Abschied einer Baaremer Fußball-Legende. Günter Limberger (Mitte) läuft letztmals als Kapitän des FVD auf den Platz. Der Bundesligist SC Freiburg kam zum Abschiedsspiel des Grüningers. Foto: Archiv: Zäbisch

Fußball: Absturz - Einst Profischmiede, jetzt Problemfall. Schulden und nicht greifbare Verantwortliche statt Torjubel.

Donaueschingen - Bundesweit wird vor allem im Fußball aktuell gern von Traditionsvereinen gesprochen, die eine glänzende Geschichte aber oftmals eine eher trostlose Gegenwart haben.

Klubs wie Rot-Weiss Essen oder der 1. FC Kaiserslautern stehen dafür als Paradebeispiele. Auf der Baar erfüllt der FV Donaueschingen exakt diese Kriterien eines Traditionsvereins.

1920 als FC Donaueschingen gegründet, steht der Verein kurz vor seinem 100. Geburtstag. Bitter nur: Es wird diesen Geburtstag wohl kaum geben, denn der Verein ist von der Bildfläche verschwunden. Zurückgeblieben sind Schulden, kaum greifbare, aber gewählte Funktionäre und vor allem bei Mitgliedern viel Wut und Enttäuschung.

Als Nummer zwei hinter dem FC 08 Villingen hatte sich der FV Donaueschingen in den vergangenen Jahrzehnten im Schwarzwald-Baar-Kreis etabliert. Mehr noch: In Donaueschingen gaben sich die Bundesligisten bei Freundschaftsspielen die Klinke in die Hand. Bayern München, Borussia Dortmund, Werder Bremen oder der SC Freiburg – alle gastierten sie im Anton-Mall-Stadion. Es kamen Spieler wie Oliver Kahn, Mehmet Scholl, Franck Ribéry, Luca Toni, Mats Hummels, Sebastian Kehl oder Trainer wie Ottmar Hitzfeld, Thomas Schaaf, Felix Magath und Jürgen Klopp.

Zudem schafften gleich mehrere FV-Spieler den Sprung in den Profibereich. Souleymane Sané, Vater des heutigen deutschen Nationalspielers Leroy Sané, Martin Braun, Markus Schuler, Ali Günes und einige andere wurden zu festen Größen in der Fußball-Bundesliga. Die größten sportlichen Erfolge fielen die Ära des Vorsitzenden Werner Manz (1978 bis 1994).

Vor allem unter Trainer Dieter Rinke feierte der Verein in den neunziger Jahren Erfolge, die weit über die baden-württembergischen Landesgrenzen hinaus für Aufsehen sorgten. So beschäftigten sich gleich mehrere rheinische Medien mit dem FVD, als dieser dem 1. FC Köln 1996 als Erstrundengegner im DFB-Pokal zugelost wurde. Weit über 5000 Zuschauer ließen sich die Partie im Anton Mall-Stadion nicht entgehen. Wegen des großen Andrangs und dem bundesweiten Interesse wurden sogar einmalig zusätzliche Stahlrohrtribünen hinter den Toren aufgestellt.

Dem Grüninger Günter Limberger war es vergönnt, gegen den damaligen deutschen Nationalschlussmann Bodo Illgner bei der achtbaren 1:3-Niederlage den einzigen DFB-Pokaltreffer der FVD-Historie zu erzielen. Dem langjährigen Torjäger und Kapitän wurde eine Profikarriere zugetraut. Vor dem Köln-Spiel hatte der SWR sogar eine Homestory gedreht. Doch Limberger setzte auf die berufliche Perspektive und ist heute ein angesehener Architekt.

Nicht zuletzt wegen der vielen Spiele gegen Bundesligisten, der FVD profitierte natürlich von deren Trainingslagern im Öschberghof, hatte der Verein auch durch Zusatzeinnahmen eine ausgezeichnete Perspektive.

Doch daraus wurde nichts. Häufig wechselnde Funktionäre, Abgänge von etablierten Spielern, kaum Eigengewächse, die den Sprung von der eigenen Jugend in die erste Mannschaft schafften, und wohl auch zu hohe Ablösesummen für neue Spieler sorgten dafür, dass vor sechs Jahren der Niedergang begann. 2012 wurde die erste Mannschaft aus der Verbandsliga abgemeldet. Dem Neuanfang in der Landesliga mit Platz zehn folgte zwölf Monate später der Abstieg in die Bezirksliga. Mitten in der Saison 2015/16 gab es auch dafür keine spielfähige Mannschaft mehr. Wieder folgte der Rückzug und seither bestritt der FVD kein Punktspiel mehr.

Mit dem sportlichen Niedergang verdeutlichte sich zudem immer mehr eine Führungsschwäche. Zwischen 2010 und 2015 blieb die Position des ersten Vorsitzenden vakant. Interimsmäßig wurde der Verein zwar weiterhin geführt, doch erst 2015 bot sich mit Joachim Hall wieder ein Mann für den Vorsitz an, der auch gewählt wurde. Mit im Gepäck ein neuer Kassenchef und ein Spielausschussvorsitzender.

Die große Aufbruchstimmung war jedoch nur von kurzer Dauer. Hohe Verbindlichkeiten und keine Spieler für eine konkurrenzfähige Mannschaft ließen den FV Donaueschingen nicht mehr auf die Beine kommen. Das leise und langsame Sterben des Fußballvereins gewann an Fahrt. Das einstige sportliche Aushängeschild der Baar verschwand aus der Öffentlichkeit.

Fortan beschäftigten sich andere Institutionen mit dem Patienten FVD. Ende Juli 2017 stellte die Stadt Donaueschingen einen Antrag auf Insolvenz beim Insolvenzgericht in Villingen, da der Verein bei der Stadt noch Außenstände hat. Diese belaufen sich offenbar auf einen hohen vierstelligen oder niedrigen fünfstelligen Betrag.

"Das Problem ist", sagt Donaueschingens Oberbürgermeister Erik Pauly, "dass aktuell der gewählte Vorstand und der Vorsitzende nicht greifbar sind. Wir haben diesbezüglich einen Anwalt beauftragt, der jedoch auch nicht vorankommt." Im Juli 2015 gab es letztmals eine Mitgliederversammlung. Joachim Hall wurde als Vorsitzender gewählt. Wo er sich aktuell aufhält, weiß niemand.

Für den Donaueschinger OB ist der Niedergang des FVD "sehr traurig". Ob es nun zu einem Notvorstand oder ganz zur Auflösung des Vereins kommt, ist gegenwärtig offen. Die Auflösung scheint indes wohl kaum mehr aufzuhalten zu sein.

Info

Der FVD

Der FV Donaueschingen wurde 1920 als FC Donaueschingen gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte der Verein als Spvgg und später als SV Donaueschingen. 1972 kam es zur Fusion des SV mit den Sportfreunden Rot-Weiss zum FV Donaueschingen. Langjährige Spielstätte war das Anton-Mall-Stadion im Haberfeld.

1988 Südbadischer A-Jugendmeister und südbadischer Pokalsieger: Seit der Vereinsgründung war und blieb es der größte Erfolg des FV Donaueschingen in der Jugendarbeit. Die Mannschaft wurde mit 62:15 Toren und 36:8 Punkten südbadischer Meister. Vor 4000 Zuschauern spielte die Jugend-Elf im ersten Spiel um die deutsche Meisterschaft und unterlag im Mall-Stadion im Elfmeterschießen.

1994 Verbandsliga-Meister und Aufstieg in Oberliga Baden-Württemberg: Sportlich war der Aufstieg in die Oberliga der bis dahin größte Erfolg. Im Oberhaus traf der FVD unter anderem auf den heutigen Zweitligisten SV Sandhausen, die Amateure des VfB Stuttgart und des Karlsruher SC oder den VfR Aalen. Nach 32 Spieltagen stand der FVD bei je sechs Siegen und Unentschieden auf dem letzten Platz und musste nach nur einer Saison zurück in die Verbandsliga.

1996 Südbadischer Pokalsieger: Im Endspielort Emmendingen trumpfte der FVD ganz groß auf. Der heutige Oberligist SV Oberachern wurde im Finale mit einem klaren 5:1-Erfolg bezwungen. Unter den etwa 500 Zuschauern war die Mehrzahl von der Baar mitgereist und feierte danach den großen Erfolg mit der Mannschaft.

1996 DFB-Pokalspiel gegen den 1. FC Köln: Der FVD begann mit Bernhard Wolf, Jörg Kienast, Stefan Kälble, Maik Friedrich, Christoph Brugger, Uwe Baumann, Christoph Neufeld, Markus Knackmuß, Ronny Herder, Günter Limberger und Jörg Klausmann. Nach dem 0:1 (in der fünften Minute) durch Munteanu traf Günter Limberger (40.) zum umjubelten 1:1-Halbzeitstand.

Baumann (50.) und Vladoiu (85.) sorgten für den Kölner Sieg. Bodo Illgner, Toni Polster, Pablo Thiam und vor allem Coach Peter Neururer waren die namhaftesten Akteure bei den Rheinländern. Nahezu 5000 Zuschauer sahen die Partie.

1984, 1988, 2006 und 2010 Meister der Landesliga: Viermal qualifizierte sich der FVD als Landesliga-Meister direkt für die Verbandsliga, zuletzt am 25. April 2010 beim Spiel in Großschönach (2:0) unter Trainer Andreas Hey bei zum Schluss sechs Punkten Vorsprung auf Rang zwei.

2006 reichten zwei Punkte Vorsprung für den Titel. Zwischen den Landesliga-Jahren gehörte der FVD immer dem südbadischen Oberhaus an, der Verbandsliga.