Finn Wernet Foto: Dorn

Finn Wernet aus Kirnbach hat vor einem Jahr sein Abitur in Hausach gemacht. Danach ist er für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Ruanada gereist. Dort hat er in einem Krankenhaus und in einer Schule gearbeitet. In einem Interview erzählt er von dieser Zeit.

Zehn Monate war der Kirnbacher Finn Wernet als Freiwilliger in einem Dorf in Ruanda. Im Interview mit dem Schwarzwälder Boten blickt er auf diese Zeit zurück.

 

Wie kamst du auf die Idee, ein Freiwilliges Soziales Jahr in Ruanda zu machen?

Eigentlich wollte ich ja wie viele aus meinem Jahrgang nach dem Abitur am Wirtschaftsgymnasium Hausach ein Jahr um die Welt reisen, mein Religionslehrer Hans-Michael Uhl hat mich überzeugt, stattdessen dass ein Jahr am selben Ort für die Persönlichkeitsentwicklung mehr bringt. Ruanda als Land südlich der Sahara und die Möglichkeit, im weitesten Sinne im medizinischen Bereich tätig zu sein haben dann den Ausschlag für das Dorf Shyogwe im Muhanga-Distrikt gegeben.

Wer dir auf Instagram folgt, musste sich nach deinen ersten Beiträgen ernsthaft Sorgen um dich machen. Wie waren die ersten Wochen?

In der Kommunikation zwischen Entsende-Organisation und den Betreuern vor Ort war einiges schiefgelaufen, der für mich und meine beiden Mitfreiwilligen vorgesehene Mentor hatte Ruanda in der Zwischenzeit verlassen. Wir wurden am Flughafen der Hauptstadt Kigali abgeholt und in den Muhanga-Distrikt gebracht, da war dann aber niemand, der uns in Empfang genommen hat. Wir hatten eine Unterkunft und uns wurde gesagt, dass freitags ein Markt wäre, auf dem wir einkaufen könnten. Und da wir zwei Wochen vor Schulbeginn in dem Dorf ankamen, gab es noch kein fließend Wasser, die ersten Tage waren wir tatsächlich beschäftigt mit Wasserholen und uns irgendwie zu verpflegen.

Du stammst aus einer Gastwirtsfamilie (vom Kirnbacher Hof in Kirnbach), wie war es um deine Kochkünste bestellt?

Durch das Wasserholen und dann auch durch das Wäschewaschen von Hand, was jeden Tag eine Stunde in Anspruch genommen hat, hatte ich zu Beginn nur wenig Zeit zum Kochen. Da Ruanda nah am Äquator liegt, ist es abends um 18 Uhr auch schon dunkel und so musste es beim Essen oft schnell gehen und es gab Spaghetti oder Bratkartoffeln. Als weißer Freiwilliger wurde ich aber oft von Einheimischen zum Essen eingeladen und konnte mir einiges abschauen und habe mich dann auch an einheimische Gerichte wie Ubugali (aus Maniokknollen-Mehl) oder Amandazi (frittierte Teigbällchen) getraut.

Du hast die Hautfarbe bereits angesprochen. Wie wurde dir als weißem Mann begegnet?

Dass wir wegen unserer Hautfarbe besonders behandelt werden würden, war über viele Seminartage im Vorfeld ein wichtiges Thema. Ich hatte mich gut vorbereitet gefühlt, war dann aber im Alltag oft peinlich berührt, welche Privilegien mir als „Umuzungu“, als weiße Person, im Alltag eingeräumt wurden. Kam ich zu spät an die Bushaltestelle, durfte ich trotzdem an der Schlange vorbei als erster einsteigen, im Supermarkt wurde ich bevorzugt bedient und vieles mehr. „Umuzungu“ bedeutet auch, dass alle denken, man sei reich, was ich selbst mit meinem Taschengeld für ruandische Verhältnisse tatsächlich auch war. Und wenn es nicht der Reichtum war, bedeutet „Umuzungu“ eben auch, dass mein Gesprächspartner wusste, dass ich jederzeit in Kigali in ein Flugzeug steigen kann und das Land, in dem es keine Pressefreiheit und kein Recht auf freie Meinungsäußerung gibt, verlassen kann.

Wie konntest du dich in Ruanda verständigen?

Mit Englisch wäre ich im Alltag wohl gut durchgekommen, für den langen Zeitraum wollte ich aber zumindest die einfachen Dinge auf Kinyarwanda, der in Ruanda gesprochenen Bantu-Sprache, regeln. Ich habe bei Freunden meiner Mentorin Unterricht genommen und konnte danach auf Kinyarwanda nach dem Weg fragen oder einkaufen, leider sind die meisten Einheimischen nach wenigen Sätzen ins Englische gewechselt.

Am 7. April wurde in Ruanda landesweit an den Beginn des Genozids der Hutu an den Tutsi vor 30 Jahren erinnert. Wie hast du diesen Tag erlebt?

Die „Commemoration“ wurde auf verschiedenen Leveln begangen, ich habe den Ehemann meiner Mentorin zur Gedenkveranstaltung auf Distrikt-Ebene begleitet. Dort haben viele Menschen als Zeitzeugen auf Kinyarwanda über diese Zeit berichtet und ich habe gespürt, wie sensibel mit diesen Erinnerungen umgegangen wurde. Der Mann meiner Mentorin hätte mir sicher einige Worte ins Englische übersetzen können, aus Taktgefühl habe ich nicht darum gebeten. Meine Mentorin selbst wollte nicht zu der Gedenkveranstaltung gehen, ihre Familie wurde damals fast komplett ausgelöscht und sie wollte den Tätern und deren Familien nicht begegnen.

Nach einem halben Jahr hast du den Freiwilligendienst im „Health Center“ beendet und bist noch an ein Krankenhaus und eine Schule gegangen, warum?

Beim Zwischenseminar in Uganda mit anderen deutschen Freiwilligen aus Ruanda und Uganda habe ich für mich gedacht, ich muss einfach „mehr“ machen. Und so durfte ich für einen Monat in einem Krankenhaus mitarbeiten. Für den Weg dahin musste ich mich einem Motorradtaxi anvertrauen, was aber sehr gut geklappt hat. Vier Monate lang war ich dann einer beruflichen Schule. Ausnahmsweise durfte ich dort in Chemie, Physik und Biologie Unterricht machen. Das wurde aber mit der Schulbehörde abgeklärt, nicht dass jetzt der Eindruck entsteht, in Afrika dürften deutsche Abiturienten einfach so alleinverantwortlich Unterricht geben.

In der zweiten Hälfte Deines Freiwilligendienstes hast du neben der Arbeit in einem Krankenhaus und an einer beruflichen Schule auch noch die Zeit, mit zwei Einheimischen eine neue Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) zu gründen. Wie kam es dazu?

Die beiden Ruander hatte ich bei einer Spendengala kennengelernt und eigentlich wollte ich nur ein wenig Geld spenden. Die beiden entgegneten, dass Geld nicht das Problem sei, die bestehende NGO dürfe aber keine weiteren Kinder aufnehmen. Da sei es einfacher, eine neue NGO zu gründen, was wir dann auch gemacht haben. Ich bin jetzt einer der drei Gründer der NGO „Hope for future organization“ in Shyogwe, Muhanga District, Rwanda. Mit ein wenig Startkapital von mir, den beiden Freunden und meinen Eltern konnten wir 30 Kinder mit Schuluniformen, Schuhen und Krankenversicherungsschutz für ihre Familien ausstatten. Im Frühjahr 2025 wird unsere NGO von den ruandischen Behörden zertifiziert. Wer sich über unsere NGO informieren will, kann dies bereits jetzt schon über den Instagram-Auftritt hope_for_future_organization tun, ich möchte aber in den nächsten Tagen noch eine eigene Webseite erstellen, über die dann klassisch per Banküberweisung oder über einen Link zur Plattform gofundme.com gespendet werden kann.

Weitere Pläne

Mitte August will Finn Wernet nach Washington D.C. reisen und dort an der Georgetown University sein Medizinstudium beginnen. Er hofft, dass es an der Georgetown auch ein Blasorchester gibt, dann kann er weiter Posaune spielen und bei Heimatbesuchen in der Kirnbacher Trachtenkapelle aushelfen.