Friedlicher Flashmob: Mai 2009 auf dem Stuttgarter Marktplatz Foto: Eppler, Frank

Sie heißen Flashmobs - skurrile Spaßaktionen. In den USA ist aus dem Spaß jetzt Ernst geworden.

Washington - Sie heißen Flashmobs - kurze, oft skurrile Spaßaktionen von Jugendlichen. Doch in den USA ist aus dem Spaß jetzt Ernst geworden. Nach den jüngsten Flashmobs gab es einen Verletzten, Geschäfte wurden demoliert. Vor allem Ladenbesitzer haben Angst.

"Es war wie ein Tsunami", sagt Seth Kaufman. Der Körper, das Gesicht des 20-Jährigen sind übersät mit Blutergüssen und Prellungen. Tapfer hatte sich der Pizza-Fahrer in Philadelphias South Street gegen die jugendliche Menge gestemmt, die das kleine Restaurant seines Arbeitgebers stürmen wollte. "Wir verdanken ihm viel", lobte der Besitzer der Pizzeria, Peter Psihogios, seinen jungen Angestellten, der erst nach langer Gegenwehr auf die Knie ging, aber immerhin verhinderte, dass die Pizzeria samt Gyros-Grill kurz und klein geschlagen wurde.

Seths zerschlagenes Gesicht prangt inzwischen auf den Titelseiten von Amerikas Zeitungen. Flashmobs, seit einigen Jahren ein bislang eher harmlos-sinnfreier Spaß junger Leute, die sich über das Internet verabreden und sich nach ihren oftmals skurrilen Aktionen blitzschnell wieder auflösen, kippen in Philadelphia, aber längst nicht nur dort in Gewalt um. Wie aus dem Nichts tauchen plötzlich die Horden junger Leute auf, die sich per Twitter oder SMS verabreden und Anwohner und Geschäftsinhaber in Boston, New Jersey und Brooklyn in Angst und Schrecken versetzen. Philadelphia hat angesichts der wachsenden Ausschreitungen sogar das FBI um Hilfe gebeten.

"Verbrennt die City!"

Die Bundespolizei soll verstärkt die sozialen Online-Netzwerke beobachten, um frühzeitig Wind von der nächsten Welle zu bekommen. Bei vielen Anwohnern und Geschäftsinhabern rund um die South Street in Philadelphias Zentrum liegen die Nerven nach der jüngsten Krawallnacht am letzten Wochenende mittlerweile blank. "Die Leute haben Angst, und ich kann ihnen das nicht übelnehmen", meinte Stadtrat Frank DiCicco. Inzwischen wird im Stadtrat diskutiert, für Jugendliche eine generelle Ausgangssperre ab 22 Uhr zu verhängen oder die Schülermonatskarten für die städtischen Busse nach 16 Uhr für ungültig zu erklären. "Wir müssen etwas tun gegen diese Gruppen von Jugendlichen, die ziemlich dummes, aber gefährliches Zeug treiben", sagte Bürgermeister Michael Nutter.

Ob wirklich schon Schüsse fielen beim Flashmob am letzten Samstag, dem ersten frühlingswarmen Wochenende nach dem langen schneereichen Winter, ist umstritten. Sicher aber ist, dass sich zumindest ein Ladenbesitzer mit der Waffe in der Hand vor seinem Geschäft aufbaute, um seine Auslagen zu schützen, während der jugendliche Mob parkende Autos demolierte. Als in Philadelphia Mitte der Woche Gerüchte über einen neuen Flashmob kursierten, riet die Stadtspitze den Geschäftsinhabern in der vermeintlich bedrohten City-Zone, ihre Läden vorsorglich zu schließen. Mitten auf den abgeriegelten Straßen parkten blinkende Streifenwagen. An jeder Ecke waren Polizisten postiert. Am Ende blieb es ruhig. Nur ein paar neugierige Teenager ließen sich blicken. "Für die Jugendlichen geht es um Spaß. Sie gehen davon aus, dass die Polizei nicht alle schnappen kann", sagt Melanie Kennedy, die Schülern der nahen Robeson High School bei den Hausaufgaben hilft.

Viele Jugendexperten machen die Lust an der verabredeten Randale inzwischen daran fest, dass die Mittel für die Jugendarbeit in der Ostküstenstadt in den letzten Jahren drastisch zurückgefahren wurden. "Wir brauchen mehr Jobs für die Kids, mehr nachschulische Betreuung und vor allem auch mehr Unterstützung durch die Eltern", zitierte die "New York Times" den Vorsitzenden eines Jugendschutzvereins.

Für andere greift das zu kurz. Dass die jugendlichen Teilnehmer überwiegend schwarz sind, aus den Armenvierteln der Stadt stammen und den Krawall gezielt in den weißen Geschäftsvierteln suchen, verstärkt bei vielen Anwohnern die Ängste. "Wir sind die schwarzen Boys!" und "Verbrennt die City!" - mit solchen Rufen waren Tausende von Jugendlichen am letzten Wochenende durch die South Street in der Innenstadt getobt. Philadelphias schwarzer Bürgermeister wies indes jeden Zusammenhang zurück. "Wir sollten keine Entschuldigungen für unangemessenes Verhalten suchen", meinte Nutter. "Dummes Verhalten hat nichts mit der Hautfarbe zu tun. Ich weiß nicht, was die Leute dazu bringt, sich wie Esel zu benehmen."