Bei Boxing VS werden Champions geformt. Foto: Marc Eich

Faszination Sport: Schlagfertig - Oliver Vlcek verleiht den Faustkämpfern eine andere Ausrichtung. Mit Video

"Immer zwei Schläge, tack-tack", weist Oliver Vlcek seine Sprösslinge an diesem Abend in der  Turnhalle der Schwenninger Friedensschule ein. Während der eine mit einer Softstange schlägt, verteidigt der andere mit seinen bloßen Händen.

Was zunächst nach einer neuen Kampfsportart aussieht, ist lediglich einer von vielen Bausteinen des  Boxtrainings, das der Trainer nahezu täglich mit seinen Schülern des doppelstädtischen Vereins Boxing VS absolviert.

In einer anderen Hallenecke werden die jüngsten Teilnehmer, im Schnitt sechs Jahre alt, spielerisch betreut, schräg gegenüber geht es bei der Ältesten auf der Matte mit Gewichten oder am Boxsack ordentlich zur Sache. "Heute sind nur wenig Schüler gekommen, normalerweise sind es rund 50, dann ist die Halle knackig voll", meint Oliver Vlcek, der nicht nur Trainer, sondern auch Ehrenpräsident von Boxing VS ist. Derzeit zählt der Verein rund 200 Mitglieder.

Seine eigene Boxkarriere gestartet hatte er  als Jugendlicher beim Verein Boxring 1952 Schwenningen – mit nur mäßigem Erfolg. Seit 17 Jahren widmet der Schwenninger  nun sein Leben als Trainer, Vorsitzender oder Präsident dem Boxen.  So wurde er  2001 Cheftrainer des Boxrings. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass im Jahr 2008 der Schwenninger Boxring – dem württembergischen Boxverband zugehörig – und der Boxclub Villingen – dem badischen Boxverband zugehörig – zum Verein Boxing VS fusionierten. "Der Villinger Trainer Witali Tarassow und ich haben uns perfekt ergänzt", erinnert sich Vlcek, der sich als typischer "Doppelstädter" sieht.

Gleichzeitig wurde der Landesboxverband auf ihn aufmerksam und verpflichtete ihn ehrenamtlich für den Olympiastützpunkt in Heidelberg als Jugendwart sowie Landestrainer für den Nachwuchs. 2009 wurde Vlcek sogar hauptamtlicher Landestrainer, eine berufsbegleitende Trainerausbildung  folgte.  Die sportlichen Erfolge und sein großes Trainerengagement gaben dem 39-Jährigen  recht: 2012 klopfte der Deutsche Boxverband an und bat ihn um ein Engagement als Bundesstützpunktleiter.

Das  Ziel: Olympia 2016 in Rio de Janeiro, wofür sich vier deutsche Athleten vom Stützpunkt qualifizieren konnten. Doch aus einem Traum wurde – zumindest für Vlcek – ein Albtraum: Nicht, weil der Wettbewerb für die deutschen Boxer bereits in ihrem ersten Kampf zu Ende war. "Ich will fair gewinnen oder verlieren. Und das war bei Olympia eben nicht so", erklärt der Trainer. "Wir sind rausgepunktet worden." Auch wenn das Miteinander der vielen unterschiedlichen Athleten eine tolle Erfahrung und ein beeindruckendes Sportfest gewesen sei, zeigt sich Vlcek zudem von den Bedingungen vor Ort enttäuscht: "Vieles ist einfach nicht so, wie es im Fernsehen rüberkommt, zum Beispiel die Unterbringung der Sportler."

Mit in diese Erfahrung mag ebenso die Erkenntnis spielen, die sich bei ihm bereits seit einiger Zeit angekündigt hatte: "Leistungssport ist nur eine Komponente, die sehr eingeschränkt wirkt. Für mich ist der Athlet keine Nummer, sondern ein Mensch. Und das geht über den reinen Sport hinaus."

Nicht zuletzt deswegen hatte der zweifache Familienvater bereits im Jahr 2014 über den Heimatverein Boxing VS und mithilfe des Landessportverbands das Integrationsprojekt Fight for your life ins Leben gerufen, das Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund von der Straße in den Ring holen soll. 2017 erlebt es mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung des Boxverbands Baden-Württemberg, des Schwarzwald-Baar-Kreises sowie der Pro-Kids-Stiftung aus Villingen-Schwenningen eine Neuauflage.

"Fight for your life" sieht sich indes als niederschwelliges Angebot, um Kinder, deren gemeinsame Schnittstelle das Boxen ist, aus ihrer Problemlage zu holen und ihnen neue Perspektiven zu ermöglichen. Anlaufstellen, an die Vlcek und zwei weitere ausgebildete Trainer weitervermitteln, sind mitunter Jugendamt, Jobcenter, Ausbildungsbetriebe oder Schulen.  Eine Zusammenarbeit besteht zudem mit den Flüchtlingsunterkünften in Villingen-Schwenningen und Donaueschingen sowie mit den hiesigen Moscheen.