US-Regisseur Ron Howard („The Da Vinci Code“) erzählt Niki Laudas (links) Geschichte in einem Independent-Film, den er in Europa dreht. Der deutsche Schauspieler Daniel Brühl spielt den Formel-1-Weltmeister. Mehr Fotos in der Bildergalerie. Foto: dpa

Hollywood-Regisseur Ron Howard dreht mit Daniel Brühl Film über Rennfahrer Niki Lauda – ein Setbesuch.

Nürburgring - Es war einer der spektakulärsten Unfälle der Formel-1-Geschichte: Abseits der TV-Kameras, festgehalten nur von Super-8-Amateurfilmern, prallte Niki Laudas Ferrari am 1. August 1976 auf dem Nürburgring gegen eine Felswand, geriet ins Schleudern und ging in Flammen auf. Andere Fahrer retteten den amtierenden Weltmeister aus Österreich, löschten ihn und seinen Wagen und zogen ihn aus dem Cockpit.

Trotz schwerer Verbrennungen war Lauda bereits 42 Tage später beim Großen Preis von Italien wieder am Start. Sein Punktevorsprung war geschmolzen, im letzten Rennen musste er aufgeben, weil er wegen der Verbrennungen nicht richtig blinzeln konnte. Der Brite James Hunt gewann die Weltmeisterschaft mit einem Punkt Vorsprung – eine hochdramatische Geschichte und nun auch Stoff für einen Spielfilm.

„Rush“ heißt das Projekt, bei dem US-Star-Regisseur Ron Howard Regie führt – erstmals in seiner Karriere in Europa bei einer deutsch-britischen Independent-Produktion. Und mit deutschen Schauspielern: Daniel Brühl gibt Niki Lauda, Alexandra Maria Lara dessen spätere Ehefrau.

„Das wird kein Biopic, es geht um Rivalität, Gefahr, Glamour und Geld“, sagt Jens Meurer, deutscher Koproduzent und Geschäftsführer von Egoli Tossell Film Berlin. „Lauda und Hunt waren nicht nur Konkurrenten, sondern zugleich echte Freunde.“ Auch die deutschen Rennfahrer Hans-Joachin Stuck und Jochen Mass sind im Film zu sehen. Daniel Brühl wird österreichischen Akzent sprechen, der dreimalige Formel-1-Weltmeister Lauda (1975, 1977, 1984), der durchs Feuer gegangen ist, hat ihn persönlich beraten. „Er hat Daniel sogar im Privatjet mitgenommen zu einem Grand Prix“, erzählt Meurer.

„Niki Lauda und seine spätere Frau treffen sich durch Zufall“

Gedreht wurde an insgesamt 45 Tagen in Großbritannien, am Nürburgring und vier Tage lang in Baden-Württemberg. In einem braunen Peugeot 504 fahren Brühl und Lara durch die wolkenverhangene Hohenloher Frühlingslandschaft, die im Film später Norditalien sein soll; die Szene spielt nahe dem Ferrari-Stammsitz Maranello.

„Es ist ein zentraler Moment“, sagt Meurer. „Niki Lauda und seine spätere Frau treffen sich durch Zufall, als beide früher eine Party verlassen. Sie nehmen ein Taxi, der italienische Fahrer erkennt Lauda als neuen Ferrari-Piloten, und beide drängen ihn, das Steuer zu übernehmen. Er ziert sich, fährt schließlich, zunächst defensiv – und wird so lange provoziert, bis er aufs Gas tritt und den beiden Hören und Sehen vergeht.“

Ein vergleichsweise leichter Job für die deutsch-britische Filmcrew, die sich am Nürburgring ganz anderen Herausforderungen gegenübersah: Das Areal musste hergerichtet, der Unfall inszeniert werden. „Da waren 340 Leute und bis zu 17 Kameras im Einsatz“, sagt Meurer, „mit Feuer zu arbeiten ist immer heikel. Überall standen wahnsinnig wertvolle historische Formel-1-Fahrzeuge, auf die man sehr achten muss.“

„Sieben große Rennstrecken der damaligen Zeit auf alt machen“

Was sich nicht am Set rekonstruieren lässt, übernimmt später die Stuttgarter Effektfirma Pixomondo, die den Oscar für „Hugo Cabret“ bekommen hat und derzeit an der TV-Fantasy-Serie „Game of Thrones“ arbeitet. „Wir werden sieben große Rennstrecken der damaligen Zeit auf alt machen und manche völlig neu am Computer wieder erschaffen“, sagt Pixomondo-Geschäftsführer Heiko Burkardsmeier, der ebenfalls einen Abstecher ans Set gemacht hat. „Es wird viele Totalen zu sehen geben, da muss alles genau stimmen.“ Dass Pixomondo den Zuschlag bekommen hat, ist der baden-württembergischen Filmförderung zu verdanken, die kurzfristig Mittel bewilligt hat, um bei diesem Projekt mit im Boot zu sein.

Der ursprüngliche Impuls kam vom britischen Drehbuchautor Peter Morgan. Er lebt zeitweise in Wien und kannte Lauda persönlich, außerdem schrieb er das Drehbuch zum Polit-Drama „Frost/Nixon“ (2008), bei dem Ron Howard Regie geführt hat.

Meurer ist sichtlich stolz darauf, einen Film dieser Größe mit auf die Beine gestellt zu haben. „Das ist keine Hollywood-Produktion. Wir haben Ron Howard geholt und zeigen, dass wir hier auch große Filme stemmen können“, sagt er. „Für alle im Team ist das eine große Sache, jeder hat hinterher den Namen Ron Howard in seiner Vita.“ Er selbst plant bereits das nächste große Ding: Er wird im Anschluss an „Rush“ eine Neuverfilmung von „Ivanhoe“ koproduzieren, „einen richtigen Ritterfilm mit historischer Kulisse und allem, was dazugehört“.

Geerdeter Künstler ohne Allüren

In der Mittagspause beantwortet Ron Howard (58) bereitwillig Fragen – der Final-Cut-Regisseur aus Hollywood, der Filme wie „Willow“ (1988) und „The Da Vinci Code“ (2006) gedreht hat, präsentiert sich als geerdeter Künstler ohne Allüren, dem es nur um eins zu gehen scheint: möglichst gute Filme zu machen. „Ich habe hier durchweg nur absolute Professionalität erlebt“, schwärmt er. Er hat sich bewusst für Europa und für ein Independent-Projekt entschieden – wohl auch deshalb, weil in Hollywood seit der Finanzkrise wenig gewagt wird, wie er diplomatisch verklausuliert zugibt: „Ich könnte nicht in den Spiegel schauen und sagen: Oh, sie wollen nur noch 3-D-Roboterfilme oder Figuren, die Spandex-Hosen tragen, also mache ich eben nur noch das. Ich bin an einem Punkt in meiner Karriere, an dem ich nicht daran interessiert bin, meinen Blickwinkel einzuengen, sondern vielmehr daran, ihn zu erweitern.“

Begeistert ist er von seinen deutschen Darstellern. „Es mag aus kommerzieller Sicht riskant sein, nicht mit internationalen Stars zu arbeiten, aber für die Integrität des Films war es Peter Morgan und mir wichtig, dass sie Deutsch sprechen“, sagt Howard. „Als ich Daniel und Alexandra getroffen habe, wusste ich sofort: Die beiden sind perfekt für die Rollen.“ Wie er seinen Schauspielern Höchstleistungen entlockt? „Ich bin nicht manipulativ, sondern sehr direkt und klar. Ich war ja selbst Schauspieler, es ist kein Mysterium für mich, was diese Leute tun. Ich verstehe die Probleme, ich weiß, wozu Schauspieler in der Lage sein sollten – und was ich von ihnen verlangen kann.“

Im März 2013 soll „Rush“ in die deutschen Kinos kommen, zu spät also für die Oscars – genau richtig aber für die Berlinale im Februar, bei der dieser Film den Wettbewerb bereichern könnte.