Das Georgenäum ist mittlerweile 150 Jahre alt. Foto: Klormann

Touristenmagnet, Bildungsstätte, Heimat der Aurelius Sängerknaben: Das Georgenäum hat seit seiner Fertigstellung im Jahr 1871 nicht nur optisch dazu beigetragen, das Bild von Calw zu prägen. Nun wurde der 150. Geburtstag des Gebäudes gefeiert.

Calw - Calw ist über seine eigenen Grenzen hinaus wegen Kunst und Natur, aber auch wegen seines pittoresken Stadtbildes bekannt. Flanieren die Gäste durch die Stadt, sorgt das Fachwerkensemble für Entzücken. Durch seinen französischen Spät-Barock-Stil unterscheidet sich ein Gebäude prägnant von allen anderen: das Georgenäum. Nun wurde im Konzertsaal des beeindruckenden Bauwerkes aus dem Jahre 1871 dessen 150. Geburtstag gefeiert.

Zur Feierlichkeit: Durch die Hygiene- und Abstandsregeln wurde der Zuschauerkreis von vorne herein stark eingeschränkt. Gemeinsam mit dem Bürgermeister der Partnergemeinde Collina d’oro, Andrea Bernadazzi lauschten vor Ort zwei Dutzend Menschen einer gelungenen Melange musikalischer Leckerbissen, dargeboten von den Aurelius Sängerknaben. Musikschulleiter Olaf Kerkau begrüßte Calws Oberbürgermeister Florian Kling, den Althengstetter Schultes, Clemens Götz, sowie die städtische Fachbereichsleiterin für Kunst, Bildung und Kultur, Isabel Götz. Doch der Zuschauerkreis war letztendlich wesentlich größer. Das Internet macht’s möglich: Kerkau hieß die "vielen Menschen zu Hause an Computern und Laptops, die per Youtube-Live-Stream zusehen", willkommen.

Kerkau referierte einen historischen Abriss der (erkrankten) Stadtarchivarin, Maria Gramlich; der eigens zum Jubiläumsanlass geschaffen worden war. Im Lichtbildvortrag erfuhr man, dass Generalkonsul Emil von Georgii Georgenau und Ehefrau Sophie Emilie seiner Geburtsstadt nicht nur mit dem stattlichen Haus, sondern auch mit Geldmitteln in der eigens gegründeten Stiftung dafür sorgen wollte, dass in dieser "Pflanzstätte wahrer und vielseitiger Volksbildung" "vorzugsweise die Fortbildung der Jugend ausgeübt wird." Kerkau und Kling hoben hervor, dass die Teilnahme für Jungen und Mädchen erlaubt war. Die Stifter gaben auf diese Weise Mädchen die Möglichkeit zur außerhäuslichen Fortbildung. Es war ein gesellschaftliches Novum und zu dieser Zeit (1872) fortschrittlich, denn Mädchen war das in der Regel nicht erlaubt.

Damals diente das Georgenäum auch als Tourismusmagnet. Alte Berichte bezeugen: "Wesentlich daran schuld, dass Tausende von Gästen Calw besuchten, war die neu errichtete Eisenbahn. Diese besuchten das Georgenäum, die Zierde unserer Stadt." Ein gewisses Maß an Heiterkeit sorgte ein Zitat aus der Lokalzeitung vom 3. September 1878: "Die zahlreichen Stuttgarter, die ihren Sonntag dazu benutzen, in der frischen Schwarzwaldnatur sich zu erquicken, sind vor ihrer Rückkehr mit dem Zug zu einem zweistündigen Aufenthalt in Calw gezwungen." Um dann den Weg hoch zum Georgenäum zu beschreiben.

Ein Ziel für Touristen ist das Georgenäum weiterhin. Oberbürgermeister Klings Worten zufolge zieht das Bauwerk "regelmäßig, als Krone im Herzen der Stadt, die Blicke von Tausenden von Gästen auf sich, die vom herrlichen Stadtgarten aus Wanderungen in den Schwarzwald beginnen." Apropos Stadtgarten: "Dieser wird demnächst mit circa 1,5 Millionen Euro inklusiver üppiger Zuschüsse neu erlebbar gestaltet werden", so Kling. Der OB erinnerte daran, dass früher im Georgenäum "praktisches Wissen, Themen wie Buchführung, Korrespondenz und kaufmännisches Rechnen, aber auch Kleidernähen und Sticken bis in die 1960er-Jahre gelehrt wurde, bevor dann die Berufsschulen gegründet wurden."

Kerkau und Kling sind sich einig: Bis heute ist der eigentliche und verbriefte Stiftungszweck "Bildung" mit Leben gefüllt. Ist doch seit 1999 das Georgenäum die Heimat der Aurelius Sängerknaben. Kling berichtete, dass das Georgenäum damals unter den Vorgaben des Denkmalschutzes renoviert worden war, um dann dem Chor mit seinem Gründer Hans-Jörg Kalmbach ein Zuhause zu geben. Bis es soweit war, soll es im Gemeinderat "damals hoch her gegangen sein". "Mit eine der Haupttreibenden soll Irmhild Mannsfeld gewesen sein, die ja heute noch als Stadträtin tätig ist", so Kling. Fest steht: Die Aurelianer seien "das kulturelle Aushängeschild über die Grenzen Calws hinaus".

Wieso die Aurelianer als gefragter Klangkörper im Lande bekannt sind, ließen die jungen Buben und Männer in mehreren Musikvorträgen hören. Deren musikalischer Leiter Bernhard Kugler hat eigens zum Jubiläum zur Inschrift, die auf einem Wappen im Hause zu lesen ist (Memento vires tuas deberi patriat), ein passendes Musikstück komponiert. Das dann von den Männerstimmen, unterstützt durch Bernhard Kugler sowie von Gesangslehrer Andreas Kramer, kräftig wie gefühlvoll intoniert wurde.

Das musikalische Programm, alles wurde von Erika Schimoda am Klavier begleitet, war bewusst in eine Dramaturgie gekleidet. Diese zeigte auf, wie die gesangliche Entwicklung vom kleinen Jungen bis zur Endstufe voranschreitet. Die Kleinen im Nachwuchschor begannen mit drei schwungvollen Stücken aus Südamerika, von Chris Portele und Walter Geiger. Zu hören waren dann Stücke von Ingo Bredenbach, Giulio Caccini sowie Auszüge aus dem "Elias" von Mendelssohn-Bartholdy. Zelebriert von besonders begabten Schülern, die im Chor als Solisten ausgebildet werden. Nolan Schmid, Remus Werner, Philippe Tsouli und Moritz Mahler offerierten mit ihren Solobeiträgen Stimmungen in Tenorhöhen und Basstiefen und malten herrlichste Klangfarben in den stimmungsvollen Georgenäumsraum.

Eine junge Dame sang ein Solo aus Mozarts "Voi che sapete". Lea Blaich ist zwar keine Aurelianerin per se, vielmehr eine der "externen Schüler und Schülerinnen, die eine klassische Gesangsausbildung an der Musikschule" genießt, klärte nach dem Konzert Antje Häusser auf. "Außerhalb des Aurelianerchores kann jeder, der singen lernen möchte, dies in unserem Hause tun", so die Leiterin des künstlerischen Betriebsbüros. Denn immerhin sind die Aurelianer Teil der renommierten Calwer Musikschule.

Wer die Veranstaltung verpasst hat: Der Youtube-Stream ist immer noch auf Youtube zu sehen. Mittlerweile haben weit mehr als 200 Zuschauer der Jubiläumsveranstaltung online beigewohnt.