Links: So sah es an der Nagold aus, als das letzte Floß die Stadt passierte. Mitte: Stadtführer Eckhart Kern zeigt bei einem Spaziergang, welche Rolle die Flößerei für die Stadt spielte. Rechts: Sanft schlängelte sich der Fluss einst Richtung Stadt. Foto: Zabota/Archiv

Flößen auf der Nagold – seit mehr als hundert Jahren vorbei, aber noch immer hoch spannend. Eine Themenführung des Kulturamtes der Stadt mit Eckhart Kern als bewährtem und sachkundigem Guide zieht enorm viele interessierte Besucher an.

Nagold - Wenn die Nagolderin oder der Nagolder vor rund 200 Jahren aus dem Fenster schauten, sofern am Flusse wohnend, sahen sie etwas ganz Spannendes: Flöße. Damit wäre eigentlich schon erzählt, was die Stadt mit der Flößerei zu tun hatte, nämlich nicht sehr viel. Nagold war Etappe.

Die bedeutenden Flößerstädte lagen flussaufwärts, Altensteig, und flussabwärts, Calw. Dennoch war die Stadt eng mit der Flößerei verbunden, wie Stadtführer und Historiker Eckhart Kern hervorhob.

Und das schon allein deswegen, weil die Durchfahrt eines Floßes jedes Mal ein Riesenspektakel gewesen ist. Vor allem für die Kinder. Wie Hermann Hesse schrieb, habe es für einen Knaben nichts Spannenderes gegeben, als heimlich auf einem Floß mitzufahren. Wenigstens ein kurzes Stück.

Es gab in der Stadt Nagold keine Flößer. Das waren diejenigen, die die Baumstämme zu Flößen banden und dann auf dem Floß stehend die mitunter gefährliche Fahrt aufnahmen, im Grunde eher Geringverdiener. Es gab auch keine Schiffer. Das waren diejenigen, denen das Holz gehörte, die damit Handel trieben und nicht wenig Geld verdienten. Die "Reeder", sozusagen. Denn Holz war damals wie heute ein überaus gefragter Rohstoff. Unter anderem für den Haus- und Schiffbau, für das Heizen, das Kochen, Bergwerke und die Köhlerei.

Bis zu 180 Flöße passierten im Jahr die Stadt

Um Nagold herum gab es eine Zeit lang reichlich Holz, der Schwarzwald war sozusagen, das "Holzmagazin" Norddeutschlands und der Niederlande, wie es Stadtführer Kern formulierte. Von 1342 regelten Württemberg und Baden vertraglich die Öffnung der Flüsse Nagold, Enz, Würm, Murg, Glatt und Neckar für die Flößerei. Die eigentliche "Floßbarmachung" (was für ein schönes Wort zum Scrabbeln, auch "fleuzbar") der Nagold für die Langholzflößerei war erst 1667 vollendet. Denn das ist technisch nicht so einfach und betraf auch die Städte entlang der Flüsse.

Da der Wasserstand meistens recht niedrig war, haben die Bauleute den Fluss in so genannten "Wasserstuben" gestaut. Von der Urnagold bis in die Stadt gab es davon etwa zwölf bis vierzehn, darunter die "Monhardter Wasserstube". In diesen Wasserstuben haben die Flößer dann ihre Gefährte zusammengebunden, eine Kunst für sich, und dann die Wasserstube geöffnet. Die Flößer ritten dann auf einer Wasserwelle talabwärts. Sahen die Nagolderin und der Nagolder aus dem Fenster, war einiges los. Bis zu 180 Flöße passierten jährlich zwischen Ostern, wenn das Eis getaut, und Martini (am 11. November) die Stadt. Vier Stämme, meistens die in Holland begehrten mächtigen Weißtannen, wurden parallel zusammengebunden, ein so genanntes "Gestör". Das ganze Floß bestand aus bis zu zehn Gestören mit einer entsprechend großen Mannschaft. Die musste dafür sorgen, dass das Floß an den Verbindungsstellen nicht knickte, ein so genannter "Ellenbogen" und sich im Fluss verkeilte. Dazu musste der hintere Flößer mit einem Stab die Fahrt verlangsamen, die Flößer sagen "sperren". Drohte diese Gefahr, riefen sie nach hinten "Jockele sperr". Allerdings machten sich die Anlieger einen Spaß daraus, den Flößern von ihren Fenstern aus "Jockele sperr" zuzurufen. Vom Spaß abgesehen profitierte Nagold ganz sicher von der Passage der Flöße. Die Mannschaften aßen und tranken und nahmen Quartier in der Stadt, wovon die Namen von Wirtshäusern wie "Schiff" und "Anker" zeugen.

Wirtschaftszweig für Stadt bedeutsam

Darüber hinaus war der gesamte Wirtschaftszweig – Wald, Holz, Flößerei – für die Stadt Nagold bedeutsam. Die herrschaftlichen Waldbesitzer nutzen den Fluss ganz generell für den Holztransport. Sie schafften beispielsweise "Treibholz", also lose Baumstämme, flussabwärts, das den Holzbedarf vor Ort deckte. Ungefähr an der Stelle, an der heute das Verwaltungsgebäude von Häfele steht, befand sich ein "Holzgarten". Dort fischte man das Holz heraus und verkaufte es an Zimmerleute und Schreiner, von denen es hier genau aus diesem Grund viele gab.

Zimmerleute und Schreiner gibt es heute noch, Flößer nicht. Mit dem Bau von Straßen und Eisenbahnen setzte ein Strukturwandel ein. Hierzulande ersetzte die Schmalspurbahn von Nagold nach Altensteig, das "Altensteigerle", die Flöße. Blickten die Nagolderin und der Nagolder aus dem Fenster, gab es auf dem Fluss zuletzt 1913 etwas zu sehen. Da rauschte das letzte Floß flussabwärts, beladen mit reichlich Bier und wieder ein Riesenspektakel.