Bohrer aus dem Hause Gühring sind in der ganzen Welt gefragt. Foto: Kistner

In einem Fernsehbeitrag des ZDF-Politmagazins Frontal 21 werden Firmen in Belgien und Deutschland verdächtigt, auf Umwegen die russische Rüstungsindustrie beliefert zu haben. Eine davon heißt Gühring.

Albstadt-Ebingen - Die Informationen, auf die das ZDF sich stützt, stammen aus einem geleakten E-Mail-Wechsel aus dem November und Dezember 2021 zwischen dem Rüstungskonzern Kalaschnikow und dem russischen Maschinenbauer LMZ, der wie Kalaschnikow zu einer Holding mit Namen "Perspektiva" gehört.

Anders als Kalaschnikow, so wird in Frontal21 und auf der Internetseite ZDFheute berichtet, stehe LMZ nicht namentlich auf Sanktionslisten der EU; diesen Umstand habe sich Kalaschnikow – wo man längst nicht nur Sturmgewehre herstellt, sondern zum Beispiel auch Drohnen – zunutze machen wollen, um an für die eigene Fertigung benötigte West-Werkzeuge heranzukommen.

Rüstungsbetrieb Kalaschnikow: Der Wunschzettel ist lang

Wie aus einer Einkaufsliste von Kalaschnikow, die das ZDF auszugsweise ins Netz gestellt hat, hervorgeht, sind darunter auch Bohrer von Gühring. Der Wunschzettel ist nicht gerade kurz; die für 2022 angestrebten Käufe haben laut Angaben des ZDF ein Volumen von rund einer Million Euro.

Der Kalaschnikow-Konzern, so soll aus den geleakten Mails hervorgehen, habe aber bereits 2020 und 2021 Bestellungen für Gühring-Werkzeuge in sechsstelliger Euro-Höhe aufgegeben – das ZDF schließt nicht aus, dass diese Werkzeuge Verwendung in der Produktion des russischen Waffenherstellers fanden.

Täuschte ein Strohmann die Firma Gühring aus Albstadt? 

Das bedeutet aber keineswegs, dass Gühring Kalaschnikow direkt beliefert hat – aus den geleakten Mails geht ja eindeutig hervor, dass Kalaschnikow mehr oder weniger unverdächtige Strohmänner vorschickt und der weltbekannte Name, Synonym für einfache, aber umso wirkungsvollere russische Waffentechnik, nirgendwo auf der Bestellung auftaucht.

Als einen dieser Mittelsmänner, der noch einmal eine Linie weiter vor LMZ agiert, nennt das ZDF den russischen Großhändler PKF-Technology, der in dem Notenwechsel ebenfalls Erwähnung findet.

Verwendung: zivil oder militärisch

PKF-Technology bietet tatsächlich auf seiner Homepage Gühring-Bohrwerkzeuge an. Alle diese Werkkzeuge sind sogenannte "Dual-Use-Güter"; das heißt, sie können sowohl für die Fertigung ziviler als auch militärischer Produkte verwendet werden. Grundsätzlich müssen für diese Güter keine Ausfuhrgenehmigungen eingeholt werden, wenn die Empfänger nicht ausdrücklich sanktioniert werden. Es gibt aber verwendungsbezogene Beschränkungen, die unter anderem die Entwicklung, Herstellung oder Wartung von Rüstungsgütern in Waffenembargoländern betreffen. Ein solches Land ist Russland seit 2014.

Gühring bestreitet jeden Verstoß gegen Sanktionen

Aber wäre es nicht möglich, dass Gühring Russland-Geschäfte in der Annahme machte, dass die verkauften Werkzeuge für gänzlich harmlose Zwecke genutzt würden? In der Tat insistiert Albstadts zweitgrößtes Industrieunternehmen sowohl gegenüber dem ZDF als auch gegenüber dem Schwarzwälder Boten darauf, dass es niemals gegen geltende Sanktionen verstoßen habe, sondern sich sowohl an die der EU als auch an die der USA halte.

Man beliefere keine sanktionierten Unternehmen und nehme auch nicht an ihren Ausschreibungen teil; Vertriebspartner würden angewiesen, geltende Sanktionen und Embargos ihrerseits umzusetzen, und unmissverständlich darauf hingewiesen, dass nachgewiesene Verstöße das Ende der Geschäftsbeziehung zur Folge hätten, so Gühring.

Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, betont Gühring, verurteile man aufs Schärfste; Geschäftsbeziehungen zu russischen Partnern habe man im Mai beendet. Die Stellungsnahme gegenüber dem Schwarzwälder Boten ist wortgleich mit der gegenüber dem ZDF; zu einem direkten Gespräch mit der Geschäftsleitung und der Beantwortung weiterer Fragen wollte sich Gühring nicht herbeilassen.

Sanktionsexperte fordert äußerste Sorgfalt

Dieser Stellungnahme des Unternehmens hält das ZDF sinngemäß entgegen: So naiv könne man doch nicht sein – wer sich die Homepage von PKF-Technology genauer anschaue, der stoße unter den aufgeführten Kunden alsbald auf Waffenhersteller, darunter eine Konzerntochter von Kalaschnikow.

Wer heutzutage in irgendeiner Weise rüstungsrelevante Waren ins Ausland verkaufe, der sei nun einmal verpflichtet, seine Kundschaft unter eine große Lupe zu nehmen – andernfalls, so Viktor Winkler, Jurist, Sanktionsexperte und Gewährsmann von Frontal21 und ZDFheute, laufe er Gefahr, "die Schwelle für die Staatsanwaltschaft, um ein Ermittlungsverfahren zu beginnen", zu überschreiten. Konkret: Es könne genügen, nicht sorgfältig genug zu prüfen – und eben das sei augenscheinlich im Falle Gühring geschehen.

Staatsanwaltschaft Hechingen beginnt mit Vorprüfungen im Fall Gühring 

Allerdings ist nicht gesagt, dass die Staatsanwaltschaft das ebenso sieht. Der Schwarzwälder Bote hat die Staatsanwaltschaft Hechingen um eine Stellungnahme gebeten. Die Antwort: Man werde Vorprüfungen aufnehmen, "ob überhaupt ein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten gegeben ist".