Es wird noch schlimmer, bevor es besser wird, erklärte Kämmerer René Kaufmann auf der Einwohnerversammlung von Bad Liebenzell. Die Stadt steuert auf neue Rekord-Schulden zu. Aber es gibt auch erste positive Anzeichen.
Die finanzielle Lage der Stadt sei weiterhin „speziell“, begann René Kaufmann bei der Einwohnerversammlung am Donnerstagabend im Kurhaus seinen Bericht. Und er warf gleich einen Blick über den Tellerrand hinaus. Landesfinanzminister Danyal Bayaz habe aufgrund nicht mehr steigender Steuereinnahmen von einer „Zäsur“ gesprochen. „Der Kuchen wird kleiner, die Verteilung wird strenger. Es muss gespart werden“, fasste es Kaufmann zusammen.
Die kommunalen Finanzen kämen von vielen Seiten aus unter Druck: Krisen, Investitionsrückstand, steigende Zinsen, sinkende Steuereinnahmen, steigende Personalkosten bei bleibender Personalknappheit oder der Klimaschutz. Letzterer koste Geld. „Die Investitionen müssen wir uns woanders aus den Rippen schneiden“, so Kaufmann. Es muss also woanders gespart werden.
Kommunalaufsicht Mit Sparen kennen sie sich in Bad Liebenzell bereits notgedrungen aus.
Die vergangenen Haushalte mussten wegen des hohen Schuldenstandes auf Drängen der Kommunalaufsicht angepasst werden.
Die Behörde erkannte jedoch auch an, dass sich die Kommune bemüht habe. Die Aufsicht forderte in ihrem Haushalterlass für dieses Jahr aber, dass die Stadt wenigstens soviel erwirtschaftet, dass sie damit ihre Kredite tilgen kann. „Der Schuldenstand ist beachtlich und weit überdurchschnittlich“, so die Kommunalaufsicht.
Aktuell liegt der bei knapp 53 Millionen Euro. Das sind etwas weniger als 5300 Euro pro Kopf. Und das ist nur der Kernhaushalt. Rechnet man die Eigenbetriebe wie die FTBL hinzu, wächst der Schuldenberg noch weiter an. 2021 kam Bad Liebenzell so auf eine Gesamt-Pro-Kopf-Verschuldung von knapp 8200 Euro – das bedeutete in dieser Negativ-Liste landesweit den zweiten Platz.
Zu diesem Jahresende sollen die Schulden des Kernhaushaltes noch auf knapp 54,4 Millionen Euro steigen. Aber immerhin: Ab 2024 bleiben sie dann auf diesem Niveau.
Zuschüsse Die Stadt macht also keine neuen Schulden. Das führt Kaufmann auf die Entscheidungen der Verwaltung und des Gemeinderates in den vergangenen zwei Jahren zurück. Man könne nämlich nicht einfach sagen, „wir machen keine neuen Schulden mehr“, erklärte er.
Die Stadt bekomme Zuschüsse für Maßnahmen. Die müsse man umsetzen, weil sonst Rückzahlungen fällig würden. Zuschüsse seien aber eben auch mit einem Eigenanteil verbunden. Und das funktioniert in Bad Liebenzell nur über Kredite.
Man durchschreite gerade den Tunnel der Sparmaßnahmen, so Kaufmann. Aber das Licht am Ende sind eben keine neuen Schulden. Wie und wann der enorme Schuldenberg abbezahlt werden soll, dafür nannte Kaufmann jedoch noch keinen genauen Zeitplan.
Positive Entwicklung „Wir stehen gegenüber der Planung gut da“, konnte der Kämmerer zum Haushalt für dieses Jahr vermelden.
2023 plane man eigentlich mit einem Defizit von 3,6 Millionen Euro. Momentan stehe man bei einem Minus von 500 000 Euro.
Das werde sich zwar im Jahresverlauf noch erhöhen, aber nicht auf die 3,6 Millionen Euro. „Es bleibt weiterhin interessant“, meinte Kaufmann.
Und auch wenn die Mai-Steuerschätzung die Erwartungen dämpfe, rechne die Stadt auch hier mit Mehreinnahmen gegenüber dem Plan.
Zwar fielen die Einnahmen aus der Einkommensteuer wohl um knapp 250 000 Euro geringer aus. Bei der Gewerbesteuer stehe jedoch wohl ein Plus von 650 000 Euro. Die hatte der Gemeinderat kürzlich erst erhöht. „Wir leben von unserer Gewerbesteuer“, stellte Kaufmann klar.
Konsolidierung „Die Ausgangssituation ist anstrengend“, so Bürgermeister Roberto Chiari. Aber man müsse sie angehen, fügte Kaufmann hinzu. „Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt“, zitierte er ein chinesisches Sprichwort. Die Haushaltskonsolidierung habe begonnen. Aber auch zukünftig müsse die Kommune schauen, welche Aufgaben sie sich noch leisten könne. „Das muss die Kommunalpolitik entscheiden“, nahm er den Gemeinderat in die Pflicht.