"Zeitenwende" ist seit etwa drei Monaten in vieler Munde. Meistens in der großen Politik. Auf jeden Fall beschreibt dieses Wort in gewisser Weise aktuell den Zustand der Irslinger Feuerwehr.
Dietingen-Irslingen - Eine Ära endet an diesem Abend. Abteilungskommandant Siegfried Bihl stellt sich nicht mehr zur Wahl und legt somit dieses verantwortungsvolle Amt nach 26 Jahren und vier Monaten in jüngere Hände.
Eine weitere Kraft des legendären Jahrgangs 1987 sieht die Zeit reif, kürzerzutreten: Roland Zapatka. Der Schriftführer präsentiert seinen 16. und letzten seiner einzigartigen Berichte und legt dann den Kugelschreiber nieder.
Doch dies sind nicht die einzigen Abschiede. Heiko Glaser, ein Fachmann vor dem Herrn, beendet seine Tätigkeit im Ausschuss. Ehrenkommandant Bernd Frommer wechselt in die Alterswehr, und Gabriel Kammerer hört auf, Kassenprüfer zu sein.
Johannes und Gabriel Kammerer
Letztere Personalie jedoch weist bereits sehr stark Richtung neue Führungsmannschaft der Abteilung hin. Bei der geheimen Wahl zum stellvertretenden Abteilungskommandanten erhält Gabriel Kammerer 15 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung.
Er unterstützt somit seinen Bruder, Johannes Kammerer, der in die Fußstapfen von Siegfried Bihl tritt und als neuer Chef eine Ära prägen kann – und, wie seine ersten Worte nach der Wahl zu interpretieren sind, auch prägen will. Für ihn stimmen, ebenfalls in geheimer Prozedur, 15 Wahlberechtigte bei einer Enthaltung.
In der Verantwortung
Kaum andere Ergebnisse, teilweise sogar ohne die Enthaltung des Angesprochenen, bringt die Wahl der anderen Zu-Wählenden hervor: Christoph Weber wird Schriftführer, Kassier bleibt Jürgen Graf, Beisitzer werden Siegfried Bihl (für Heiko Glaser), Roland Zapatka (für Armin Wesner) und Stefan Hezel (neu). Die Kassenprüfer heißen Hubert Beiter und Armin Wesner (für Gabriel Kammerer), die Fahnenträger Daniel Rapp (für Markus Merkt), Christoph Weber und Gabriel Kammerer.
Ausgezeichnete Männer
Ehrungen folgen – selbstverständlich. So für Markus Merkt für sein 15-Jähriges das Feuerwehrehrenzeichen in Bronze. Und für die Männer, die einer langen Zeit mit ihrer hochkompetenter Art ihren Stempel aufgedrückt haben, teils persönliche, teils offizielle Zeichen der Anerkennung: Bernd Frommer, Armin Wesner, Heiko Glaser, Roland Zapatka – und Siegfried Bihl.
Allen ist gemein, dass sie als Männer der Tat zwar richtige und bei passender Gelegenheit sogar große Worte wählen, jedoch keinen gesteigerten Wert auf ausufernde Lobeshymnen legen. Vor allem nicht, wenn es sie selber betrifft.
Dennoch lässt es sich an so einem Abend nicht vermeiden, Nüchternheit und Bescheidenheit vor der Tür zu lassen. Anerkennung formuliert sich zum Glück aber nicht ausschließlich in blumigen Worten und Sätzen.
Was Bihl ausmacht
Um an dieser Stelle den Bogen ebenfalls nicht zu überspannen, wird am besten Hubert Beiter zitiert, der im Zusammenhang mit Siegfried Bihl neben anderen die Worte Lockerheit, Sachlichkeit, beispiellose Kompetenz und handwerkliches Geschick wählt, um Bihls Können und Person zu beschreiben.
Bürgermeister Frank Scholz hebt die "sehr, sehr angenehme Zusammenarbeit" und Bihls "sachliche und lösungsorientierte Art" hervor. Ortsvorsteher Klaus Häsler betont Richtung Bihl: "Du bist pragmatisch, hilfsbereit und gesellig." Gesamtkommandant Dominik Weißer und Ehrenkommandant Bernd Frommer reihen sich ein in dieser hohen Form der Wertschätzung.
"Eine Freude und Ehre"
Und der Angesprochene? Er könnte viel über die Zeit seit dem 19. Januar 1996 sagen. Doch er spricht so, wie es kaum dem Tage angemessener sein kann. Er blicke nach vorne, so Bihl. Er halte seine Dankesworte wertfrei. Und er sagt: "Es war mir eine Freude und eine Ehre, diese Abteilung 26 Jahre führen zu dürfen." Beifall der 25 Anwesenden.
Doch, halt, noch eines. Und damit soll das Unverwechselbare des angesprochenen Jahrgangs 1987 nicht verschwiegen werden. Am 1. Januar 1987 traten zehn Mann in die Abteilung Irslingen ein. Noch drei sind dabei, so Bihl und Zapatka.
290 der 381 Seiten
Letzterer hat seine Schriftführerberichte mit der Hand, mit dem Kugelschreiber, geschrieben. 290 Seiten der 381 Seiten, die am 19. Januar 1996 beginnen und am 31. Dezember 2021 enden, stammen von Zapatka. Viele Zeilen, und nicht in jeder lässt sich sein Schalk, seine Schlitzohrigkeit verbergen. Für Siegfried Bihl eine Freude und Ehre. "Fast meine gesamte Zeit als Abteilungskommandant ist handschriftlich in einem Buch verfasst. Das gefällt mir. Das ehrt mich."
Doch der Blick ist in die Zukunft gerichtet. In die nahe – Richtung traditionelles Speckvesper, aber auch in die etwas fernere. Sinnvoll, dass beide in gewisser Weise zusammenhängen. Kurz: Das Kameradschaftliche soll nach den zwei Jahren der Corona-Pandemie-Hochphase mit all ihren Einschränkungen nachdrücklich wiederbelebt werden.
Proben und Kameradschaft
Ein Punkt, den der Neue, Johannes Kammerer, explizit anspricht. Und Speck schmiert die Gelenke, die für die nun regelmäßig, in weitaus kürzeren Abständen als 2020 und 2021 terminierten Proben – ebenso mit den anderen Abteilungen der Gesamtwehr Dietingen – benötigt werden. All das Vorhandene soll einfach wieder präsenter werden. Und flüssiger von der Hand geben.
Außerdem wird der so titulierte Quantensprung ins digitale Zeitalter, der bei der Dietinger Feuerwehr am 14. April 2021 mit der Entgegennahme der digitalen Funkmeldeempfänger begonnen hat, zeitnah mit dem digitalen Sprechfunk fortgeführt.
Topmotiviert
Siegfried Bihl, grundsätzlich ein Freund des Analogen, sieht auch deshalb, nach einer längeren Zeit des Ausschauhaltens nach einem Nachfolger, die Zeit für die Zeitenwende, als gut gewählt an. Und Johannes Kammerer, mehr als zwei Jahre jünger als 1996 Bihl, ist ein topmotivierter, fachlich versierter Feuerwehrmann.
Zusätzlich bringt er gewisse Feuerwehrgene mit. Sein Großvater Hermann Kammerer war ja seinerseits ebenfalls Kommandant. Und bei den Altvorderen im Mehrzweckraum der Waidbachhalle bestens bekannt. Ein Schlitzohr, weiß Bernd Frommer, der von der Herzlichkeit innerhalb der Feuerwehrabteilung Irslingen damals als ganz junger Feuerwehrmann sofort Feuer und Flamme war.