Es ist paradox: In diesen unsicheren Zeiten sehnen sich die Menschen nach Sicherheit und Ruhe. Doch die Zimmer in einem Haus, das ihnen das bieten könnte, stehen leer: die Feldner Mühle. Deren hoffnungsvolle Zukunft hängt am seidenen Faden.
Villingen-Schwenningen - Eine alte Mühle an einem Bach, umringt von Wiesen. Pferde, Ponys und Esel grasen auf dem Feld, Hühner rennen gackernd durchs Gras, und Schafe zermalmen in aller Seelenruhe grüne Halme.
Mit der Idylle ist es jäh vorbei
Doch blickt man in das Hauptgebäude dieser Szenerie, die Feldner Mühle, ist es mit der Idylle jäh vorbei: Die Zimmer der Freizeiteinrichtung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung stehen leer. Am Tisch in der kunterbunten, nach Fröhlichkeit schreienden Küche sitzen die Betreiberin Kathrin Mäder und ihre "rechte und linke Hand", Monja Auer, und wälzen mal wieder Probleme.
Mitarbeiterstamm geschmolzen
Coronabedingt ist der Mitarbeiterstamm von sonst acht bis zwölf auf nur noch vier geschmolzen. Schon vor der Pandemie durchlebten sie schwere Zeiten. Es begann mit dem Pflegenotstand, weswegen man kaum Mitarbeiter fand. Kopfschüttelnd erzählt Monja Auer von den Zuständen in der Branche, die noch immer andauern und wo die kleine Villinger Mühle nicht mithalten kann: "Ein Thermomix, ein iPhone, Prämien – große Anbieter versprechen Dir alles, wenn Du jemanden abwirbst."
Ein Wasserschaden setzte der 1984 renovierten Feldner Mühle zusätzlich zu – "und von dem alten Gebäude gibt es keine Pläne, wo genau die Leitungen verlaufen", schildert Mäder das Dilemma, das zur Totalbaustelle geführt hatte. In der Coronazeit türmten sich die Probleme weiter – "unser Konzept ist nicht coronakonform". Und für andere Wege könnten die Anforderungen des Heimgesetzes nicht erfüllt werden – die erforderlichen Umbaumaßnahmen wären so groß, dass sie nicht refinanziert werden könnten mit der dann geringeren Belegung der Zimmer. Immer und immer wieder stehen Kathrin Mäder und ihr Team vor neuen Problemen, orientieren sich neu, planen, rechnen, stellen Anträge – und jedes Mal tauchen neue Hindernisse auf.
Jetzt braucht sie selbst Hilfe
Kathrin Mäder lacht müde, als sie eine Odyssee nach der anderen schildert. Einen Ausweg wähnte sie in der Neuausrichtung als Kindergarten – "die Stadt hat sogar mit uns geworben". Aber das Landesjugendamt habe Probleme gesehen: keine Ebenerdigkeit, die nahe Brigach und die nur niedrigen Zäune davor, und auch, dass hinter dem Mühlengelände die Brigach nicht umzäunt ist – "das geht ja auch nicht, weil dort der Fahrradweg verläuft".
Seit 17 Jahren wirkt die heute 38-Jährige in der Feldner Mühle. Oft wird sie gelobt für ihren Idealismus und die wichtige Arbeit – hierhin bringen Familien beispielsweise ihre behinderten, pflegebedürftigen oder verhaltensauffälligen Kinder, wenn sie selbst Luft holen oder Urlaub machen möchten. Unterstützt werden die Mitarbeiter dabei von vielen Therapietieren. Doch nun, da die Feldner Mühle selbst Hilfe braucht, steht sie alleine da. Coronahilfe in fünfstelliger Höhe habe sie jüngst zurückzahlen müssen – nach dem Fehler eines Steuerberaters, "Ertrag mit Umsatz verwechselt". Eine Summe, die weh tut, denn Einnahmen fließen noch immer nicht.
Im Gespräch mit großem Träger
Dabei könnte die Feldner Mühle vielleicht – endlich – bald aufatmen: Der Landkreis sehe in der Einrichtung ein Heim für seelisch behinderte und traumatisierte Kinder – genau Kathrin Mäders Ding, eine Arbeit mit Erfüllung. Und es gebe sogar einen großen Träger, der Interesse signalisiert hat. Stadt, Kreis, Landesjugendamt, alle saßen erst neulich gemeinsam am Tisch in der Mühle, um deren Zukunft zu besprechen. Doch bis alles geregelt ist, Verträge unter Dach und Fach und anstehende Baustellen abgearbeitet sind, hängt diese Hoffnung am seidenen Faden. Es fehlt das Geld, zu überbrücken und die Mitarbeiter zu bezahlen, die längst sogar mit privaten Mitteln für die Therapietiere sorgten, wie Kathrin Mäder berichtet.
Ihr Rettungsanker könnte auch der für ukrainische Kinder und ihre Familien sein: Kathrin Mäder hat den Antrag gestellt, Kinder und Mütter aus der Ukraine aufzunehmen. Das brächte den Kriegsopfern eine Idylle, ihren Kindern ein großes Stück Unbeschwertheit – und der Feldner Mühle dringend benötigte Einnahmen. Doch ihr Angebot sei bislang ungehört geblieben. Der Ort, der Balsam für die kriegsgeplagte Seele sein könnte, steht weiter leer – und kämpft seinen ganz eigenen Kampf.
Hoffnungsschimmer
Immerhin: In der nächsten Woche soll wenigstens ein bisschen Leben in die Feldner Mühle einkehren – es ist wieder Ferienprogramm. Anmelden kann man die Kinder auf der städtischen Homepage www.villingen-schwenningen.de unter der Rubrik "Endlich Ferien". Bei schönem Wetter lädt die Feldner Mühle sonntags ab 10 Uhr an ihr kleines Kiosk ein – es gibt dort Bauernhofeis aus Tannheim, Kuchen, regionale Getränke – und immer wieder auch hübsche Floristik als Deko-Artikel zu kaufen. Zudem sollen die Bewirtungsaktionen für Vereine wieder starten – anmelden kann man sich bei der Feldner Mühle.