Pestel-Institut und Mieterbund sind sich einig: Auch in der Ortenau fehlt es an Wohnraum. Foto: Heimken

Das Pestel-Institut schlägt Alarm: 2045 sollen in der Ortenau 24 000 Wohnungen für Senioren gebraucht werden – die „graue Wohnungsnot“ drohe. Der Mieterbund sieht derweil ein viel allgemeineres Problem.

„Der Ortenaukreis kommt in die Jahre – und ist auf das Wohnen der älteren Menschen nicht vorbereitet“, betont das Pestel-Institut aus Sarstedt bei Hannover in einer Mitteilung.

 

Denn die Baby-Boomer gehen bis 2035 in Rente, dann sollen in der Ortenau rund 22 500 Menschen mehr im Ruhestand sein als heute – insgesamt rund 114 800. Das geht aus einer Regional-Untersuchung des Pestel-Instituts im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandels (BDB) hervor.

„Der Wohnungsmarkt im Ortenaukreis ist mit der neuen Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge komplett überfordert. Es fehlen Seniorenwohnungen“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Schon jetzt gebe es einen „massiven Mangel“ an altersgerechten Wohnungen.

Bis 2035 sollen im Kreis 24 000 Seniorenhaushalte existieren

Das werde sich noch verschlimmern. Der Leiter des Pestel-Instituts nennt dazu konkrete Zahlen: So gebe es aktuell rund 198 400 Haushalte in der Ortenau. In 35 Prozent davon lebten Senioren. „Bereits heute braucht der Ortenaukreis rund 16 000 Wohnungen für die älteren Menschen“, sagt Günther. Doch die gebe der Markt im Kreis bei weitem nicht her.

Für 2045 ermittelt die Untersuchung einen Anstieg: So werde der Kreis dann für rund 24 000 Seniorenhaushalte Wohnungen brauchen. Eigentlich sei der Bedarf sogar noch höher: „Denn ein Großteil der altersgerechten Wohnungen wird noch nicht einmal von Älteren bewohnt“, betont Günther. Oft nutzten auch Familien den Komfort einer barrierefreien Wohnung.

Mieterbund mahnt bereits seit Jahren Bauoffensive an

Der BDB nutzt die Untersuchungsergebnisse, um die künftige schwarz-rote Bundesregierung – freilich wohl nicht ohne eigene Interessen – auf eine Sanierungs- und Bauoffensive einzuschwören. „Das Wohnen muss bei den Koalitionsverhandlungen ein absoluter Schwerpunkt sein. Der Wohnungsbau braucht einen gewaltigen Schub“, fordert BDB-Präsidentin Katharina Metzger. „Es ist wichtig, dass die CDU und die SPD im Ortenaukreis dieses ‚SOS-Notsignal fürs Wohnen‘ deutlich nach Berlin funken.“

Beim Deutschen Mieterbund Offenburg-Lahr scheinen BDB und Pestel-Instut mit ihren Untersuchungsergebnissen grundsätzlich offene Türen einzurennen. „Dass die Baby-Boomer 2025 langsam ins Rentenalter kommen, ist seit 60 Jahren bekannt. Folglich werden auch mehr altersgerechte Wohnungen benötigt“, erklärt Guido Schmidt, für den Verein tätiger Jurist, auf Anfrage unserer Redaktion.

In jedem Marktsegment herrsche Wohnungsnot

Das Problem ist laut Mieterbund größer: Die Wohnungsnot gelte seit Jahren für jedes Segment des Markts, ohne dass die Politik das sonderlich interessiere. Der Mieterbund Offenburg-Lahr selbst hat immer wieder auf die sich zuspitzende Situation hingewiesen. Auch für junge Familien seien viele Mieten ein K.O.-Kriterium, betont Schmidt erneut. „Richtiggehend gefährlich“ erachte er die „latente Tendenz, ‚Alt gegen Jung‘ auszuspielen“, kritisiert er. „Junge Familien sind froh, wenn sie überhaupt eine Wohnung finden, die groß genug für drei oder vier Personen ist.“

Der Appell des Prestel-Instituts sei grundsätzlich zu begrüßen. Es dürfe dabei aber nicht verkannt werden, dass die Forderung nach barrierefreiem Bauen den Wohnungsbau gegebenenfalls eher bremst, da die Baukosten dadurch noch weiter steigen, so Schmidt.

Das massive Wohnungsmarktproblem dürfe unterm Strich nicht auf einzelne Personengruppen bezogen werden. „Es muss im Großen angegangen und daher in dieser Form thematisiert werden“, fordert Schmidt. Natürlich müssten mehr altersgerechte Wohnungen gebaut werden. „Dies muss aber einhergehen mit einer generellen Neubau- und Sanierungsoffensive“, so der Wohnungsmarktexperte.

Rentner leben günstiger?

Die Untersuchung des Pestel-Instituts nimmt auch das Portemonnaie der Senioren ins Visier: So liegt die durchschnittliche Kaltmiete im Kreis bei rund 6,80 Euro pro Quadratmeter. 66 Prozent der Seniorenhaushalte, die zur Miete wohnen, leben sogar günstiger. Rund 13 100 Haushalte, in denen Ältere leben, zahlen weniger als den Durchschnitt.