Die Kubanerin Ana de Armas als Marilyn Monroe in „Blonde“ Foto: Imago/Zuma Press/Imago/Plan B Entertainment

Am Mittwoch beginnt bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig das Rennen um den Goldenen Löwen. Mit am Start sind die Netflix-Produktionen „White Noise“ mit Adam Driver und Lars Eidinger und „Blonde“, ein neues Marilyn-Monroe-Biopic.

Die Internationalen Filmfestspiele von Venedig, Teil der Biennale für zeitgenössische Kunst, sind das älteste Filmfestival der Welt, und wie turbulent die Geschichte dieser Veranstaltung gewesen ist, lässt auch ein Blick auf die Zahlen erkennen, die auf dem diesjährigen Poster prangen. Denn wenn sich zur Eröffnung an diesem Mittwoch wieder die weltweite Filmprominenz auf dem Lido einfindet, dann feiert das Festival einerseits zwar seinen 90. Geburtstag und findet andererseits doch erst zum 79. Mal statt. Denn nicht nur während des Zweiten Weltkriegs kam es einige Jahre nicht zustande, auch in den siebziger Jahren fiel im Kontext gesellschaftspolitischer Umbrüche manche Auflage aus. Und einige besonders von den Faschisten dominierte Jahre werden heute im Rückblick schlicht nicht mitgezählt.

Mit Cannes kann Venedig locker mithalten

Architektonisch sind die turbulenten und düsteren Tage der Vergangenheit dank des Festivalpalasts bis heute nicht zu übersehen, doch ansonsten sind die ungewissen Zeiten längst vergessen. Nicht zuletzt in den vergangenen zehn Jahren hat sich das Festival unter der neuerlichen künstlerischen Leitung des Filmwissenschaftlers und Kritikers Alberto Barbera auf einem Niveau in Sachen Filmkunst, Glamour und Medieninteresse eingepegelt, das die Berlinale weit hinter sich lässt und locker mit Cannes mithalten kann.

Lars Eidinger im Eröffnungsfilm

Dass sich daran auch in diesem Jahr vom 31. August bis zum 10. September nichts ändern wird, lässt schon ein Blick auf das Programm erahnen. Zur Eröffnung feiert am Mittwoch mit „White Noise“ der auf dem gleichnamigen Roman von Don DeLillo basierende neue Film des Amerikaners Noah Baumbach seine Weltpremiere, der als apokalyptisch-schwarze Komödie beschrieben wird. In der Hauptrolle ist Adam Driver als auf Hitler spezialisierter College-Professor und Familienvater zu sehen, der mit dem Alltag ebenso zu kämpfen hat wie mit dem möglichen Untergang seiner ihm bekannten Welt. Ebenfalls mit von der Partie: Baumbachs Lebensgefährtin Greta Gerwig, Don Cheadle sowie der sich immer internationaler ausrichtende Lars Eidinger.

Produziert wurde „White Noise“ von Netflix, und der Streamingriese, der bei der Konkurrenzveranstaltung in Cannes seit einigen Jahren auf Druck der französischen Kinoverleiher nicht mehr eingeladen wird, hat in Venedig noch diverse andere Produktionen am Start. Die bereits im Vorfeld umstrittene Marilyn-Monroe-Geschichte „Blonde“, eine Verfilmung des Romans von Joyce Carol Oates, wird ebenso kurz nach Festivalende schon allen Abonnenten zur Verfügung stehen wie das brutale Sozialdrama „Athena“ des Franzosen Romain Gavras. Mit noch mehr Spannung erwartet wird allerdings „Bardo (or False Chronicle of a Handful of Truths)“, eine autobiografisch angehauchte Komödie des vierfachen Oscar-Gewinners Alejandro González Iñárritu.

Juliane Moore ist die Juryvorsitzende

Iñárritus „Birdman“ war einer von vielen Filmen der letzten Jahre, die in Venedig Weltpremiere feierten und von dort aus einen langen Siegeszug in Richtung Oscar-Verleihung antraten. Auch in diesem Jahr dürften sich einige Beiträge im Programm nicht nur Hoffnungen auf den Goldenen Löwen machen, über den in diesem Jahr eine Jury unter dem Vorsitz von Julianne Moore entscheidet, sondern eben auch schon auf den Academy Award spekulieren. Der zu weiten Teilen in Deutschland gedrehte „Tár“ von Todd Field, in dem Cate Blanchett eine Dirigentin spielt, gehört ebenso dazu wie Florian Zellers Adaption seines eigenen Theaterstücks „The Son“ mit Hugh Jackman und Laura Dern oder „The Whale“ des US-Amerikaners Darren Aronofsky über einen schwer übergewichtigen Mann und seine 17-jährige Tochter.

Italien und Frankreich stark vertreten

Auch die neuen Filme von Martin McDonagh („The Banshees of Inisherin“) oder Joanna Hogg („The eternal Daughter“) sind im Wettbewerb vertreten, außerdem „All the Beauty and the Bloodshed“, eine Dokumentation von Laura Poitras über die Fotografin Nan Goldin. Mit Luca Guadagnino („Bones & all“) und Andrea Pallaoro („Monica“) präsentieren außerdem gleich zwei italienische Regisseure englischsprachige Filme. Andere Lokalmatadoren wie Emanuele Crialese, Susanna Nicchiarelli oder Gianni Amelio haben dagegen in ihrer Landessprache gedreht.

Doch auch das französische Kino zeigt auf dem Lido in diesem Jahr starke Präsenz, etwa durch neue Filme von Roschdy Zem und der spannenden Regisseurinnen Rebecca Zlotowski und Alice Diop. Während der einzige deutsche Film, Alex Schaads „Aus meiner Haut“ mit Edgar Selge, Mala Emde und Jonas Dassler, in der autonomen Critics’ Week gezeigt wird, dürfte im Rennen um den Goldenen Löwen auch den beiden iranischen Beiträgen große Aufmerksamkeit zukommen, „Beyond the Wall“ von Zahid Jalilvand und „No Bears“ von Jafar Panahi.

Letzterer, der bereits 2000 in Venedig den Hauptpreis gewann, musste aufgrund des gegen ihn verhängten Berufsverbots erneut heimlich drehen und wurde kurz nach Fertigstellung des Films genau wie einige andere iranische Filmemacher verhaftet. Zum Festival, so hört man, werden immerhin zwei seiner Schauspielerinnen und Schauspieler anreisen dürfen.

Venedig und die Stars

Filmfestspiele
 Die 1932 gegründete Mostra internazionale d’arte cinematografica di Venezia ist das älteste Filmfestival der Welt und gehört neben Cannes und Berlin zu den „großen drei“. Das Festival findet auf dem Lido statt, der lang gestreckten Insel zwischen Lagune und Mittelmeer. Seit 1949 heißt der Hauptpreis Goldener Löwe.

Gäste
 Venedig ist ein Lieblingsziel der Stars – die Stimmung ist weniger überhitzt als an der Croisette in Cannes und weniger unterkühlt als am Potsdamer Platz in Berlin. Erwartet werden diesmal arrivierte Stars wie Cate Blanchett, Colin Farrell, Tilda Swinton, Adrien Brody, Chris Rock, Chris Pine, Sigourney Weaver, Willem Dafoe und Christoph Waltz. Dazu kommen Hoffnungsträger wie Florence Pugh, Timothée Chalamet und Harry Styles.