Ans Tageslicht befördert: Die 250-Kilo-Sprengbombe hängt am Haken Foto: Fotoagentur Stuttgart

Sechs Stunden haben am Mittwoch zwei alte Fliegerbomben im Wald zwischen Degerloch und Sillenbuch Alarmstimmung ausgelöst. Am Nachmittag musste ein Wohnviertel geräumt werden. Der Fall zeigt, wie moderne Lasermessung zur archäologischen Erkundung auch auf die Spur von Kriegsrelikten führt.

Stuttgart - Sage keiner, die abgelegene Stelle mitten im Wald wäre gänzlich unbekannt. „Damals im Zweiten Weltkrieg ist dort bei der Kuhwiesenquelle ein Flugzeug abgestürzt“, sagt Wolfgang Oberdorfer. Noch heute dient ihm ein Wrackteil von damals als Gartenpfosten. Doch jetzt muss der Mann, der am Eichenhain am Ortsrand von Sillenbuch aufgewachsen ist, Haus und Garten verlassen. 300 Meter vom Wohnquartier entfernt hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst im Wald zwei alte Fliegerbomben entdeckt. Die Kriegsrelikte waren um 9.15 Uhr in unwegsamem Gelände entdeckt worden.

Bombenfund

Großeinsatz für Polizei und Feuerwehr. Etwa 50 anwesende Anwohner verlassen ihre Häuser am Eichenhain. Während der brenzligen Arbeit im Forst südlich von Fernsehturm und Waldau wird ein drei Kilometer langes Stück der Kirchheimer Straße zwischen Ruhbank und Birkach für den Verkehr gesperrt. Auch das Königsträßle ist tabu.

Die Anwohner nehmen es gelassen. Jürgen Püschel hat gerade noch Unkraut an der Garageneinfahrt gejätet, aber das hat Zeit. „Dann fahren wir halt in die Stadt“, sagt seine Frau Jutta Menzel-Püschel, „wir müssen ohnehin in die Stadtbibliothek.“ Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Roland Sauer muss auch weg – allerdings steht da ein Polizei-Mannschaftswagen halb vor seiner Garage. Anlass genug für eine mündliche Anfrage zur Standortentfernung des Falschparkers. Dann geht’s zu einem Besuch bei der Tochter in Schönberg.

Derweil stehen die Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes an der Stelle am Bauchlauf auf Degerlocher Gemarkung, an der vor 70 Jahren gleich zwei amerikanische 250-Kilo-Bomben einschlugen, ohne zu detonieren. Die mechanischen Aufschlagzünder am Heck hatten nicht ausgelöst, dafür bohrten sich die Allzweck-Sprengbomben zwei Meter tief im Waldboden. Bei einem Fliegerangriff 1944 waren die Bomben wohl zu früh abgeworfen worden.

Laservermessung per Flugzeug deckt Blindgänger auf

Dass sie überhaupt gefunden wurden, liegt an einem hochmodernen Instrument der archäologischen Denkmalpflege: der Laservermessung per Flugzeug. „Dabei wird ein digitales Geländemodell erstellt“, sagt der für die Kampfmittelbeseitigung zuständige Referatsleiter Michael Hagmann vom Regierungspräsidium. Trotz Bäumen kann man den Boden digital genau nachbilden – und wie in einem Ultraschallbild Unregelmäßigkeiten aufspüren. „So findet man Verdachtspunkte“, sagt Hagmann.

Letztlich müssen die Relikte aber ausgegraben und entschärft werden. Das ist der Job von den Feuerwerkern um Peer Müller, die sich um 15 Uhr ans Werk machen. Mechanische Aufschlagzünder sind Standard, dennoch sind die 250-Kilo-Bomben hochgefährlich. „Splitter können 1500 Meter weit geschleudert werden“, sagt Peer Müller. Die Spezialisten legen die Sicherheitszone mit 300 Meter Radius fest. Um 15.25 Uhr ist die Gefahr vorüber. Auch wenn an der zweiten Bombe der Zünder klemmte und deshalb mitsamt der Aufnahmebuchse mühsam rausgedreht werden musste.

Die Feuerwerker haben dieses Jahr viel zu tun: „Das ist schon der elfte Einsatz“, sagt Müller. Normalerweise gibt es zehn bis 15 Fälle im ganzen Jahr. „Das liegt wohl am milden Winter, da ist auf den Baustellen mehr los“, vermutet Müller.

Die Bomben werden sicher nicht Wolfgang Oberdorfers Garten zieren. Die Relikte werden entleert und zersägt und aufs Gelände des Kampfmittelbeseitigungsdienstes im Böblinger Wald gebracht. Aber auch dort, verrät Feuerwerker Müller, hat man ein Faible für Gartenarbeit: „Einige Bombenteile nutzen wir als Pflanztröge.“