heimatland. Die Landesjustiz- und Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) hat sich am Donnerstag ein Bild vom Start auf dem Geißbühl gemacht.

Meßstetten - Knapp zwei Wochen ist es her, als die ersten Gespräche zwischen Marion Gentges, Landrat Günther-Martin Pauli und Meßstettens Bürgermeister Frank Schorft bezüglich der Flüchtlingsunterbringung im Zollernalbkreis geführt wurden. Innerhalb weniger Tage haben viele haupt- und ehrenamtliche Helfer die leerstehende Zollernalbkaserne, in der von 2014 bis 2017 die Landeserstaufnahmeeinrichtung angesiedelt war, wieder so hergerichtet, dass dort Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind, einen sicheren Zufluchtsort haben.

Die Lage ersten Flüchtlinge sind seit Mittwoch da

Am Mittwoch sind die ersten Geflüchteten in Meßstetten angekommen: Nachmittags um die 100, am Abend folgten weitere. Aktuell sind rund 200 Menschen im Ankunftszentrum Ukraine untergebracht. In ganz Baden-Württemberg sind bis Donnerstag 6100 Ukraine-Flüchtlinge registriert worden, darunter hauptsächlich Frauen und viele Kinder. "Doch diese Zahlen sind schnell überholt", stellte Marion Gentges bei ihrem Besuch am Donnerstag in Meßstetten klar. Täglich kämen neue Geflüchtete in Deutschland, Baden-Württemberg und im Zollernalbkreis an, die Situation sei "höchst dynamisch". Auch könne man weder abschätzen, wie viele Flüchtlinge noch kommen werden, noch, wie lange sie bleiben werden – alles hänge vom weiteren Fortgang des Kriegs in der Ukraine ab. "Wir stellen uns auf weiter steigende Zahlen ein", so Gentges. In ganz Baden-Württemberg werden nun Hallen und Hotels angemietet, um allen Geflüchteten Zuflucht bieten zu können.

Keine dauerhafte Einrichtung

Dass es sich bei der Einrichtung in Meßstetten um ein Ankunftszentrum und keinesfalls eine Landeserstaufnahmeeinrichtung handelt, obwohl der Standort und Ablauf derselbe sei wie von 2014 bis 2017, betonten alle Akteure mehrfach. Das Ankunftszentrum sei auf die erste Hilfe in einer temporären Notsituation ausgelegt, der Name soll laut Pauli eine bewusste Abgrenzung zur früheren LEA sein. "Wir helfen gerne, aber nicht als dauerhafte Einrichtung", stellte Frank Schroft klar. Die unmittelbare Nähe zum Truppenübungsplatz Heuberg biete sowieso nicht die besten Voraussetzungen, um kriegstraumatisierte Menschen zu beherbergen. Vorübergehend und aus der Not bleibe aber nichts anderes übrig.

Die fortgeschrittenen Pläne, auf dem Areal der ehemaligen Zollernalb-Kaserne den Interkommunalen Industrie- und Gewerbepark Zollernalb zu errichten, werden laut Pauli vom Ankunftszentrum nicht behindert. Vieles könne laut Schroft parallel laufen. Um Menschen in Not zu helfen, nehme man eine Verzögerung bezüglich der Konversion in Kauf. "Wir haben einen guten Modus gefunden, dass beides parallel laufen kann", resümierte Schroft.

Was ist jetzt anders?

Noch im Herbst vergangenen Jahres haben der Zollernalbkreis und die Stadt Meßstetten der Anfrage von Gentges, die Landeserstaufnahmestelle zu reaktivieren, eine deutliche Absage erteilt. Nach einigen klärenden Gesprächen, signalisierte Gentges Ende Januar, dass die Pläne einer LEA-Reaktivierung passé seien. Keine zwei Monate ändert sich der Kurs und ein Ankunftszentrum wird eröffnet. Was ist jetzt anders?

"Seitdem Putin in die Ukraine einmarschiert ist, haben wir eine völlig neue Weltlage", erklärte Frank Schroft. "Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, die Menschen, die vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen sind, aufzunehmen und zu unterstützen." Als die Anfrage einer LEA-Reaktivierung im Herbst im Raum stand, hätte es noch andernorts genügend Möglichkeiten zur Flüchtlingsunterbringung gegeben. "Damals hat noch kein Mensch dran gedacht, dass es in Europa nochmals Krieg geben wird", so Schroft. Der Kriegsausbruch habe die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst; zusätzliche Unterkünfte werden dringend benötigt. "Jetzt müssen wir primär helfen – und das möglichst pragmatisch, schnell und unkompliziert."

Schnell und unkomplizierte Hilfe

Das Zusammentreffen der Vertreter des Landkreises, der Stadt Meßstetten und des Regierungspräsidiums Tübingen mit Ministerin Gentges und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut war geprägt von Dankbarkeit: Alle ziehen an einem Strang, sind solidarisch und verfolgen das Ziel, den Menschen in Not so schnell wie möglich zu helfen. Auch in der Bevölkerung herrsche eine große Akzeptanz, Hilfsbereitschaft und Solidarität.

Der Erste Landesbeamte des Zollernalbkreises Matthias Frankenberg war in den vergangenen Tagen oft vor Ort und begleitete den schnellen Wandel von einer leerstehenden Kaserne hin zu einem Ort, in dem hunderte Menschen untergebracht und versorgt werden. Es habe zahlreiche Spenden gegeben, regionale Handwerksbetriebe waren schnell – und oft auch unentgeltlich – bereit zu helfen und haben bis in den späten Abend hinein gearbeitet. Geld- und Sachspenden gingen ein, und wenn Baumaterial fehlte oder wegen Lieferschwierigkeiten schnell nicht zu bekommen war, sei immer jemand bereitwillig in die Bresche gesprungen, so Frankenberg.

Ehrenamtliche stehen in den Startlöchern

Gentges lobte vor allem, dass alles nicht nur zweckmäßig hergerichtet, sondern auch viel Wert auf Details gelegt worden sei: Sei es bei der Bepflanzung in den Landesfarben der Ukraine oder bei den Spielgeräten, die für die Kinder bereitstehen.

Abgeschlossen sind die Arbeiten im Ankunftszentrum derweil noch lange nicht. In den nächsten Tagen wird das Ankunftszentrum mit Leben gefüllt: Ein Begegnungszentrum wird eingerichtet, das DRK sowie einige pensionierte Ärzte checken die Gesundheit der Neuankömmlinge durch, die Registrierung der Flüchtlinge läuft parallel.

Nicht abschätzbar, wie viele kommen werden

Viele Ehrenamtliche hätten sich bereits gemeldet, die sich in verschiedenen Bereichen einbringen möchten. Drei Klassenzimmer wurden mit Spenden eingerichtet und pensionierte Lehrer signalisierten ihre Bereitschaft, den Kindern Unterricht zu geben. Nach und nach werden weitere Gebäude bezugsfertig gemacht.

Wie viele Menschen am Ende nach Meßstetten kommen werde, könne man derzeit nicht sagen, auch wolle man keine falschen Versprechungen abgeben. Pauli erinnerte an die LEA-Zeiten, als die angekündigten Belegungszahlen in der Praxis deutlich überschritten wurden.