Katharina Glass aus der Schweiz erzählt während des Festaktes im Alten Rathaus in Villingen von der Familiengeschichte Schwarz. Foto: Heinig

Durch Terminverschiebungen des Künstlers Gunter Demnig fand der Festakt anlässlich der Verlegung von 18 Stolpersteinen in Villingen einen Tag danach, am Donnerstag, im Alten Rathaus in Villingen statt.

VS-Villingen - "Wir möchten, dass Sie sich in Vertretung Ihrer Angehörigen in Villingen-Schwenningen wiederaufgenommen fühlen", bat Bürgermeister Detlev Bührer die Nachkommen der jüdischen Familien Schwarz, Schwab, Bikart und Boss, die im Nationalsozialismus in Villingen Ausgrenzung erfuhren, deportiert und ermordet wurden. Der heute 92-jährige Heinz Schwarz überlebte zwar, wie die Enkelin seiner Pflegeeltern, Katharina Glass, im Rahmen des Festaktes erzählte, wird aber bis heute von Panikattacken gequält. Er wurde mit seinen Geschwistern Marga und Manfred von seinen leiblichen Eltern 1939 in die Schweiz und in Sicherheit geschickt.

 

Auch Pierre Bikart aus Straßburg wusste von "Narben" seines Vaters Sigmund, guter Fußballer des FC 08, zu berichten, die die Zeit nie heilte. Das Recht eines jeden Menschen, einen Namen zu haben, einen Ort Heimat nennen zu können und keine bloße Nummer zu sein, sprachen die Nationalsozialisten den aus ihrer Sicht "Asozialen", "fremdrassigen Zigeunern", "Gemeinschaftsfremden" und "Patienten" ab und hinterließen mit deren Verfolgung und Ermordung eine Narbe, "die auch in 1000 Jahren noch wahrzunehmen sein wird", so Bührer. Die Stolpersteine mache sie nun auch in Villingen-Schwenningen wieder sichtbar und gebe den Opfern wenigstens ihre Geschichten wieder.

Friedrich Engelke, Mitbegründer und Vorsitzender des Pro-Stolpersteine-Vereins, hielt noch einmal eines seiner leidenschaftliches Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit gegenüber dem Erinnern, die ihm und seinen Mitstreitern in den vergangenen acht Jahren immer wieder entgegengebracht wurde. Und er ging hart ins Gericht mit den Einsprechern, Leugnern, Relativierern und deren "zivilisierten" Vorfahren, die in einem "zivilisierten Land einen Verbrecher wählten". Bis heute gäbe es sie, "die Deutschen, die sich zu den Opfern und nicht zu den Tätern zählen". Engelke warnte davor, die Nazis mit der Stolperstein-Verlegung nun in die Geschichtsbücher zu entlassen und die Last als abgetragen zu betrachten. "Wann das soweit ist, werden uns die Nachkommen der Opfer sagen".

Nach den von Heinz Lörcher und Heinrich Schidelko erzählten Lebens- und Leidensgeschichten der Familien Schwab, Schwarz, Bikart und Boss, vor deren früheren Villinger Adressen seit Mittwoch Stolpersteine liegen, zitierte Lörcher dazu die in Israel lebende Marga Schwarz, inzwischen 94 Jahre alt: "Ich habe mit Villingen abgeschlossen. Das ist nicht wieder gutzumachen".

Die Gedenkfeier anlässlich der Deportation jüdischer Villinger ins südfranzösische Gurs findet an diesem Freitag, 22. Oktober, 19 Uhr, vor dem Villinger Bahnhof statt.