In Baden-Württemberg hat es 2024 laut dem Landeskriminalamt 37 vollendete Femizide gegeben. (Symbolfoto) Foto: Maurizio Gambarini/dpa

In Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr 37 Frauen getötet, weil sie Frauen sind – die Fallzahlen zu Femiziden sind steigend. Elf Prozent der Fälle betrifft Minderjährige.

Nach dem Fund zweier Leichen in Lahr vergangene Woche hat die Polizei bekannt gegeben, dass es sich bei den Toten um einen Polizisten und dessen Ex-Partnerin handelte. Der 30-jährige Mann hat mutmaßlich zuerst seine Ex-Partnerin und dann sich selbst erschossen. Die Ermittlungen zu dem Fall laufen noch.

 

Etwa jeden dritten Tag werden deutschlandweit Frauen getötet, nur weil sie Frauen sind. Sogenannte Femizide sind auch in Baden-Württemberg kein Randproblem, wie das Landeskriminalamt bestätigt. Täter sind meist nahestehende Personen wie Partner, Ex-Partner oder Familienmitglieder.

Was ist ein Femizid?

Wenn Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind, bezeichnet man das als Femizid. „Ein Femizid bezeichnet die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts oder wegen bestimmter Vorstellungen von Weiblichkeit“, erklärt Susanne Dier vom Bundesverband für Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe.

Im Gegensatz zu anderen Straftaten gegen Frauen, wie häuslicher Gewalt oder sexuelle Übergriffe, liegt laut Dier beim Femizid der Fokus auf der tödlichen Gewalt durch Männer, die aufgrund ihres Geschlechts verübt wird.

„Den Taten liegt eine, von der Annahme geschlechterbezogene, Ungleichwertigkeit gegen Frauen geleitete Tatmotivation zugrunde“, lautet die Definition des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA).

Rund elf Prozent der Opfer sind minderjährig

Insgesamt 135 Frauen und Mädchen wurden 2024 in Baden-Württemberg Opfer von Gewalt, nur weil sie Frauen sind. Für 37 weibliche Opfer endete diese Gewalt tödlich. Rund elf Prozent dieser Femizide wurde im vergangenen Jahr an minderjährigen Mädchen begangen.

In Deutschland wird ein Femizid juristisch meist als Mord oder Totschlag eingestuft. Einen juristischen Tatbestand für Femizide gibt es in Deutschland nicht – im Gegensatz zu anderen Ländern wie beispielsweise Mexiko. Eine systematische Tötung von Männern und Jungen wird als Androzid bezeichnet.

Fallzahlen um 27 Prozent gestiegen

Ob psychische, sexuelle oder körperliche Gewalt: Die geschlechterspezifischen Gewalttaten in Baden-Württemberg sind laut dem aktuellen Sicherheitsbericht des LKAs angestiegen. Rund 27 Prozent mehr Straftaten gegen Frauen hat das LKA 2024 im Vergleich zum Vorjahr registriert.

„Das Dunkelfeld ist jedoch weiterhin sehr viel höher,“ ist Dier sich sicher, „weil sehr viele Betroffene die erlebte Gewalt nicht anzeigen.“ Denn die Täter geschlechterspezifischer Straftaten sind nur in den seltensten Fällen Fremde. Meist handelt es sich um Personen aus dem engen Umfeld – wie Partner, Ex-Partner oder Familienmitglieder. Hinter Femiziden stehe oft das Bedürfnis nach Kontrolle oder Macht über das Opfer.

Wie man bei Verdacht auf Gewalt helfen kann

Beziehungsgewalt kommt laut dem LKA in allen Einkommens-, Bildungs- und Altersschichten vor. Mitunter seien auch Kinder von der Gewalt zwischen den Eltern betroffen. Solche Straftaten bleiben häufig unerkannt. Opfer schweigen aus Scham, Hilflosigkeit, Schuldgefühlen. Oft werden Übergriffe vom Opfer, aus Angst vor weiteren Gewalttaten, heruntergespielt oder verschwiegen.

Wenn man als außenstehende Person einen Verdacht auf häusliche Gewalt hat, sei es laut Dier hilfreich, konkrete Hilfe anzubieten – wie etwa die Begleitung zu einer Fachberatungsstelle. Wichtig sei es aber auch, den Betroffenen zu glauben, „weil sie zu oft die Erfahrung machen, dass ihnen nicht geglaubt wird.“ Auch als Bezugsperson oder Angehörige könne man sich in einer Fachberatungsstelle beraten lassen.

In Notsituationen bieten Frauenhäuser Schutz – doch hier gebe es insgesamt zu wenige Plätze. Denn einen gesetzlichen Anspruch auf Schutz haben Frauen, die Opfer von Gewalt werden, bisher nicht. Ob sie in einem Frauenhaus Schutz suchen können, hängt von den begrenzten Kapazitäten ab. Die Organisation von diesen Einrichtungen ist aktuell noch Aufgabe der Städte und Kommunen.

Ändern soll sich dies erst ab dem Jahr 2032: Dann soll jede gewaltbetroffene Frau einen kostenfreien Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung erhalten. Der Bund hat den Ländern hierfür 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

Hier gibt es Hilfe

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“
(116 016) bietet rund um die Uhr anonyme und vertrauliche Beratung und vermittelt an Beratungsangebote vor Ort weiter.

Das Opfertelefon des Weißen Rings bietet unter der Nummer 116 006 kostenfreie, anonyme Beratungsgespräche an (7 Tage die Woche von 7 bis 22 Uhr).

Fachberatungsstellen in der Umgebung
sind auf der Website des bff zu finden.