Sechs Wochen lang hat der Brandstifter im vergangenen Sommer die Geislinger um ihren ruhigen Schlaf gebracht. Foto: Archiv/Beate Marschal

Im Prozess wegen der Serie von Bränden in Geislingen ist das Urteil gefallen. Der psychologische Sachverständige bewertete den geständigen Angeklagten als voll schuldfähig.

Im Prozess gegen einen Mann wegen fünf Brandstiftungen im Sommer 2024 fiel jetzt das Urteil: Der geständige Angeklagte muss nach Beschluss der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Hechingen lange in Haft.

 

Auch am letzten Verhandlungstag wurden nochmals Zeugen befragt. Die Last der Indizien und Hinweise, die die Ermittler zusammengetragen haben, wuchs noch einmal.

Psychiatrisches Gutachten

Von besonderer Bedeutung war jedoch, was der psychologische Sachverständige berichtete. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat zwei Gespräche mit dem Angeklagten geführt, die Befragungsprotokolle gelesen und die Hauptverhandlung verfolgt. Seine Aufgabe war nun, die Schuldfähigkeit und strafrechtliche Verantwortlichkeit einzuschätzen.

Das sei keine einfache Begutachtung gewesen, hielt der Mediziner fest. Das lag an der Verschlossenheit des Angeklagten, die der Gutachter als „schizoide Persönlichkeitsakzentuierung“ beschrieb. Eine tieferliegende seelische Erkrankung oder hirnorganischen Störung liege aber nicht vor, unterstrich er.

Unter Alkohol und Drogen

Wie der Angeklagte bereits selbst angesprochen hatte und nach Ende der Beweisaufnahme genauer ausführte, hat er regelmäßig und viel getrunken: zuletzt jeden Abend, bis zu sechs Bier, ab und zu Schnaps. Auslöser dafür seien Schulden gewesen – und Unzufriedenheit mit seiner Lebenssituation, wie der Sachverständige ausführte. Außerdem berichtete der Angeklagte, Marihuana in größerem Umfang konsumiert haben – „zur Entspannung und zum Abschalten“.

Sein Alkoholpegel während der Taten kann nur in einem Fall ungefähr errechnet werden: Geschätzt 1,2 bis 2,3 Promille hatte der Mann bei seiner letzten Brandstiftung am 16. Juli im Blut. Andere Drogen wurden nicht festgestellt.

Eine krankhafte Alkoholabhängigkeit im Sinn der Internationalen Klassifikation (ICD) liege nicht vor, sagte der Gutachter. Auch ein „schädlicher Gebrauch“, dass also Alkohol Auswirkung auf das Verhalten gehabt habe, treffe nicht zu. Das Trinken sei vielmehr Folge des Gesamtpersönlichkeitsprofils: Er trank immer mehr, um seine negativen Gefühle in den Griff zu bekommen.

Voll schuldfähig

Aus Sicht des Sachverständigen ist nicht nachzuweisen, dass Alkoholeinfluss bei den Brandstiftungen eine erhebliche Auswirkung auf die Steuerungsfähigkeit hatte: „Eine Einsicht ist gegeben gewesen. Ich muss von voller Schuldfähigkeit ausgehen.“

Das Urteil

So sah das auch das Gericht: „Sie wussten, was Sie taten und sind nicht im Vollrausch herumgeirrt“, sagte der Vorsitzende Richter. Deshalb verurteilte er den Mann zu fünf Jahren und drei Monaten Haft. wegen dreifacher Brandstiftung und zwei versuchten.

„Sie haben Ihre Nachbarschaft über sechs Wochen in Angst und Schrecken versetzt“, begründete der Richter. Den Geislingern sei unklar gewesen, ob der Täter es gezielt auf jemanden abgesehen hatte, ob es bei Schuppen bleiben oder womöglich auch Wohnhäuser brennen würden.

Kameras von Polizei und Privatleuten haben dazu beigetragen, den Täter zu überführen. Dass er bei der letzten Tat maskiert war, um unerkannt zu bleiben, verdeutlichte, dass er bewusst handelte.

Zahlreiche Hinweise und Ermittlungsergebnisse fügten sich letztlich zusammen. Mutmaßlich wäre es auch zur Verurteilung gekommen, wenn er nicht gestanden hätte. Zwar, so der Richter, halte man ihm das Geständnis zugute. Allerdings, wurde deutlich, habe er „immer nur das gestanden, was Ihnen als Indizien unwiderlegbar vorgelegt wurde“.

Das Motiv

Ist das ein Feuerteufel, vor dem man dauerhaft Angst haben muss?“ Diese Frage stand laut dem Richter im Raum.

Doch dafür hat der Sachverständige keinen Hinweis gefunden. Sieben zerkratzte Autos am 4. Juli zeigten, dass es ihm nicht um die Brände ging, sondern „nur“ um ein Ventil für seine unterdrückten Aggressionen. Wegen dieser Sachbeschädigungen stand der Mann allerdings nicht vor Gericht.

Seine Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, das sich nicht mit dem eigenen Anspruch an sich selbst deckte, sei wohl „der Motivator“ für die Brandstiftungen gewesen, sagte der Richter. „Sie haben keine kranke, sondern eine verbogene Persönlichkeit.“

Er müsse in der Haft sozial-therapeutisch betreut an sich selbst arbeiten, damit er nach seiner Entlassung sein Leben in den Griff bekomme: „Es kann nicht sein, dass Ihre verkorkste berufliche Vita immer an den anderen liegt.“

In Berufung

Mit dem Urteil blieb das Gericht ein Jahr unter der von der Staatsanwältin geforderten Zeitdauer. Während der Angeklagte die Strafe annahm, legte die Juristin Rechtsmittel ein. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig, das Verfahren wird in Berufung gehen.

Plädoyers

Die Staatsanwältin
 wies darauf hin, dass der Angeklagte zwar geständig sei, sich aber auf oberflächliche Erinnerungen und Alkoholeinfluss zurückziehe. Zeugenaussagen und Videos identifizierten ihn eindeutig. Sie geht von drei vollzogenen Brandstiftungen aus, nicht nur zwei, weil die am 16. Juli angesteckte Scheune niedergebrannt wäre, wenn die Feuerwehr nicht gelöscht hätte. Eine Strafminderung könne sie nicht erkennen, auch wenn davon auszugehen sei, dass der Täter keine Menschen gefährden wollte. Weil er Feuer in Serie legte, zweimal mehrfach an denselben Gebäuden, sei auch kein „minderschwerer Fall“ anzunehmen. Die hohen Sachschäden, auch an einer Vielzahl landwirtschaftlicher Geräte, spreche gegen ihn. Mit „hoher kriminelle Energie“ habe er planmäßig Scheunen aufgesucht, um sie anzuzünden. Er sei voll schuldfähig. Die Staatsanwaltschaft forderte daher insgesamt sechs Jahre und drei Monate Haft.

Der Verteidiger
 räumte ein, dass die Brandserie in der Kleinstadt Geislingen „zu erheblichen Irritationen geführt“ habe. Den Verdächtigungen der Bürger untereinander habe sein Mandant mit seinem Geständnis ein Ende bereitet: „Er hat die Taten begangen und eingeräumt“. Der Anwalt verwies auf mehrere Zeugenaussagen, die an Tatabenden Trunkenheit bei dem Mann wahrgenommen haben, und das Video, in dem der Täter vor sich hin singt: „Er hat ein ganz erhebliches Alkoholproblem.“ .Bei der Festnahme seien 20 leere Bierdosen in der Wohnung gefunden. Der verschlossene Einzeltäter, habe Phasen gehabt, in denen er mit sich selbst nicht zurecht kam und unzufrieden war. Er habe getrunken und in diesem Zustand sei es zu der Brandserie gekommen. Dieses Tun sei keine gezielte Absicht gewesen, sondern die Taten seien aus situativen Impuls begangen worden. „Er ist der Täter, der Schaden ist immens, und dafür ist er allein verantwortlich. Aber: Welche Strafe ist gerecht – den Opfern, aber auch den Tätern gegenüber?“ Wirtschaftlich könne der Angeklagte nicht mehr auf die Beine kommen, wohl aber könne er seine persönlichen Probleme in den Griff bekommen: „Wie können wir dabei behilflich sein?“ Er empfahl psychotherapeutische Behandlung und dem Mann eine Zukunftsperspektive lassen. Eine Haftstrafe von maximal fünf Jahren sei angemessen.