Lässt sich ein Musikfestival coronagerecht organisieren? Jazz Open-Macher Jürgen Schlensog erklärt, wie er den Einlass regeln und auf eine drohende 2-G-Regel reagieren will.
Stuttgart - Zwei Ausgaben von Jazz Open im Juli 2020 und im Juli 2021 mussten coronabedingt ausfallen. Das wollte der Festival-Leiter Jürgen Schlensog nicht einfach so hinnehmen: Er hat im Frühjahr auf einen guten Impffortschritt gewettet und eine reine Open-Air-Sonderausgabe vom 11. bis zum 19. September geplant – die nun in voller Länge stattfinden soll.
Herr Schlensog, wie hoch war und ist die Anspannung, wenn man unter Pandemie-Bedingungen ein Festival dieser Größe plant?
Wir haben uns im März entschieden, das Wagnis einzugehen, und ich glaube, dass das richtig war. Die Spannung ist hoch, die Vorfreude auch, die Umstände sind schwierig – ich fühle mich ambivalent.
Was erwartet die Zuschauer?
Wir bauen genauso auf, als wäre es ein ganz normales Jahr. Bis auf Weiteres gilt 3G. Aber es gibt ja jetzt als Inzidenz-Ersatz die Intensivbettenbelegung, da kann das Land tagesaktuell entscheiden, wann es auf 2G umstellt – wann also nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt hätten.
Was würden Sie in diesem Fall machen?
Wir wären jetzt nicht mehr in der Lage, das Festival noch auf 2G umzustellen. Wir würden zunächst versuchen, für die restlichen Tage eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen. Beim Festival herrscht durchgehend Maskenpflicht, das Ansteckungspotenzial ist also stark eingeschränkt. Falls das nicht möglich wäre, würden die Leute, die nicht geimpft und nicht genesen sind, ihr Geld zurückbekommen. Wir brechen das Festival aber nicht ab, wir spielen auf jeden Fall zu Ende.
Fragen Sie täglich im Staatsministerium nach, wie die Lage ist?
Wir stehen in engem Kontakt und bemühen uns generell um ein ordentliches Verhältnis, denn das Land ist ja unser Vermieter sowohl auf dem Schlossplatz als auch im Alten Schoss. Dieses Jahr bespielen wir zudem am Eröffnungswochenende den Park der Villa Reitzenstein.
Rechnet sich das Festival unter diesen Bedingungen noch – oder ist das diesmal auch mit der 3-G-Regelung ein Zuschussgeschäft?
Es ist finanziell sehr schwierig. Es wird auf jeden Fall ein Verlustjahr, aber wir werden es gut überstehen, weil wir in den vorigen Jahren gut gearbeitet haben.
Wie wollen Sie lange Wartezeiten am Eingang des Alten Schlosses und am Schlossplatz verhindern?
Erstens hoffen wir, dass nicht so viele auf den letzten Drücker kommen. Zweitens haben wir ein ausgefeiltes Hygienekonzept und genügend Zugänge, um lange Schlangen zu vermeiden. Der Prüfvorgang für jeden Einzelnen dauert weniger als eine Minute. Das Alte Schloss hat schon baulich bedingt weniger Zugänge, da kommen aber auch nur 1000 Leute. Auch das sollte ohne große Komplikationen gehen.
Wie viele Zuschauer dürfen Sie einlassen im Vergleich zu sonst – und wie viele Tickets haben Sie verkauft?
Im Alten Schloss spielen wir die volle Kapazität, auf dem Schlossplatz sind 5000 erlaubt statt wie sonst 7000. Das Alte Schloss ist so gut wie ausverkauft, auf dem Schlossplatz gibt es für alle Abende noch Karten. Zum einen sind die Menschen teilweise noch vorsichtig und zurückhaltend, zum anderen ist der überregionale Zuspruch deutlich geringer. Wir haben sonst rund 40 Prozent Besucher, die nicht aus Baden-Württemberg kommen. In Zeiten der Verunsicherung wollen viele nicht auch noch eine Reise auf sich nehmen. Manche trauen auch dem Braten nicht, aber noch einmal: Wir spielen auf jeden Fall.
Wie handhaben Sie die Situation mit den Künstlern hinter der Bühne?
Wir haben dort ein eigenes Testzentrum, Künstler, Crew und Entourage werden jeden Morgen getestet. Da wollen wir keine Überraschungen erleben, das würde ja unter Umständen auf die Gesamtorganisation durchschlagen.
Auf den großen Bühnen spielen Sie auch sonst überwiegend Pop, im Bix und bei Sparda, die nun nicht dabei sind, überwiegend Jazz, der deswegen rar gesät ist. Wie ist das, wenn man nur das halbe Festival machen kann?
Es ist kein normales Jahr, dem mussten wir beim Programm Rechnung tragen. Es war unmöglich, die Clubbühnen auch noch einzubauen – das war schlicht nicht planbar.
Wie haben Sie es überhaupt geschafft, ein Programm zusammenzukriegen?
Da hat sich ausgezahlt, dass wir über die Jahre sehr guten Kontakt zu Agenten in Großbritannien und den USA aufgebaut haben, bei denen die Künstler unter Vertrag sind. Wir gehen nicht über deutsche Vermittler, sondern direkt an die Quelle. Auch dort gab es zunächst ungläubige Blicke und Fragezeichen, aber wir konnten mit unserem Konzept überzeugen und haben nahezu unser Wunsch-Line-Up hinbekommen. Dazu muss man wissen, dass die überwiegende Zahl der Künstler gerade gar nicht tourt, die Möglichkeiten waren viel geringer als sonst. Umso stolzer bin ich auf dieses Programm.
Konnten Sie einen Sender für eine Aufzeichnung gewinnen?
Wir produzieren für Arte Livestreams an einigen Abenden auf dem Schlossplatz – ich verrate jetzt aber noch nicht, an welchen, um niemanden vom Kommen abzuhalten. Nichts ersetzt ein Liveerlebnis! Das macht uns auch Hoffnung für die Zukunft. Wenn die Menschen wieder Zutrauen gewinnen, gehe ich davon aus, dass wir im Juli 2022 ein normales Festival machen können. Das Programm steht nahezu, Anfang Oktober geben wir es bekannt. Es ist zu einem guten Teil identisch mit dem, das 2019 und 2020 nicht stattfinden konnte.
Das Gespräch führte Bernd Haasis.
Jazz Open 2021
Festival
Die Jazz Open finden vom 10. bis zum 14 September im Innenhof des Alten Schlosses und vom 15. bis zum 19. September im Ehrenhof vor dem Neuen Schloss statt.
Künstler
10.9.: Soul Diamonds XXL; 11.9. Mario Biondi; 12.9. Katie Melua; 13.9. Element of Crime; 14.9. Chilly Gonzales; 15. 9. Liam Gallagher; 16.9. Ben Howard und Indra Rios-Moore; 17.9. Sophie Hunger und Lianne la Havas; 18.9. Parov Stelar; 19.9. Amy McDonald und LP