Sarah Schilling (rechts), Lucia Merz (links) und Sven Kieninger vor der Geschäftsstelle des TV Villingen in der Färberstraße. Sie hoffen, dass sie nicht nur die Masken bald absetzen können, sondern sich vor allem der Sportbetrieb schnell normalisiert.Fotos: TVV Foto: Schwarzwälder Bote

Halte dich fit mit dem TV Villingen: Ein Jahr nach dem Ende unserer Serie: Viel Kritik, neue Ideen und ein hoffnungsvoller Ausblick

"Halte dich fit mit dem TV Villingen": Dies waren im April und Mai 2020 acht ungewöhnliche Wochen – dachten wir damals – in gerade für den Sport und die vielen Vereine ungewöhnlichen Zeiten: Zirkeltraining, Wochenchallenges, eine kindgerechte "Reise durch die Tierwelt", Ideen für Bewegungsmöglichkeiten mit dem notwendigen Abstand in der Wohnung und auf der Wiese, dazu Ernährungstipps oder Übungen zur Entspannung: Sarah Schilling und Lucia Merz zeigten zum Beginn der Corona-Krise in Wort, Bild und Video auf, dass gerade auch in schwierigen Zeiten der Sport enorm wichtig für Geist und Körper ist. Zusammen mit Sven Kieninger, dem Geschäftsführer des TV Villingen, wagten sie zudem einen Ausblick auf die kommenden Wochen, den Sommer 2020.

So endete am 18. Mai im vergangenen Jahr unsere Serie. An eine zweite Staffel wurden keine Gedanken verschwendet, Corona sollte im Frühjahr 2021 eine überwundene Episode sein. Doch die Pandemie verläuft eben nach einem eigenen Drehbuch. Also fragten wir bei den drei Protagonisten des TV Villingen nach, was sich in den vergangenen zwölf Monaten verändert hat.

Frau Schilling und Frau Merz, wie geht es Ihnen ein Jahr nach dem Serienfinale von "Halte dich fit mit dem TV Villingen"?

Lucia Merz: Mir geht es persönlich sehr gut. Sportlich gesehen haben wir natürlich ein aufregendes Jahr mit vielen Höhen und Tiefen hinter uns. Das Ende der "Halte dich fit"-Aktion im letzten Mai sollte eigentlich wieder den Neustart in das "normale" Sportleben bedeuten. Leider ist es anders gekommen.Sarah Schilling: Mir geht es auch gut. Ich bin gesund, darum geht es vor allem. Wir alle zusammen machen das Beste aus diesen schwierigen Zeiten. Allerdings hoffen wir darauf, bald wieder in den Sporthallen als Trainerinnen aktiv sein zu können. Für uns ist der Sport mit Kindern und Erwachsenen mehr als nur Arbeit, wir geben unsere Begeisterung für die Bewegung einfach sehr gerne persönlich weiter.

Herr Kieninger, auch Sie hatten sicher nicht damit gerechnet, dass im Mai 2021 das sportliche Vereinsleben noch fast vollständig ruht.

Nein, sicher nicht. Ich hatte zu Beginn der Pandemie gehofft, dass wir uns im Jahr 2021 nicht mehr mit diesem Thema beschäftigen müssen.

Wie steht es um den TV Villingen nach mehr als einem Jahr Pandemie?

Aus sportlicher Hinsicht nicht gut, da nahezu der komplette Sportbetrieb seit November 2021 – mit Ausnahme des Rehasports, des Kadersports und ein paar wenigen Freiluftangeboten für Kinder – ruht. Hinsichtlich der Mitgliederentwicklung und in finanzieller Hinsicht kommen wir aber bislang recht gut durch diese verrückte Zeit. Dabei hilft natürlich auch ein gutes und eingespieltes Team um Vorstand Manfred Herzner und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle.

Und welche Auswirkung hatte Corona auf die Mitgliederzahl?

Wie schon gesagt, die Solidarität unserer Mitglieder, aber auch unserer Übungsleiter, ist bis auf ganz wenige Ausnahmen sensationell. Auch unsere Sponsoren, mit denen hauptsächlich unser Vorstand Manfred Herzner in Kontakt steht, sind uns bislang treu geblieben. Dafür sind wir als Verein sehr dankbar. Wir hatten zum Jahresende 2020 nur einen ganz geringen Mitgliederrückgang. Ich hoffe, dass sich dies auch in diesem Jahr nicht groß ändert. Dafür müsste es aber bald wieder mit dem Sportbetrieb losgehen.

Die Sportmöglichkeiten sind weiter eingeschränkt. Frau Schilling und Frau Merz, was bedeutet dies für Kinder und Jugendliche aus Ihrer Sicht?

Lucia Merz: Die Kinder sind diejenigen, die derzeit am meisten leiden. Bewegung – und auch soziale Kontakte – fehlen einfach. Deshalb ist es umso mehr von Bedeutung, dass die Eltern für ihre Kinder einen sportlichen Ausgleich schaffen.Sarah Schilling: Für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist der Sport enorm wichtig. Natürlich vor allem, um die motorischen Fähigkeiten auszubilden, fit zu bleiben und ein gutes Körpergefühl zu entwickeln. Aber gerade der gemeinsame Sport im Verein bietet den Kids viel mehr. Die soziale Komponente, das gemeinsame Erleben, sich gegenseitig motivieren und messen können, zur Gruppe dazuzugehören und sich dadurch weiterentwickeln zu können, das fehlt für die Kinder ganz besonders.

Herr Kieninger, nicht nur viele Sportwissenschaftler beklagen, dass es zu wenige Lockdown-Ausnahmen für den Breitensport gab – und gibt. Was ist Ihre Meinung dazu, was ist denn derzeit möglich?

Das ist eine ganz schwierige Frage. Wir müssen eben weiter den Spagat zwischen den notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen und den berechtigten Interessen des Breitensports meistern. Insbesondere für die Kinder wäre es schön gewesen, wenn man hier etwas mehr zugelassen hätte, da diese die regelmäßige Bewegung auch für eine gesunde motorische Entwicklung dringend benötigen. Dies hätte man bei der Abwägung der Maßnahmen sicher mehr gewichten können.

Die jüngste "Bundesnotbremse" wurde von Vereinsvertretern auch als eine "Bankrotterklärung für den Breitensport" bezeichnet. Was hätte aus Ihrer Sicht anders laufen müssen?

Von solchen "martialischen" Aussagen halte ich recht wenig, da sie nicht zielführend sind und an der Situation auch nichts ändern. Die Polarisierung der Positionen von absoluten Gegnern und Befürwortern der Maßnahmen verhindern – nach meiner Meinung – eine sachliche und wissenschaftliche fundierte Diskussion darüber, was aktuell machbar wäre und was nicht. Da sind zu viele Hobby-Epidemiologen – und neuerdings auch selbst ernannte Aerosolexperten – unterwegs. Die aktuelle Schließung der Skaterplätze in Villingen zeigt dies ganz gut. Statt sich Gedanken über eine corona-konforme Betreibung zu machen, folgt die aktuelle Schließung auf die davor unkontrollierte Nutzung. Mit den benachbarten Jugendförderwerk zusammen hätte man hier sicher schnell eine sinnvolle Lösung finden können, die dem Infektionsschutz genügt und dennoch den Kindern die Nutzung erlaubt. Jetzt gibt es nur polemische Facebook-Diskussionen – und keine sinnvolle Lösung für die Kinder.

Frau Schilling und Frau Merz, besonders für Kids und Jugendliche kann mangelnde Bewegung also gravierende Auswirkungen haben. Haben Sie einen Tipp für Eltern, wie sie ihre Kinder zum Sport vor der Haustüre motivieren können?

Lucia Merz: In erster Linie sollten auch die Eltern bereit sein, sich zu bewegen. Sarah Schilling: Eben Vorbild sein! Man kann die Familienzeit aktiv gestalten. So wäre es eine Idee, die Kinder zu einem geregelten Zeitpunkt nach draußen zu schicken. Zum Beispiel nach dem Mittagessen, nach Abschluss des Homeschooling-Tages oder nach den Hausaufgaben.

Und was wären perfekte Einsteigerübungen?

Lucia Merz: Jede Art der Bewegung, die man spielerisch aufbauen kann. Wie beispielsweise Fangspiele, Tierbewegung-Nachahmungen oder eine kleine Challenge, wer zum Beispiel länger auf einem Bein stehen kann. Sarah Schilling: Gerade die regelmäßige Bewegung ist ein wichtiger Teil der körperlichen und psychischen Gesundheit. Spaß an der Bewegung zu entwickeln – oder wiederzufinden – ist der Schlüssel, um wieder langfristig aktiv zu sein. Jeder sollte auf eine Art aktiv sein, die ihm persönlich gut tut und Freude bereitet. Familien könnten auch mal über eine "Familiensportstunde" nachdenken – als festen Bestandteil im Wochenverlauf.

Herr Kieninger, der TV Villingen hat sich einige neue Dinge einfallen lassen.

Ja, das mussten wir auch. Das soziale Miteinander hat schon sehr arg gelitten, wobei die meisten Übungsleiterinnen und Übungsleiter versuchen, den Kontakt zu ihren Trainingsgruppen aufrechtzuerhalten. Zusätzlich haben wir versucht, über unsere neu gestaltete Homepage und über unseren Newsletter zumindest regelmäßig über die aktuelle Lage zu informieren. Zwischenzeitlich gibt es auch ein digitales Angebot, das von den Mitgliedern sehr gut angenommen wird, eine telefonische "Bewegungssprechstunde" und einen "TV-Youtube-Kanal". Dort findet man auch zahlreiche Ideen für Sportspiele. Zusätzliche Aktionen wie die Kinderfasnetsrallye oder – ganz aktuell – der virtuelle Heimatlauf sind weitere punktuelle Maßnahmen, mit denen wir versuchen, den Kontakt zu den Mitgliedern nicht komplett zu verlieren. Aber all diese Dinge können natürlich den gemeinsamen Sport in den Hallen und auf den Anlagen nicht ersetzen!

Also war die Aktion "Halte dich fit mit dem TV Villingen" eine Art Initialzündung für den neuen digitalen Auftritt des Vereins?

Ja, das kann man so sagen. Die dort gesammelten Erfahrungen haben uns natürlich sehr geholfen.

Frau Schilling und Frau Merz, nehmen auch Sie etwas Positives aus dieser Krise mit?

Lucia Merz: Auf jeden Fall. Wir haben uns der Herausforderung gestellt, digital sportlich zu sein – also von Wohnzimmer zu Wohnzimmer den Sportgeist zu transferieren. Ich persönlich konnte auch andere Sportarten ausprobieren. Sarah Schilling: Einen ausgemisteten Kleiderschrank, neu entdeckte Talente als Heimwerkerin, Köchin oder Bäckerin, mehr Zeit für kreative Entfaltung oder für Dinge, die schon lange erledigt werden sollten. Wir genießen auch sehr die gemeinsame Zeit mit der Familie. Auch die Möglichkeit, das schöne Wetter für persönliche sportliche Aktivität zu nutzen zu können, war für uns positiv.

Und was hat Sie in den vergangenen zwölf Monaten am meisten enttäuscht?

Lucia Merz: Natürlich gibt es Tage, an denen die Motivation gedämpft ist und man sich etwas anderes wünscht. Man kann viele Dinge negativ sehen, aber meine Devise ist einfach, aus jeder Situation das Beste zu machen.Sarah Schilling: Dass es Menschen gibt, die nicht verstehen, dass wir als Verein nur das tun können, was erlaubt – und auch im Sinne der Gesundheit unserer Mitglieder ist. Manchmal haben wir den Eindruck, dass es Menschen gibt, die noch nicht verstanden haben, wie gerne wir wieder richtig loslegen würden und dass der Turnverein die sportlichen Möglichkeiten zu jeder Zeit dem aktuellen Corona-Geschehen und den gültigen Regelungen anpasst. Da steckt auch viel Arbeit dahinter, die nicht gesehen wird.

Herr Kieninger, und was können Sie absolut nicht nachvollziehen?

Da fallen mir ganz konkret zwei Dinge ein. Ganz aktuell ist es für mich absolut befremdlich, dass die Stadt Villingen-Schwenningen in dieser schwierigen Zeit für Vereine eine massive Erhöhung der Hallengebühren im Rahmen der Neuordnung der städtischen Sportfördermittel ins Spiel gebracht hat. Glücklicherweise scheint dies im Sportbeirat bislang auf wenig Verständnis bei den dort vertretenen Gemeinderatsmitgliedern gestoßen zu sein. Auf Länder- und Bundesebene hat es mich überrascht, dass die ehrenamtlichen Übungsleiter bei der Impfpriorisierung komplett vergessen wurden. Das man hier nicht einmal über den möglichen Schutz der unzähligen ehrenamtlichen Übungsleiter nachgedacht hat, ist für mich nicht nachvollziehbar. Der TV Villingen – beispielsweise – ist bei vollem Sportbetrieb doppelt so groß wie jede Schule in VS. An diesen beiden Beispielen kann man ganz gut erkennen, welchen Stellenwert das Ehrenamt bei einigen politischen Entscheidungsträgern – trotz regelmäßiger gegenteiliger Lippenbekenntnisse – tatsächlich hat. Das ist für unsere Gesellschaft schon sehr bedenklich.

Wagen Sie doch noch einmal einen Ausblick. Wie sieht die Sportwelt des TV Villingen in vier Wochen, im Herbst und am 18. Mai 2022 aus?

Ich bin Optimist – in vier Wochen werden wir wieder mit unseren Freiluftsportarten Leichtathletik, Fußballschule, Walking und Beachvolleyball nahezu "normal" trainieren können. Im kommenden Herbst werden wir nach den Schulferien wieder unser komplettes Sportprogramm auch in den Sporthallen durchführen können, da die Impfungen die Corona-Pandemie soweit eingedämmt haben wird, dass dies mit bestimmten Hygieneauflagen möglich sein wird. Am 18. Mai 2022 sitzen wir dann zusammen in einem gemütlichen Biergarten in VS und sprechen bei einem Feierabendbier rückblickend über die verrückten 1,5 Corona-Jahre, die dann glücklicherweise Geschichte sind.n  Die Fragen stellte Gunter Wiedemann