Konfiskatkammer: ein wichtiger Bestandteil des Schlachthauses in Bösingen. Foto: Pfannes

Die Zeit der Entscheidungen rückt näher. Dies betrifft Bösingen in diesem Herbst in einer besonderen Weise. Ein Bürgermeister will gewählt werden, und der Gemeinderat darf sich mit den Vorhaben des Jahres 2023 auseinandersetzen.

Bösingen - Während der Wahlsonntag (16. Oktober) noch etwas auf sich warten lässt, müssen die Gemeinderäte bis zur Sitzung am 13. Oktober die Weichen für den kommenden Haushalt stellen.

Die Voraussetzungen gleichen schier einer Sisyphosarbeit. Über allen schweben – dräuend – die rasant steigenden Kosten für Strom und Gas. Nach aktuellen Berechnungen von Kämmerer Matthias Jetter müssten für die Energiekosten im 2023er-Gemeindehaushalt etwa 850 000 Euro mehr als 2022 eingeplant werden. Dies war der Stand am Mittwoch. Mit steigenden Personalkosten von 290 000 Euro ergibt sich ein beachtliches Plus von mehr als 1,1 Millionen Euro.

Dies ist mal der Ansatzpunkt, als die Ratsrunde – eigentlich – über Steuern und Gebührenhaushalte reden will. Die Botschaft ist klar – und doch nicht einfach umzusetzen. Bürgermeister Johannes Blepp spricht die Belastungsgrenze für die Bürger an, die bei künftigen Diskussionen im Hinterkopf zu behalten sei.

5,25 statt 3,50 Euro? Nein!

Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht. Würde all das, was normalerweise bei der Berechnung der Schmutzwassergebühr gerechnet wird, gerechnet, müsste diese Gebühr ab Januar 5,25 Euro pro Kubikmeter betragen – statt aktuell 3,50 Euro. Dieser Aufschlag, der zu einem großen Teil der Energiekrise geschuldet ist, gilt als "mehr als nicht tragbar für die Bürger" (Jetter).

Hinzu kommt ja in der Gesamtgemeinde Bösingen noch der Kläranlagenzusammenschluss, die "Herausforderung der nächsten Jahre" (Blepp). In diesem Zusammenhang gilt es, den sogenannten Schwellenwert mit den Gebühren nicht zu unterschreiten. Denn daran hängt der maximal mögliche Zuschuss von oben ab. Weniger Zuschuss heißt, die Gemeinde muss mehr zahlen.

Um nun die Weichen für die künftige Zeit sinnvoll zu stellen, bringt Bernadette Stritt eine Haushaltsstrukturkommission ins Spiel. Diese soll bis zur Oktober-Sitzung des Gemeinderats Empfehlungen aussprechen, wie das vorhandene Geld einzusetzen ist, mit welcher Philosophie die Gemeinde die Herausforderungen anpacken will.

Je drei Räte pro Ort

Ein Vorgehen, welches der Bürgermeister bejaht – und der Gemeinderat einstimmig beschließt (vier Ratsmitglieder fehlen an diesem Abend: Rainer Hezel, Gotthard Mei, Simon Koschnike und Daniel Glaser). Dieser Kommission gehören sechs Gemeinderäte an, je drei pro Ortsteil. Nach einer Blitzumfrage unter den Anwesenden könnten es Bernadette Stritt, Josef Maier, Marius Rapp (alle Bösingen), Michael Bantle, Gudrun Müller und Andreas Flaig (alle Herrenzimmern) sein, die sich zeitnah treffen wollen.

Weiß Gott nicht einfache Fragen kommen dann auf den Tisch. Diese betreffen neben anderen das Schlachthaus, das Lehrschwimmbecken, die Grundsteuer B und die Abwassergebühr.

Wenn Gebühren und Steuern an der Reihe waren, stellt sich die Frage nach Einsparmöglichkeiten. Hier werden Straßenbeleuchtung und Weihnachtsbeleuchtung genannt.

Fragen, Theorie und Praxis

Die Frage, ob ein antizyklisches Verhalten bei den Investitionen an den Tag gelegt werden soll, wird auf den Tisch kommen. Also mit einem heroischen Trotzdem diesen Zeiten trotzen. Und gleichzeitig wird es wichtig sein, festzulegen, wo massiv gespart werden soll.

All diese Ansätze – noch in der Theorie – kommen zur Sprache. Wie es jedoch in der Praxis werden soll, könnte eine Herausforderung sein. Nur ein Beispiel: das Lehrschwimmbecken. Der Energiefaktor in der Gemeinde, wie Matthias Jetter sagt. Etwa 140 000 Euro koste das Becken die Gemeinde im Jahr.

Eine Idee ist, dieses Bad 2023 zu schließen, somit obiges Geld einzusparen und in dieser Zeit die Sanierung anzupacken. Im Haushalt sind 100 000 Euro vermerkt. Für die Fensterfront, ergänzt Josef Maier. Wenn, dann "sollten wir alles sanieren".

Ein heißes Eisen

Dass diese Idee ein heißes Eisen ist, lässt sich schnell erahnen. Mit Nadine Fischinger lässt sich eine Schließung nicht beschließen. Sie weist auf die derzeit 99 Kinder in der Schule hin und auf andere Gruppen, die dort aktiv sind.

Gudrun Müller wiederum könnte sich diese Einsparidee für ein Jahr vorstellen, versehen mit der Botschaft an die Bürger, dass in dieser Zeit saniert werde.

Während Michael Bantle darauf hinweist, dass mit dem Sparen ja irgendwo begonnen werden müsse, erinnert Andreas Flaig daran, dass das Lehrschwimmbecken zwar Luxus sei, jedoch die Kinder in Bösingen und Herrenzimmern bereits vor ihrer Schulzeit schwimmen könnten. Etwas, das in anderen Gemeinden keineswegs die Regel sei.

Babys schwimmen bald

Bürgermeister Johannes Blepp teilt später am Abend mit, dass das Babyschwimmen ab Montag stattfinden werde. Es war ja in der ersten Jahreshälfte ein Thema gewesen, das die Ratsrunde erreicht hat.

Der alte Wendel

Ein weiteres sensibles Thema ist das alte Wendelinusheim in der Ortsmitte von Bösingen. Hier wird aktuell die Fachwerkfassade saniert. Energetisch ein Fossil, doch gleichzeitig Heimstätte des Schlachthauses, inklusive Konfiskatkammer, des Albvereins, der Hexenzunft und – vor allem – Probelokal des Männergesangvereins, des ältesten Vereins von Bösingen. Eines Chors mit einer beachtlichen Strahlkraft – weit über die Gemeindegrenzen hinaus. Wie warm soll es im "Wendel" künftig sein?

Brotpreis steigt

Deutlich normaler geht es in anderen Ebenen zu. Zwar wird der Brotpreis im Backhaus erhöht: von 1,30 auf 2 Euro, doch damit könnten die stark gestiegenen Stromkosten (möglicher 2023er-Abmangel 800 Euro) aufgefangen werden, und der Unterschied zum Brot beim Bäcker ist nicht mehr gar so krass. Auch dort, so wird berichtet, sei der Brotpreis in diesem Jahr um 70 Cent gestiegen.

Wasserzins ebenso – etwas

Beim Wasserzins könnte der Aufschlag 0,10 Euro pro Kubikmeter (2,52 statt aktuell 2,42 Euro) betragen, um den angestrebte 100-prozentige Kostendeckung dieses Gebührenhaushalts zu erreichen. Hier spielen Energiekosten keine Rolle.

Positiv – und mit einem Lob Richtung Bauhof für seine Arbeit: Matthias Jetter spricht von lediglich 3,4 Prozent Fehlwasser. Also nahezu kein Verlust mehr. Im Schnitt üblich seien zehn Prozent.

Ein Gewerbesteuerboom

All dies bisher Genannte übertüncht jedoch das aktuell Positive. Beim Blick auf den aktuellen Haushalt sind deutliche Verbesserungen im Vergleich zum Planansatz registriert. Allein die Gewerbesteuereinnahmen betragen aktuell 2,03 Millionen Euro (Planansatz im Dezember 2021: 1,3 Millionen Euro).

Im Ergebnishaushalt ist die Zahl unter dem Strich dunkelgrün: plus 588 300 Euro. In 2022 spielen exorbitant steigende Energiekosten keine Rolle, da der aktuelle Vertrag mit den Energieversorgern bis zum 31. Dezember gilt.

Ein Hoppla beim "Norma"

Im Finanzhaushalt sieht es jedoch nicht so gut aus. Hier irritieren Gemeinderäte vor allem die Zahlen beim Posten "Erschließungsarbeiten Norma". Aus dem Planansatz von 178 000 Euro sind es derzeit 334 000 Euro geworden. Ein Hoppla von 156 000 Euro, welches der Bürgermeister – auf Nachfrage von Bernadette Stritt und Thomas Hoppe – zeitnah genau erklären möchte, in dem er den Gemeinderat mit den aktuellen Unterlagen vertraut machen will.

Auch die Kanalsanierung Obere Freitorstraße wird teurer (Planansatz: 373 000 Euro, voraussichtliche Entwicklung: 450 000 Euro).

Beachtliche Liquidität

Ein weiteres Pfund der Gemeinde: Der Stand der Liquidität betrug Anfang September 3,914 Millionen Euro. Ein gewaltiger Baustein dabei: das Ergebnis des Jahres 2021. Zwar liegt noch kein Rechnungsabschluss vor, die vorläufigen Zahlen, so Jetter, weisen auf ein ordentliches Ergebnis von 2,0 Millionen Euro hin.

"High Noon" ab 19 Uhr

Wesentlich griffiger wird es, als über die genauen Modalitäten der Bürgermeister-Kandidaten-Vorstellung gesprochen wird. Nach Gedankenaustausch im Gremium soll es wie folgt verlaufen. Beginn ist jeweils um 19 Uhr in der jeweiligen Halle: in Bösingen am 4. Oktober, in Herrenzimmern am 5. Oktober.

Jeder Kandidat darf sich und sein Programm maximal 15 Minuten lang vorstellen. Direkt anschließend besteht für die Bürger zehn Minuten lang die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Die jeweils anderen zwei Herren warten in dieser Zeit außerhalb der Halle. Die Reihenfolge gibt der Wahlzettel vor: also erst Blepp, dann Hezel und dann Schuster. Anschließend ist eine kleine Pause vorgesehen.

Mit Podiumsdiskussion

Dann versammeln sich alle drei Kandidaten gemeinsam in der Halle. Eine Podiumsdiskussion beginnt. Hier sind Fragen an alle drei Herren möglich. Die Reihenfolge, wer zuerst antwortet, wechselt, so dass nicht immer der gleiche Kandidat zuerst antworten muss. Als Moderatoren fungieren Gemeinderäte, die noch nicht alle feststehen. Es wird jedoch damit gerechnet, dass die Bürgermeister-Stellvertreterinnen eins und zwei, Bernadette Stritt und Gudrun Müller, an Bord sind.

Und es wird mit einer Gesamtdauer von zwei Stunden pro Abend geschätzt. In jede Halle könnten 450 Bürger Platz finden. Die Vereine, die Getränke ausschenken, werden noch gesucht.