Da ist das Werk: Die Verwaltung brachte in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats den Haushaltsplan für 2022 ein. Foto: Kunert

Das Haushaltsjahr 2022 könnte für Nagold – in jeder Hinsicht – ein ganz besonderes Jahr werden: keine neue Schulden, gnadenlose Einsparungen in der Verwaltung. Und trotzdem wird mit der Zellerschule ein echtes Mega-Projekt bei den Investitionen auf den Weg gebracht.

Nagold - Vorausgesetzt, der Gemeinderat nimmt das jetzt von Finanzbürgermeister Hagen Breitling in der jüngsten Sitzung des Gremiums in der Stadthalle vorgestellte Zahlenwerk so auch an. Aber die Zeichen dafür stehen gut, habe der Gemeinderat doch selbst viele der "Stellschrauben" optimal vorjustiert für diesen Ausnahme-Haushalt, wie Oberbürgermeister Jürgen Großmann bereits in seinen Einleitungsworten zur Haushaltsvorstellung seines Kämmerers lobte. Gemeint sind natürlich die zum Teil drastischen Gebührenerhöhungen, die mit Beginn des Haushaltsjahres 2022 in Kraft treten werden: bei den Kita- und Park-Gebühren etwa, aber auch die Grundsteuer B wird bekanntlich teurer.

Kein leichtes Haushaltsjahr

Dabei wird 2022 für Nagold alles andere als ein leichtes Haushaltsjahr: Die ordentlichen Erträge im Ergebnishaushalt von knapp 62 Millionen Euro stehen ordentliche Aufwendungen von knapp 67,3 Millionen Euro gegenüber – macht unter dem Strich ein Minus von deutlich über 5,3 Millionen Euro. Damit wäre – Stand heute – das Haushaltsjahr 2022 das zweite Jahr in Folge, in das Nagold mit einem mutmaßlichen Fehlbetrag starten würde. Denn auch fürs laufende Jahr steht ja ein Fehlbetrag von sogar fast 5,9 Millionen Euro in den Planungen – wofür es seinerzeit einen "blauen Brief" vom Regierungspräsidium im Zuge der Genehmigung des Haushalts 2021 gab. Was wiederum Auslöser für die folgenden Sparrunden und Gebührenerhöhungen war, wie Kämmerer Breitling in seiner Rede zur Vorstellung der Zahlen für 2022 noch einmal darlegte.

Gewerbesteuer-Einnahmen sprudeln kräftig

Eine solche Rüge werde es diesmal nicht geben, ist sich Breitling sicher; auch gehe er "fest" von der Genehmigungsfähigkeit des Haushalts aus. Denn das erwähnte rechnerische Minus auch in diesem Jahr stehe "in einem deutlich positiveren Kontext". Beispielsweise müssten für die geplante ordentliche Tilgung von Altschulden in Höhe von rund einer Millionen Euro im kommenden Jahr keinerlei neue Schulden aufgenommen werden. Was einerseits wohl der zuletzt sehr hohen Liquiditätsreserve der Stadt geschuldet ist, andererseits sei die konjunkturelle Gesamtsituation für Nagold besser als erwartet – nämlich "stabil bis leicht wachsend". Heißt: Die Gewerbesteuer-Einnahmen sprudeln kräftig, werden wie im laufenden Jahr – wo diese Zahlen zuletzt deutlich übertroffen wurden – wieder mit rund 12,8 Millionen Euro veranschlagt. Weiterer positiver Faktor – wenn es denn so kommt: Die mit 30,6 Prozent "kaum veränderte" Kreisumlage – die der Kreistag allerdings so auch tatsächlich noch verabschieden muss.

Weniger Personalkosten

Wirklich bemerkenswert: Nachdem die Personalaufwendungen vor dem Hintergrund des Ausbaus der Kinderbetreuungsangebote in der Stadt in den letzten Jahren zum Teil immer wieder sprunghaft angestiegen waren, gehen die Nagolder Finanzexperten fürs kommende Jahr sogar von einem leichten Rückgang des Finanzbedarfs aus – von 21,1 Millionen Euro in 2021 auf dann exakt 21 Millionen Euro. Wie das geht: "konsequente Konsolidierungsmaßnahmen", so Breitling. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass bei allen Vorausplanungen man am Ende des Jahres im Personalplan stets rund eine Millionen Euro über hatte – mutmaßlich aufgrund von nicht oder nur schwer zu besetzenden Stellen. Weshalb das wohl aus Sicht der Finanzplanung mittlerweile eine Regel zu sein scheint. Was liege da näher, als diese Millionen mal von vornherein aus der Planung herauszunehmen. Dieser Einsparungsschritt, so Breitling, scheine "absolut erprobenswert und auch konsequent".

Breitlings ganzer Stolz: "Nagolds Verwaltung bewältigt ihre Aufgaben auf hohem Niveau mit verhältnismäßig niedrigem Personalschlüssel. Das ist ein ausdrückliches Lob an die Qualität und Einstellung der Verwaltungsmannschaft der Stadt Nagold." Und das vor dem Hintergrund, dass man das Haushaltsjahr 2021 wohl mit einem Finanzierungsmittelbestand von knapp 12,8 Millionen Euro und einer Liquiditätsreserve von über 3,7 Millionen abschließen wird – also insgesamt 16,5 Millionen Euro freier Finanzmittel mit in das Jahr 2022 nehmen kann. Bis zum Ende des Jahres 2022 – so der Plan – sinkt der Finanzierungsmittelbestand dann auf knapp 7,1 Millionen Euro, die Liquiditätsreserve aber steigt auf knapp 7,1 Millionen Euro. Macht zusammen: 14,2 Millionen freier Finanzmittel bis Ende 2022. Und das bei einer geplanten Neuschulden-Aufnahme von null Euro. Für 2021 stehen da noch rund 9,1 Millionen neuer Schulden in der Planung – die aber größtenteils noch nicht abgerufen sind.

Nagolder Investitionsstau

Weshalb man sie jetzt mit ins Jahr 2022 nehmen kann – um nach Jahren der Vorbereitung endlich das "erste große Schulsanierungsprojekt" anzugehen: Die Zellerschule. Was allerdings meint: Die Planungen gehen in die Zielgeraden, die Finanzmittel – eben in Form von Kreditermächtigungen aus den Vorjahren – werden geschnürt und bereitgestellt. Mit dem Baubeginn rechnet man, so Breitling, dann aber erst im Frühjahr 2023. Und wie teuer es am Ende wird – die Zahl sucht man in Breitlings Rede vergebens. Nur soviel steht wohl fest: Im mittelfristigen Investitionsprogramm der Stadt sind für 2021 bis 2025 rund 53,6 Millionen Euro eingeplant – womit man diesen Bereich allerdings gegenüber früheren Planungen um 11,8 Millionen Euro "ausgedünnt" habe. Womit sich anderseits jedoch die aufgeschobenen Investitions-Projekt in der Spalte "Später" der Haushaltplanung auf nun 91,7 Millionen Euro hoch addieren. Man könnte das auch als den Nagolder Investitionsstau bezeichnen.

4,5 Millionen Euro an Investitionen

Bei den "tatsächlichen Baumaßnahmen" - also die Investitionen, die 2022 tatsächlich auch angegangen und nicht nur vorbereitet werden – fließen 1,5 Millionen Euro in Breitbandausbau, was damit die größte Investition im kommenden Jahr darstellt. Die Erschließung "Obere Röte" in Vollmaringen folgt mit 800 000 Euro, der Neubau der Kita Oberer Steinberg mit 650 000 Euro und der Serverraum im Stadtarchiv mit 300 000 Euro. Insgesamt werden im kommenden Jahr so "nur" 4,5 Millionen Euro an Investitionen freigegeben. Zum Vergleich: Im laufenden Jahr sind es laut Plan 13 Millionen Euro. Allerdings kündigten Breitling wie zuvor auch OB Großmann an, dass sich für die Zukunft der Bedarf für mindestens zwei weitere Kita-Neubauten ankündige – mit natürlich auch dafür weiteren Finanzbedarf.

Die Schuldenentwicklung

Bleibt der Blick auf die Schuldenentwicklung: Nach dem sprunghaften Anstieg im Kernhaushalt fürs laufende Jahr von 12,4 Millionen Euro (Ende 2020) auf dann 19,4 Millionen Euro zum Ende dieses Jahres, wird bis Ende 2022 der Schuldenstand um eine Millionen Euro auf 18,4 Millionen Euro zurückgehen. Was aber nur eine kurze Verschnaufpause beim Schuldenmachen sein wird: Bis 2024 wird nach aktuellem Planungsstand die Verschuldung im Kernhaushalt auf dann 27 Millionen Euro hochspringen. Wobei aber sowohl Breitling als auch der OB als nach wie vor "sehr sparsame Schwaben" dafür warben, die aktuelle Niedrigstzinsphase dann wirklich auch dafür zu nutzen, wichtige Investitionen notfalls auch fremdzufinanzieren. Zinssätze von 0,11 beziehungsweise 0,57 Prozent auf 30 Jahre fest, machten die Risiken überschaubar – auch für folgende Generationen.

Kommentar: Unnötige Härte

Von Axel H. Kunert

So ganz verstehen muss man das wohl nicht: Einerseits werben Kämmerer und OB darum, in den kommenden Jahren ordentlich Schulden machen zu dürfen – weil die Zinsen so niedrig, der Investitionsstau so groß ist. Aber fürs kommende Jahr verordnen sie sich selber eine Schuldenpause. Dabei sind die Zinsen jetzt niedrig – und die Inflation steigt. Dramatisch. Was nach der Logik der EZB, die die Höhe der Zinsen bestimmt, nur durch ein Anziehen der Zinsen und einer Reduzierung der Geldmenge gebremst werden könnte. Daher wird sich zeigen müssen, ob die Rechnung der Verwaltung mittel- und langfristig wirklich aufgeht. Und auch das ließ aufhorchen: Der OB dankte seinem Kämmerer für seinen Einsatz im laufenden "harten Jahr" beim Kosteneinsparen, weil dieser "nach mancher Sitzung mit den Nerven am Ende" gewesen sei. Man mag sich die harten Verhandlungen beim eingeschlagenen "Konsolidierungs-Kurs" in der Verwaltung vorstellen. Auch wenn es immer löblich ist, wenn die Verwaltung spart – und mit guten Beispiel vorangeht: Was macht das mit der Motivation im Team? Und war das wirklich nötig – wenn Geld im Haushalt eigentlich vorhanden ist – bei freien Finanzmitteln im zweistelligen Bereich?