Strahlende Gesichter bei Ilse Dietrich (links) und Renate Leinbach: Die Hepsisauer Bätscher sind mal wieder gelungen – und für den Backhaus-Betrieb gibt’s keine Einschränkungen. Foto: Kraufmann

Feuer unterm Dach, viel Rauch im Dorf: Mehr als 100 Backhäuser werden in der Region Stuttgart noch betrieben. Die Landfrauen, die jene Einrichtungen zumeist betreuen, können nach einem Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart aufatmen: Den Qualm und Geruch müssen Nachbarn hinnehmen.

Weilheim unter Teck/Stuttgart - Mit seinen 8500 Einwohnern ist Hepsisau ein Teilort der Stadt Weilheim im Kreis Esslingen. Und dort gibt es eine besondere Tradition: Es geht um die Bätscher, jenes leckere Traditionsgebäck, das die rührigen Bäckerinnen in den Holzofen des Backhauses schieben. Doch im Örtchen am Albtrauf gibt’s Ärger – und zwar um den Rauch. Der steigt seit 2009 nur noch von Mittwochmorgen bis Samstagmittag auf. Die Stadt hatte sich bemüht, den nun seit 15 Jahren schwelenden Streit zu entschärfen, und hatte eine Nutzungsverordnung erlassen, nach der die Backzeiten eingeschränkt worden waren. Zudem wurde der Schornstein durch ein Edelstahlrohr um zwei Meter erhöht, und es wurde eine Rauchnachverbrennungsanlage eingebaut. Seither halte sich der ausströmende Rauch wirklich sehr in Grenzen, sagt Renate Leinbach, die das Backhaus regelmäßig nutzt.

Das schmucke weiße Gebäude zwischen Rathaus und Kirche ist der dörfliche Mittelpunkt. „Uns wird ja sonst alles gestrichen, wir haben weder einen Laden noch sonst was hier“, sagt Leinbach. Leider seien es immer weniger, die bereit seien, Holz zu holen. Doch mittlerweile interessierten sich auch jüngere Frauen, wie man die beiden Öfen anfeuert. „Der Mittwoch ist nicht so beliebt.“ Da ist der Ofen kalt, und es dauert ein paar Stunden, bis 350 Grad erreicht sind. Zehn Büschel Holz sind notwendig, um zu heizen, meist stammen sie vom Baumschnitt der Obstbäume rund um den Flecken. „Jede von uns bringt zwei bis drei Büschel mit.“ Wenn die Temperatur erreicht ist, wird die Glut entfernt, und es kommen Kratzer, Besen und Hudelwisch zum Einsatz. Letzterer ist ein nasser Rupfensack, mit dem feucht ausgeputzt wird: „Sonst wird der Boden der Brote schwarz“, weiß die Fachfrau.

Öfen nur noch im Wechsel angefeuert

Zuerst kommen allerdings die Bätscher rein, Fladen aus Hefeteig, die traditionell nur mit Kümmel gewürzt werden, beim Dorffest aber auch mit Rahm und Eigelb, Zwiebeln, Lauch und Speck. 75 Familien nutzen das schmucke Backhaus noch, drei von ihnen praktisch wöchentlich. Renate Leinbach produziert dann um die 40 Laibe Brot und versorgt auch ihre Eltern, den Sohn und den Bruder.

Dreieinhalb Tage wöchentlich seien gerade ausreichend, damit alle backen können, die wollen. Und früher habe man die Öfen erst gar nicht abkühlen lassen, um immer Restwärme nutzen zu können. Heute werden die beiden Öfen nur noch im Wechsel angefeuert. Den Frauen ist deshalb unverständlich, dass sich jemand belästigt fühlt.

So belästigt, wie jener Kläger, der lediglich zehn Metern vom Backhaus entfernt wohnt und geltend macht, dass die stark beißenden und stechenden Geruchsemissionen erheblich in seine Gesundheit eingriffen und seine Lebensqualität störten. Auch beschwerte er sich über die bei der Holzbefeuerung hohe Feinstaubbelastung.

Pluspunkt: „seit jeher gebacken“

Die von ihm verlangte Einschränkung der Benutzungszeiten hält das Gericht indes nicht für erforderlich. In Hepsisau werde „seit jeher gebacken“, nämlich seit dem Jahr 1847 – und zwar ohne größere Unterbrechung. „Damit unterscheidet sich das Backhaus deutlich von anderen Backhäusern, die teilweise über Jahre oder Jahrzehnte nicht betrieben worden seien.“

Weil somit das Backhaus also schon vorhanden und in Betrieb gewesen sei, als der Kläger seine Wohnung bezogen habe, müsse er eben die erhöhten Geruchseinwirkungen hinnehmen. Im Umkehrschluss des Richterspruchs hätten also Nachbarn, die sich vom Backhausqualm belästigt fühlen, allenfalls dann eine Chance, wenn die Tradition zwischenzeitlich aufgegeben und nun erst wieder aufgenommen worden wäre.

Das Gericht empfiehlt dem Kläger ansonsten einige „einfache Maßnahmen“: Wenn er während der Anheizphase das Eindringen des Rauchs in seine Wohnung verhindern wolle, brauche er ja nur die Fenster zu schließen. Und dass er Balkon und Garten nur noch zum Teil benutzen, keine Wäsche mehr aufhängen und sein Gebäude weit öfter reinigen müsse, diese Punkte sind für die Richter keine erheblichen Beeinträchtigungen, sondern lediglich „bloße Lästigkeiten“.