Silvia Zirlewagen und Andreas Hauser sehen als Elternbeiratsvorsitzende die permanent drohenden erneuten Schulschließungen als überaus große Belastung für die Familien. Sie haben selbst Kinder in der Unter- und Oberstufe von Realschule und Gymnasium des OHG Furtwangen.Foto: Schule Foto: Schwarzwälder Bote

Viele Familien wünschen sich mehr Präsenzunterricht, teilt das Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) mit Realschule Furtwangen in einem Schreiben mit. Die verschärfte Notbremse bringe Familien an die Grenzen der Belastbarkeit.

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Furtwangen - Noch nie waren Schüler im Pubertätsalter so froh, in die Schule gehen zu dürfen wie in der vergangenen Woche. Speziell die Klassen 7 bis 10 waren am längsten auf reinen Fernunterricht angewiesen, nämlich volle vier Monate.

Nun ist nach einer Woche der "14-tägige Wechselunterricht" aufgrund des neuen Bundesgesetzes und steigender Inzidenzen schon wieder zu Ende. Für die Hälfte der Kinder und Jugendlichen hatte er noch gar nicht begonnen.

Silvia Zirlewagen, Vorsitzende des Elternbeirats und ihr Stellvertreter Andreas Hauser vermissen schmerzlich den "roten Faden" und eine nachvollziehbare Strategie der Schulpolitik auf Landes- und Bundesebene. Die unvorhersehbaren Änderungen der Regelungen für Präsenz- und Fernunterricht in immer kürzeren Abständen führten zu extremen psychischen und sozialen Belastungen in den Familien, wie sie aus zahlreichen an sie herangetragenen Klagen der Eltern wissen. Teilweise stoßen Erziehungsberechtigte inzwischen bei ihren eigenen Arbeitgebern auf schwindendes Verständnis für zusätzliche Betreuungszeiten, die immer wieder innerhalb weniger Tage organisiert werden müssen.

Die Hauptsorge gilt aber den Kindern: Zahlreiche Eltern befürchten massive Nachteile bei ihren Kindern aufgrund von nicht mehr aufholbaren Lernlücken. Die vom Kultusministerium neu geschaffene Möglichkeit zur freiwilligen Wiederholung ohne formale Nachteile sehen die Elternvertreter nicht als Lösung, weil auf den Wiederholen und auf der ganzen Familie das Stigma des Versagens lasten würde.

Wechselunterricht sollte nicht schon wieder beendet werden

Als vorübergehende akzeptable Notlösung des Infektionsproblems sehen beide Elternvertreter den seit wenigen Tagen beschlossenen Wechselunterricht für zwei Klassenhälften im 14-tägigen Wechsel in Kombination mit den immerhin gerade noch rechtzeitig zur Verfügung gestellten Selbsttests für alle Schüler und Lehrkräfte.

Andreas Hauser vermisst aber eine langfristige Strategie der Politik, wenn die soeben noch bei Inzidenzen bis 200 für wirksam befundenen Selbsttests schon diese Woche bei Inzidenzen über 165 als unbrauchbar erklärt werden. Wenn im Landkreis die Infektionszahlen wegen eines möglicherweise überschaubaren Infektionsherds nur um wenige Prozente weiter steigen würden, müsste der 14-tägige Wechsel für alle Schüler im Kreis schon nach einer Woche beendet werden. "Die B-Gruppe hätte dann eben Pech gehabt – eine unzumutbare Ungerechtigkeit und das Gegenteil von Chancengleichheit!"

Kommendes Schuljahr bereitet schon jetzt große Sorge

"Das größte Thema für die Eltern ist die Frage, wie es nach den Sommerferien für die Kinder weitergehen soll", betont Silvia Zirlewagen. "Zunehmend mehr Eltern wünschen sich, dass die Kinder generell das Schuljahr wiederholen und nur auf Antrag versetzt werden."

Mit der nicht von der Hand zu weisenden zusätzlichen Belastung der Betreuung der eigenen Kinder im Homeschooling fühlen sich Eltern auch mit dem Druck zur Entscheidung über Versetzung und Nichtversetzung der eigenen Kinder allein gelassen. "Die einzige grobe Richtung, die seit Januar 2020 seitens des Kultusministeriums übermittelt wurde, ist, dass auch dieses Schuljahr jeder Schüler freiwillig das Jahr wiederholen darf, ohne dass er als "nicht versetzt" eingestuft wird. Diese Aussage hilft den Eltern nicht. Sie fühlen sich nicht "abgeholt" und ihre Anliegen und Sorgen nicht ernst genommen."

Silvia Zirlewagen und Andreas Hauser sehen das Kultusministerium aufgefordert, möglichst noch bis zu den Pfingstferien ein tragfähiges Konzept in Zusammenarbeit mit Schulleitern und Elternvertretern auf den Weg zu bringen.

Furtwangen. Der OHG-Schulleiter Andreas Goldschmidt äußert sich wie folgt zum Thema Fernunterricht: "Das Kultusministerium muss landesweit den Lernstoff reduzieren, um Familien nicht zu überfordern und eigenständiges Lernen zu fördern. Die aus meiner Sicht wichtigsten Gründe, weshalb die Schüler unbedingt den Präsenzunterricht benötigen, sind: Das soziale Miteinander und die Möglichkeiten, die Inhalte im Präsenzunterricht zu vermitteln, sind weitaus schülerfreundlicher und ergiebiger als durch den Fernlernunterricht." Obgleich das OHG seinen Fernlernunterricht immer weiter professionalisiere, könne dies gegenüber der Bedeutung des Präsenzunterrichts nicht aufgewogen werden.

"Das ist nicht leistbar"

"Aus vielen Rückmeldungen erfahre ich, dass die Schüler sowie auch die Eltern an ihre Grenzen stoßen. Es wird von den Schülern verlangt, dieselbe Stoffmenge im Fernlernunterricht zu erarbeiten, wie diese im Präsenzunterricht unter der Leitung einer Lehrkraft, die den Unterrichtsablauf eigens dafür organisiert, behandelt werden würde", sagt Goldschmidt weiter und betont: "Das ist nicht leistbar. Man könnte hier Erleichterung schaffen, indem die Stoffmenge reduziert wird. Das kann aber nicht die Schule selbst regeln, sondern muss landesweit geregelt werden."

Der Schulleiter ist überzeugt: "Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Dieses Prinzip wird in so vielen Bereichen angewendet und unzählige Einschränkungen vorgenommen, nicht aber bei den Bildungsplänen. Ich glaube nicht, dass sich durch die quantitative Reduzierung der Bildungspläne die Studierfähigkeit und berufliche Eignung der Schüler verschlechtern würde. Ganz im Gegenteil: Wir würden den Kindern dadurch mehr Zeit zur Verfügung stellen und Stress herausnehmen, um sich im eigenständigen Arbeiten zu üben." Der Effekt wäre für die Zukunft positiv, ist sich Goldschmidt sicher.