Hans-Ulrich Rülke war zu Besuch in Oberndorf. Foto: Braun

Der FDP-Landtags-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach mit unserer Redaktion über Corona, die Energiekrise – und eine todsichere "Tatort"-Rolle.

Oberndorf - Im Gespräch mit Chefredakteur Constantin Blaß und seinem Stellvertreter Jörg Braun stellte sich Hans-Ulrich Rülke (Pforzheim), FDP-Fraktionschef im Landtag, wie schon 2021 den Fragen unserer Redaktion. Hans-Ulrich Rülke über...

...die Energiekrise und die Gefahr von Insolvenzen:

Rülke befürchtet, dass im Herbst und Winter einige Unternehmen aufgrund von Energiepreissteigerungen Insolvenz anmelden müssen und vom Markt verschwinden werden. Vor allem Unternehmen in energieintensiven Branchen seien "im höchsten Maße" gefährdet. Aber auch sämtliche andere Branchen seien von den gesteigerten Preisen betroffen. Laut Rülke sei davon auszugehen, dass deshalb auch Arbeitsplätze in erheblichem Umfang verloren gehen könnten. Die Politik werde es jedoch nicht schaffen, "sämtliche Preissteigerungen wegzusubventionieren". Ziel der Politik müsse es dennoch sein, "alles zu tun, um die hohen Energiepreise wieder einzufangen".

Er finde es trotzdem wichtig, keine Panik zu schüren. In diesem Punkt kritisiert er den Chef der Netzagentur, Klaus Müller. Dieser habe ihm im Juli beim Gasgipfel in Stuttgart erklärt, es sei völlig unmöglich, die notwendigen Füllstände zu erreichen. Kürzlich vermeldete das Bundeswirtschaftsministerium jedoch, dass bei den Füllständen der Speicher die Marke von 85 Prozent schon überschritten sei. Rülke wirft Müller "Panikmache" vor. "Alle wissen, dass Markt auch etwas mit Psychologie zu tun hat. Und wer derartig Panik schürt wie Herr Müller, der leistet auch einen Beitrag dazu, dass die Preise explodieren", meint Rülke.

...die Debatte um einen weiteren Betrieb von Atomkraftwerken in Deutschland:

Die deutschen Atomkraftwerke abzuschalten, hält Rülke im Zusammenhang mit der aktuellen Lage nicht als zielführend. Ein Streckbetrieb ist ihm jedoch zu wenig. Stattdessen fordert er sogar, neue Brennelemente zu bestellen, um den Betrieb aller deutschen Atomkraftwerke mindestens bis ins Jahr 2024 verlängern zu können. Man müsse in der aktuellen Situation alle vorhandenen Energiequellen ausschöpfen. "Für Baden-Württemberg sind Kernkraftwerke alles andere als marginal. Wir haben aktuell 25,1 Prozent der Stromerzeugung aus dem Kernkraftwerk Neckarwestheim", gibt Rülke zu bedenken.

...Fracking in Deutschland:

Man müsse darüber nachdenken, wo in Deutschland überall Fracking möglich sei. "Man kann nicht einfach Denkverbote verhängen." Fracking ist eine Methode zum Fördern von Erdgas und Erdöl. Dabei denkt er auch an bestimmte Gebiete mit Gasvorkommen nordöstlich des Bodensees. Auch Schiefergasvorkommen in der Nordsee könnten seiner Meinung nach geprüft werden. Wichtige Fragen seien dabei nur, ob die Gewinnung zu einem vertretbaren Preis möglich sei und ob es ökologisch verantwortbar sei. Eine grundsätzliche Ablehnung von Fracking in Deutschland sei nicht sinnvoll, wenn dann aber gefracktes Gas aus den USA bezogen werde.

...Energiespartipps von Kretschmann und Habeck:

Über die Energiespartipps von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck oder dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (beide Grüne) kann Rülke nur lachen. Habeck hatte sich für kürzeres und kälteres Duschen ausgesprochen. Kretschmann sagte, auch der Waschlappen sei eine brauchbare Erfindung. „Solche Vorschläge kann niemand ernst nehmen. Das hilft ja auch nicht wirklich weiter“, meint der FDP-Politiker. Sie führten nämlich nicht zu einem sparsameren Verbrauch. Dazu hat er auch Zahlen parat: Im Juli 2022 habe der Gasverbrauch in Baden-Württemberg nur rund drei Prozent weniger als im Vorjahresmonat betragen.

...die Corona-Pandemie und die Maskenpflicht:

"Ich hoffe, dass Corona endemisch wird, hoffentlich sind wir sogar schon an dem Punkt", sagt Rülke. Aktuell stuft er die Gefährdung der Bevölkerung bei einer Infektion jedoch als gering ein, die Lage habe sich entspannt. "Aus meiner Sicht kann man Corona mittlerweile in etwa so behandeln wie die jährliche Grippevariante". Daher sind für ihn aktuell keine freiheitseinschränkenden Corona-Maßnahmen nötig. "Das heißt aber nicht, dass man sich jetzt zurücklehnen kann und sagen kann, Corona ist unter allen Umständen vorbei", warnt Rülke. Für den Fall einer virulenteren Corona-Variante könnte trotzdem die Möglichkeit geschaffen werden, mit milderen Maßnahmen zu reagieren. Beispielsweise nennt er die Maskenpflicht in Gaststätten.

Anders als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erachtet Rülke eine Maskenpflicht in Bussen und Bahnen aktuell nicht mehr für nötig. Lauterbach hatte vor kurzem das geplante vorläufige Aufheben der Corona-Maskenpflicht in Flugzeugen gerechtfertigt, für Busse und Bahnen aber daran festgehalten. Die FDP hingegen hätte laut Rülke gerne alle Maskenpflichten abgeschafft.

...die einrichtungsbezogene Impfpflicht:

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht macht nach Ansicht von Rülke keinen Sinn. Er sagt voraus, dass die Regelung nicht verlängert wird. "Als die einrichtungsbezogene Impfpflicht Ende 2021 diskutiert wurde, muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich sie für vertretbar gehalten habe, weil ich damals noch glaubte, dass die Impfung auch vor einer Ansteckung schützen könnte", gibt er zu. "Inzwischen wissen wir aber, dass die Impfung nicht oder allenfalls, dann nur sehr kurz vor Ansteckung schützt, sondern nur vor einem schwereren Verlauf", so Rülke weiter. Daher nütze eine Impfpflicht in allen Formen nichts.

Obwohl er die Impfung befürworte und sich im Herbst zum vierten Mal gegen Corona impfen lasse, sagt Rülke: "Es ist Blödsinn, die Leute zur Impfung zu zwingen, wenn die Pandemie dadurch nicht beendet werden kann". Seiner Meinung nach sollten die Menschen selbst entscheiden können, ob sie sich impfen wollen. Bei dieser Entscheidung sollte der Staat die Bürger nicht zu etwas zwingen.

...Demonstrationen und Unruhen in der Bevölkerung:

Im Zuge der Corona-Krise gingen regelmäßig Menschen auf die Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren. Mit dem Auslaufen der harten Corona-Maßnahmen hat Rülke inzwischen kein Verständnis mehr dafür. Diejenigen, die jetzt noch demonstrieren, würden dies nicht tun, weil sie mit politischen Entscheidungen unzufrieden sind, sondern alleine des Demonstrierens wegen. "Die beschließen erst die Demonstration und überlegen sich dann, wogegen", meint Rülke schmunzelnd. Er erwartet, dass es jetzt auch Menschen gibt, die gegen die hohen Energiepreise demonstrieren und dadurch ihrem Unmut gegenüber der Politik freien Lauf lassen. Auch die Ukraine-Politik werde mittlerweile kritisiert. Diese Situation komme dann wiederum Parteien wie der AfD entgegen. "Die, die ihren politischen Honig daraus saugen, sind dann leider schnell zur Stelle".

...den baden-württembergischen Doppelhaushalt 2023/2024:

Anfang der Woche hatte sich die grün-schwarze Koalition auf den Doppelhaushalt 2023/2024 geeinigt. Er wolle sich den Haushaltsplan zunächst mal anschauen, bevor er etwas daran kritisieren könne. Es sei jedoch nachvollziehbar, dass weitere Stellen im Bildungsbereich gefordert werden. "Was die Landesregierung seit dem Amtsantritt von Winfried Kretschmann noch nie getan hat, ist zu sparen", wird Rülke dennoch deutlich. Der baden-württembergische Ministerpräsident habe elf Jahre lang von der guten wirtschaftlichen Lage, ständig steigenden Steuereinnahmen und hohen Geldern vom Bund profitiert. Das habe dazu geführt, dass Kretschmann immer Geld ausgeben konnte.

Dass darüber diskutiert wird, die Schuldenbremse aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage auszusetzen, hält Rülke für falsch. "Die Schuldenbremse wurde nicht als Schönwetterinstrument beschlossen", das man nur verwendet wenn es gerade passt, meint er. Auf die Frage, an welcher Stelle er im Haushalt sparen würde, nannte Rülke diverse Subventionen und Landesprogramme, die durchaus diskutierbar seien, wie etwa die Förderung der Elektro-Mobilität.

...sein Auto und die Elektro-Mobilität:

Für ein reines Elektro-Auto kann sich Rülke nicht begeistern. Der Akku würde für die langen Strecken, die er fährt, nicht ausreichen. Auch von Hybrid-Fahrzeugen hält er nicht viel, weil die meisten Hybrid-Autos dann doch mit Kraftstoffen gefahren werden würden. "Und dann fährt man die schwere Batterie spazieren." Daher fahre er einen Diesel. Rülke sieht die Verbrenner jedoch noch nicht als ausgestorben an. Neben der Batterie brauche es zusätzliche Alternativen im Bereich der Mobilität. Als eine solche sieht er umweltfreundliche Verbrennermotoren an, die etwa mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Rülke warnt vor einer zu großen Abhängigkeit von China im Bereich von Batterien. "Etwa zwei Drittel der Batteriekomponenten kommen aus China", meint Rülke.

...eine Nachfolge für das Neun-Euro-Ticket:

Im Zuge des angekündigten dritten Entlastungspakets teilte die Bundesregierung mit, dass es eine Nachfolge für das Ende August ausgelaufene Neun-Euro-Ticket geben soll. Dieses soll bundesweit gültig sein und zwischen 49 bis 69 Euro im Monat kosten. Der Bund soll sich dabei mit 1,5 Milliarden Euro beteiligen, wenn die Länder den selben Betrag beisteuern, hieß es. Rülke sieht darin ein Angebot an die Länder. Seine Empfehlung an die Landesregierung lautet, dieses auch anzunehmen.

Auf Baden-Württemberg kämen wohl rund 200 Millionen Euro an Kosten zu, überschlägt Rülke. Als großen Vorteil sieht er neben der Entlastung der Bevölkerung im Bereich Mobilität vor allem eine Vereinfachung des "Tarif-Dschungels" im öffentlichen Nahverkehr. Mit dem geplanten Ticket soll es nämlich möglich sein, bundesweit unterschiedliche Tarifzonen mit nur einem Ticket zu befahren. Eine solche Lösung sei jedoch "nicht dauerhaft finanzierbar und auch nicht der Stein der Weisen", gibt Rülke zu bedenken.

...eine Rolle im "Tatort":

In einem Interview mit Regio TV wurde Rülke kürzlich gefragt, welche Rolle er gerne in einem Film spielen würde. Seine Antwort darauf lautete, er wäre gerne mal das Opfer im "Tatort". Denn das sei eine Rolle, die er in der Politik sonst selten spiele. "Bisher hat sich der SWR noch nicht gemeldet", sagt Rülke auf Nachfrage unserer Redaktion. Sollte er wirklich ein Angebot erhalten, würde er auf jeden Fall zusagen.