Das Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté am Pragsattel Foto: Alex Klein

Vor drei Jahren musste das Friedrichsbau-Varieté die Stuttgarter Stadtmitte verlassen. Bis heute hat es sich von den Folgen des hektischen Umzugs auf den Pragsattel nicht erholen können: Nun wurden 120 000 Euro städtische Förderung beantragt.

Stuttgart - Drei Jahre ist es her, dass das Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté die Eröffnung seines neuen Standorts am Pragsattel feierte.Seit 2014 ist es eine gemeinnützige GmbH. Es musste schnell gehen damals, hatte doch die L-Bank, jahrzehntelanger Unterstützer des Varietés, Eigenbedarf für das nun allerdings kaum genutzte Gebäude am Börsenplatz angemeldet. Bis heute hat sich das Varieté von den finanziellen Folgen des hektischen Umzugs nicht erholen können: 120 000 Euro städtische Förderung mussten nun beantragt werden.

 

Nicht nur Energie, Nerven und Geld, sondern auch viele zuvor regelmäßig erscheinende Besucher habe der Umzug gekostet, sagen die beiden Geschäftsführer Gabriele Frenzel und Timo Steinhauer. Dass nicht alle Varieté-Fans auch zum Pragsattel reisen würden, hatten beide zwar bedacht. Vom enormen Schwund war man aber doch überrascht: „Wir hatten früher etwa 70 000 Zuschauer pro Jahr. Im ersten Jahr am Pragsattel kamen wir nur auf 50 000“, so Frenzel.

Keiner macht einen Hehl daraus, dass man dem Friedrichsbau-Varieté bei der Neueröffnung die Umzugsspuren ansah: „Viele Gäste waren am Anfang unzufrieden, weil alles noch kahl wirkte und die Gastronomie schlecht war. Das Catering haben wir dann auch so schnell wie möglich ausgetauscht“, sagt Steinhauer: „Wir können den anfänglichen Unmut absolut nachvollziehen. Aber wir hatten damals einfach keine andere Möglichkeit.“

Die Trendwende bei den Zuschauern ist geschafft

Da das Gelände seitens des Liegenschaftsamts nicht rechtzeitig vorbereitet worden sei, hätte man zudem erst im Dezember 2014 statt – wie geplant – Anfang November mit dem Spielbetrieb beginnen können, was bereits erste Einbußen von gut 200 000 Euro bedeuteten. Man hatte sich also mit der damals noch unschönen, unfertigen Einrichtung zu arrangieren. Steinhauer: „Wenn wir noch länger gewartet hätten, hätten wir den Laden gar nicht erst eröffnen müssen.“

Doch mit jedem Monat wurde das Friedrichsbau-Varieté am Pragsattel attraktiver. Nach und nach scheinen die Gäste den hohen Einsatz des unentwegt Überstunden machenden Teams zu honorieren: Die Zuschauerzahlen entwickeln sich positiv. Die ehemaligen Auslastungswerte sind aber noch lange nicht erreicht. Auf lange Sicht will man dieses Ziel erreichen. „Wenn wir keine Gäste verloren hätten, hätten wir eine schwarze Null“, so Steinhauer. Im Grunde sind es also diverse Faktoren, die das Defizit von rund 120 000 Euro verursachen und einen Förderantrag bedingen: Umzugsverbindlichkeiten, verlorene Gäste, zwingend notwendiger Gastronomiewechsel, Brandschutzauflagen, die den Neubau teurer machten als geplant. All dem arbeitet das Friedrichsbau-Varieté mit einer deutlich erhöhten Gastspielzahl, mit Tagesvermietung und Sponsorensuche entgegen. Laut Steinhauer würde die Kulturförderung es ermöglichen, „das Haus weiter zu verbessern, damit wir überhaupt eine Möglichkeit haben, wieder mehr Geld zu erwirtschaften.“

„Das Friedrichsbau-Varieté darf aber nicht als krankes Kind gesehen werden“, betont der 37-Jährige. „Wir schaffen es, 94 Prozent der Mittel, die wir benötigen, selbst aufzubringen. Ein Wert, den man bei anderen subventionierten Theatern selten findet.“

Was wäre das Kulturangebot ohne das Varieté?

Aus künstlerischer Sicht genieße das Stuttgarter Varieté aller Sparmaßnahmen zum Trotz einen hervorragenden Ruf. Viele Shows, die im Friedrichsbau-Varieté produziert werden, werden thematisch von anderen Häusern aufgegriffen. „Da gehören wir definitiv zu den Trendsettern. Viele internationale Artisten wollen unbedingt nach Stuttgart, weil wir für gute Shows und eine tolle Arbeitsatmosphäre stehen“, so Steinhauer. „Eines Tages würden wir gerne auch wieder Shows mit Live-Musik anbieten.“ Die Band musste schweren Herzens aus Kostengründen gestrichen werden.

Zum facettenreichen Kulturangebot der Stadt, mit dem man sich ja bei jeder Gelegenheit brüstet, zählt das Friedrichsbau-Varieté zweifellos. Auch kulturhistorisch hat es die Stadt geprägt, wurden im Friedrichsbau-Theater doch bereits vor hundert Jahren Artistik, Tanz und Zauberei geboten, traten hier in den dreißiger Jahren Künstler wie Josephine Baker und Karl Valentin auf. Heute sei das Varieté wichtig, weil es jenseits der sich täglich vermehrenden Bildschirm- und Online-Unterhaltungsangebote „einen Einstieg in die Kulturszene ermöglicht. Viele kommen mit der ganzen Familie ins Varieté, ehe sie sich ans Theater oder die Oper herantasten“, erklärt Steinhauer.