Die einzige verbleibende große Gnu-Wanderung ist die Große Wanderung in der Serengeti-Mara. Foto: Imago/Imagebroker

Die jährliche Wanderung von mehr als einer Million Gnus in der ostafrikanischen Savanne ist ein faszinierendes Schauspiel. Auf vielen früheren Routen gibt es inzwischen Barrieren. Straßen und Zäune haben Folge für die Gesundheit der Tiere.

Jedes Jahr wandern mehr als eine Million Gnus in der ostafrikanischen Savanne zwischen der tansanischen Serengeti und der Masai Mara in Kenia. „The Great Wildebeest Migration“ – Die Große Gnu-Wanderung – gehört zu den spektakulärsten Tier-Schauspielen auf der Erde.

 

Inzwischen unterbrechen allerdings Straßen, Zäune und menschliche Siedlungen alte Migrationsrouten auf dem afrikanischen Kontinent. Das habe Auswirkungen auf die genetische Gesundheit von Tieren, die von den historischen Wanderrouten abgeschnitten wurden, berichtet ein Forscherteam im Fachjournal „Nature Communications“.

Geringere genetische Vielfalt, mehr Inzucht

„Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass Gnus, die nicht länger wandern, obwohl sie das früher getan haben, genetisch weniger gesund sind als diejenigen, die weiterhin wandern“, sagt Rasmus Heller von der Universität Kopenhagen. Ihre genetische Vielfalt sei geringer, es gebe mehr Inzucht innerhalb der Herde. Die Wissenschaftler vermuten, dass dies auch Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit und Überlebensrate der Tiere hat.

Vor 150 Jahren hätten noch viele Gnu-Populationen große Wanderungen unternommen, erläutert das Forschungsteam. Vor 40 Jahren habe dann nur noch zwei große intakte Wanderungen gegeben - die berühmte in der Serengeti-Mara und eine in der Kalahari-Wüste im südlichen Afrika.

„The Great Wildebeest Migration“

Gnus sind eine Gattung afrikanischer Antilopen, die in großen Herden leben und zur Gruppe der Kuhantilopen gehören. Foto: Imago/Pond5 Images
Der Bestand betrug zu Beginn des 21. Jahrhunderts rund 1,5 Millionen Gnus. Foto: Imago/Zuma Wire
Die Wanderung der Serengeti-Weißbartgnus, der zahlenmäßig stärksten Art innerhalb der Gattung, ist einer der auffälligsten Tierzüge der Welt. Foto: Imago/Imagebroker
Die Gnus ziehen in einer riesigen Kolonne nordwärts über den Mara-Fluss in die Masai-Mara-Ebene in Südkenia. Foto: Imago/Pond5 Images
Bei der dabei notwendigen Überquerung des Mara-Flusses werden die Gnus von Krokodilen erwartet, die hunderte von ihnen erbeuten. Foto: Imago/Zuma Wire
Die Tragzeit der Gnus beträgt etwa neun Monate. Anschließend wird ein einziges Junges geboren, das für weitere neun Monate gesäugt wird. Foto: Imago/Pond5 Images
Zu den Fressfeinden der Gnus zählen Löwen, Leoparden, Hyänen und der Afrikanische Wildhund sowie Krokodile. In der Regel sind es Jungtiere sowie kranke Gnus, die von Prädatoren geschlagen werden. Foto: Imago/Cavan Images
Flucht ist das typische Verhalten bei angreifenden Fressfeinden. Fliehende Gnus erreichen eine Geschwindigkeit von bis zu 80 Stundenkilometern. Foto: Imago/Pond5 Images

„Vor allem in Botswana wurden jedoch in jüngster Zeit Zäune errichtet, um das Vieh vor dem Kontakt mit wandernden Wildtieren zu schützen“, erläutert Mitautor Mikkel Sinding von der Universität Kopenhagen. Die Kalahari-Population in Botswana sei von etwa 260 000 in den 1970er-Jahren auf weniger als 15 000 in den späten 1980er-Jahren zurückgegangen. „Heute ist die einzige verbliebene große Population die der Serengeti-Mara.“

Wanderungen sind ein wesentlicher Teil der Wildtier-Biologie

Für die Studie hatten die Forschenden die Gene von 121 Gnus aus dem gesamten Verbreitungsgebiet von Südafrika bis Kenia analysiert. Während die Zahl der Tiere insgesamt relativ stabil und die Art nicht gefährdet sei, habe die Zahl an einzelnen Orten stark abgenommen, heißt es.

„Wenn wir wollen, dass die Art nicht nur die nächsten 50 Jahre überlebt, sondern auch langfristig gedeiht und überlebt, müssen wir den genetischen Verfall stoppen, der durch die Unterbrechung ihrer natürlichen Wanderrouten verursacht wird“, betont Heller.

Die Untersuchung zeige, dass wilde Tiere, für die Wanderungen ein wesentlicher Teil ihrer Biologie sind, in einer von Menschen dominierten Welt zu kämpfen haben, wenn der Bewahrung ihrer alten Migrationsrouten keine Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Dies dürfte nicht nur für Gnus gelten, sondern auch für andere wandernde Tierarten, so Heller. Langfristig sei davon auszugehen, dass sich Tierarten mit geringerer genetischer Vielfalt zudem schlechter an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen können.