Bald beginnt die 29. UN-Klimakonferenz in Baku. Wird die Weltgemeinschaft nur verhandeln statt handeln? Der Klimaforscher Mojib Latif findet die Tatenlosigkeit erschreckend. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine.
Die in Aserbaidschan stattfindende Weltklimakonferenz COP 29 (United Nations Framework Convention on Climate Change) ist aus Sicht von Mojib Latif zwar nicht sinnlos, dürfte wie frühere Zusammenkünfte dieser Art aber „nicht zielführend“ werden.
Fruchtlose Verhandlungen
Nach 28 Weltklimakonferenzen sei noch immer kein wirklicher Durchbruch erzielt worden, sagt der Klimaforscher. Ihren eigentlichen Zweck – die Treibhausgasemissionen deutlich zu senken – erfüllten die Verhandlungen nicht.
Im Gegenteil: Der Gehalt an Treibhausgasen in der Atmosphäre steige vielmehr weiter, teils sogar schneller als befürchtet, erklärt Latif. „Ich finde es geradezu lächerlich, dass sich die Weltpolitik immer noch an dem 1,5-Grad-Ziel festhält. Das ist de facto doch längst gerissen.“
Auf einem Erwärmungspfad von drei Grad
Latif spricht von „Realitätsverweigerung“. Gegenwärtig sei man auf einem Erwärmungspfad von etwa drei Grad. Und selbst diese Marke werde nur dann nicht übertroffen, wenn bisherige Zusagen eingehalten würden.
„Man kann sich auch tot verhandeln. Handeln statt Verhandeln sollte das Motto sein“, fordert Latif. Ganz sinnlos sei das Treffen vom 11. bis 24. November in Baku trotzdem nicht. Immerhin lenkten die jährlichen Konferenzen den Blick der Weltöffentlichkeit auf die Klimakrise. „Das ist nicht zu unterschätzen“, meint der Meteorologe.
Zudem könnten sich ärmere Länder dort Gehör verschaffen und die Aufmerksamkeit richte sich auf neue Technologien, die im Kampf gegen die Erderwärmung helfen könnten.
Bei der Klimakonferenz in Paris hatten die Teilnehmerstaaten 2015 beschlossen, dass der Anstieg der durchschnittlichen Temperatur auf der Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter möglichst auf 1,5 Grad, zumindest aber auf deutlich unter 2 Grad begrenzt werden soll.
Emissionen von Treibhausgasen erreichen Höchstwerte
Zur Mammutkonferenz in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku hat das UN-Umweltprogramms (UNEP) seinen Emission Gap Reports veröffentlicht:
- Den Berechnungen zufolge wurden 2023 weltweit Treibhausgase mit einer Klimawirkung von 57,1 Gigatonnen Kohlendioxid (Kohlendioxidäquivalenten) ausgestoßen – ein Höchststand.
- Bereits im vergangenen Jahr war für den Anstieg von 2021 auf 2022 ein Rekordwert an Emissionen mit einem Zuwachs um 1,2 Prozent verzeichnet worden.
- Nun sei der Wert von 2022 auf 2023 noch einmal um 1,3 Prozent gestiegen, heißt es.
- Zum Vergleich: In der Dekade vor der Corona-Pandemie stiegen die weltweiten Treibhausgasemissionen noch jährlich durchschnittlich um 0,8 Prozent.
- Wie schon in den Vorjahren entstanden die meisten Emissionen mit einem Anteil von 26 Prozent im Energiesektor, etwa bei der Stromerzeugung, gefolgt vom Bereich Transport mit 15 Prozent sowie Landwirtschaft und Industrie mit einem Anteil von jeweils 11 Prozent.
Die Zeit drängt
In der alljährlichen Bestandsaufnahme geht es um die Lücke zwischen den real zu erwartenden Emissionen von Treibhausgasen in den kommenden Jahren und den Werten, die für ein Erreichen der Pariser Klimaziele notwendig wären. Treibhausgase in der Atmosphäre, insbesondere Kohlendioxid, spielen eine Rolle beim weltweiten Temperaturanstieg.
Wegen der Erderwärmung gibt es in vielen Regionen häufiger und öfter extremes Wetter, also Hitzewellen und Dürren, Stürme und Überflutungen. Dies kann ganze Regionen unbewohnbar machen, Ernten zerstören und damit Hungerkrisen verschärfen. Außerdem steigt der Meeresspiegel, was Küstenregionen und kleine Inselstaaten bedroht.
Dem Bericht zufolge drängt die Zeit: Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssten sich die Staaten der Welt gemeinsam dazu verpflichten, die jährlichen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 42 Prozent und bis 2035 um 57 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken. Derzeit liegen die Zusagen weit darunter.
Zwei Grad mehr: Was könnte das bedeuten?
Diese Frage haben sich der Klimaforscher Taejin Park vom Ames Research Center der US-Raumfahrtbehörde Nasa und sein Team auch gestellt. „Die bei zwei Grad eintretenden Klimaveränderungen und ihre räumliche Heterogenität zu verstehen, ist wichtig, damit Entscheider entsprechende Anpassungen und Maßnahmenpläne vorbereiten können“, schreiben sie in ihrem Report „Earth’s Future. What does global land climate look like at 2°C warming?” Die Studie ist im Fachmagazin „Advancing Earth and Space Scienes” erschienen.
Für ihre Prognosen verwendeten die Wissenschaftler insgesamt 35 Klimamodelle des „Coupled Model Intercomparison Project“ (CMIP), um die Erderwärmung alternativ bei mäßigem und bei ungebremstem Klimawandel vorherzusagen. Zur Info: Das CMIP ist ein 1995 ins Leben gerufenes Netzwerk, das darauf abzielt, das Wissen über den Klimawandel zu verbessern.
Wie wird sich die globale Erwärmung auswirken?
Das globale Klima wird demnach die Schwelle zu zwei Grad Erderwärmung bereits in den 2040er Jahren überschreiten, prognostizieren die Nasa-Experten. Ob der Klimaschutz optimiert wird oder nicht, spielt dabei eigentlich keine große Rolle mehr.
Selbst mit einem weltweiten Bemühen wie im Pariser Klimaabkommen ratifiziert, die Erderwärmung zu begrenzen, würde die Zwei-Grad-Marke im Jahr 2042 erreicht – statt 2044. „Die globalen Lufttemperaturen über Land werden zu diesem Zeitpunkt schon um 2,33 beziehungsweise 2,79 Grad angestiegen sein“, schreiben die Forscher.
Einige Regionen werden sich schneller erwärmen als der Rest der Welt – nämlich auf eine Jahresmitteltemperatur von über drei Grad. Dazu zählen die Arktis und Antarktis, Grönland, Alaska und Nordasien. Im südlichen Asien, in Afrika und im südlichen Südamerika fällt die Erwärmung dagegen etwas moderater aus.
Mehr Hitzestress-Tage
Bei zwei Grad globaler Erderwärmung – regional können noch weit höhere Werte erreicht werden – werden der Mix aus Luftfeuchtigkeit und Hitze häufiger auftreten und die für Menschen noch erträgliche Grenze deutlich überschreiten.
„Dies gilt besonders stark für das westliche Nordamerika mit 27 zusätzlichen Hitzestress-Tagen, Ostafrika mit 32 Tagen mehr und die Sahelzone mit 44 zusätzlichen Hitzestress-Tagen“, berichten die Wissenschaftler. In Australien und Südamerika könnte sich der Hitzestress dagegen leicht verringern.
In Mitteleuropa werden die Sommer heißer, feuchter und schwüler. Die Sonneneinstrahlung wird intensiver und länger – vor allem im Mittelmeerraum, in Nordeuropa, im Osten Nordamerikas, in weiten Teilen Afrikas sowie in der Arktis.
Regional deutlich mehr oder weniger Regen
Die Niederschläge werden vielerorts häufiger und heftiger. Allerdings mit großen regionalen Unterschieden: In West- und Ostafrika fallen 82 und 52 Millimeter mehr Regen pro Quadratmeter und Jahr. In Südasien erhöht sich die Niederschlagsmenge um 64 Millimeter pro Jahr – vor allem in Form von Starkregen.
Weniger Regen wird es hingegen im Südwesten Nordamerikas und im Mittelmeerraum, in Australien und im Amazonas geben. Dort wird sich die jährliche Niederschlagsmenge signifikant um 98 Millimeter pro Quadratmeter und Jahr verringern.
„Das Amazonasgebiet wird schwerere Dürren, ein höheres Feuerrisiko und gefährlichen Hitzestress erleben, wenn sich die Erde weiter erwärmt“, stellen die Klimaexperten fest. Der größte Regenwald der Erde könnte sich in eine Savanne verwandeln.
Wetterextreme verstärken sich
„Es ist offensichtlich, dass sich das Ausmaß und die Richtung der Klimaveränderungen je nach Region unterscheidet“, resümieren Taejin Park und sein Team. „Dadurch sind auch die Auswirkungen sehr unterschiedlich.“Insgesamt, so das Fazit der Wissenschaftler, würden sich die schon heute spürbaren Folgen des Klimawandels weiter verstärken (mit dpa/AFP-Agenturmaterial).