Die Familie Schöpflin hat eine Studie zur Geschichte des Unternehmens in der NS-Zeit in Auftrag gegeben. Nun liegt die Studie vor. Wie hielten es die Vorfahren mit den Nazis?
Warum habe ich nicht viel früher nachgefragt und nachgeforscht? – Wie viele Deutsche stellt sich auch Hans Schöpflin, Stifter und Beiratsvorsitzender der gleichnamigen Stiftung, heute diese Frage mit Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus.
Doch gerade angesichts des aktuellen Erstarkens antidemokratischer Kräfte ist Schöpflin froh, dass die wissenschaftliche Erforschung der Firmenhistorie vor zweieinhalb Jahren in Auftrag gegeben wurde.
Er – wie die gesamte, weit verstreut lebende Familie – stehe voll hinter dem Projekt, auch wenn es durchaus schmerzhafte Erkenntnisse hervorbrachte, erklärt Hans Schöpflin bei der Vorstellung der Studie vor der Presse.
Gegen autoritäres Denken und für Weltoffenheit
„Die Ergebnisse der Untersuchung bestärken mich darin, dass wir uns als Stiftung Nationalismus und autoritärem Denken entgegenstellen müssen. Wir stehen für Weltoffenheit und Demokratie.“ Lisl Schöpflin, Urenkelin der Firmengründer und stellvertretende Beiratsvorsitzende der Schöpflin Stiftung, unterstreicht dies.
Seinen Großvater Wilhelm Schöpflin, der aus einem kleinen Laden ein Imperium schuf, bewunderte der Enkel als großen Pionier. Um so irritierender, als Hans Schöpflin durch die Recherchen von der frühen NSDAP-Mitgliedschaft seiner Großeltern, ja der gesamten Familie erfuhr.
„Ich verehrte meine Großeltern“
„Ich verehrte ja meine Großeltern. Mein Großvater war ein Genie, der einen Markennamen schuf, der Werbe-Sprüche erfand, die bis heute vielen im Gedächtnis geblieben sind.“ Seinen Großvater kannte er indes nur bereits schwer erkrankt, Gespräche über die Vergangenheit wurden nicht geführt. Auch sein Vater blieb diesbezüglich stumm, erzählte nie vom Krieg. Mit seiner Großmutter Wilhelmine habe er als Kind sehr persönliche Gespräche geführt. Darin sei es aber stets nur um das Unternehmen gegangen – und nicht um die NS-Zeit.
Um all das ans Licht zu bringen, braucht es Wissenschaftler. So gaben die Familie sowie der Beirat der Schöpflin Stiftung 2023 die Studie bei der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) in Frankfurt in Auftrag. Die Quellenlage war dürftig. Es gab kein Archiv des Unternehmens, auch in kommunalen oder bundesweiten Archiven war nichts zu finden. Umfassende Entnazifizierungsakten liegen in Paris.
Der Historikerin Andrea Schneider-Braunberger ging es bei ihren Forschungen um die Fragen, ob das Unternehmen vom NS-Regime profitierte, wie die Familie zum Regime stand und welche Folgen dies nach dem Krieg für das Unternehmen hatte.
Kein Kriegsgewinnler und kein Nutznießertum
Anhand der Wirtschaftsdaten der Textilmanufaktur in Haagen lässt sich ablesen, das Schöpflin zwar wie alle Unternehmen Mitte/Ende der 1930er-Jahre von der steigenden Konjunktur profitierte, dass mit Kriegsbeginn der Umsatz aber zusehends zurückging. Auch wurden in der Fabrik keine kriegsrelevanten Produkte hergestellt. Ein Kriegsgewinnler ist Schöpflin also nicht. Zudem wurden keine Zwangsarbeiter beschäftigt.
Die Textilmanufaktur Wilhelm Schöpflin übernahm auch kein Unternehmen aus jüdischem Eigentum, fand die Historikerin heraus. Sie kaufte indes textilen Warenbestand aus Besitz des Juden Max Wolf, was später zu einem Vergleich führte. Die Familie Schöpflin erwarb zudem von der benachbarten jüdischen Familie Fleischmann unter anderem ein Wohnzimmer, auch hier kam es nach dem Krieg zur Einigung durch Vergleichszahlungen.
Geburtstagstorte mit Hakenkreuzen
Die Familie stand dem Regime ideologisch offenbar sehr nahe. Der geeinte Beitritt zur NSDAP lässt sich laut Forschungsergebnis nicht mit wirtschaftlichem Druck oder Zwang erklären. Einige Überlieferungen zeigten eindeutige Formen der Anpassung, darunter ein Foto des in Uniform voraus marschierenden Wilhelm Schöpflin mit Hitlergruß, oder von der Geburtstagstorte von Rudolf Schöpflin aus dem Jahr 1935 – mit Hakenkreuzen. Fotos, die die Nachfahren nie gesehen haben.
Die öffentliche Wahrnehmung der Schöpflins als südbadische Nazi-Familie sei also ein stimmiges Urteil, die Schöpflins waren Teil der lokalen Elite im Nationalsozialismus, weswegen im Zuge der Entnazifizierung auch Inhaftierungen, Berufsverbot und Beschlagnahmung folgten, so das Forschungsergebnis. Später wurden die Urteile auf Mitläufertum beziehungsweise bei Hans Schöpflin auf „entlastet“ revidiert.
Aus ihrer unternehmerischen Leistung hingegen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg kein wirtschaftliches Nutznießertum für die Familie abgeleitet.
Auf einen Blick
Die Schöpflin Stiftung
ist eine 2001 gegründete unabhängige und gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie fördert deutschlandweit Projekte zur Stärkung von Demokratie, Journalismus und Zivilgesellschaft. Sie betreibt in Lörrach den Werkraum Schöpflin.
Die Studie
der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) in Frankfurt, erarbeitet von der Historikerin Dr. Andrea Schneider-Braunberger, steht auf der Website der Stiftung auf Deutsch und Englisch zur Verfügung.