Paläontologe Rainer Schoch mit Dino im Naturkundemuseum. Foto: Max Kovalenko

Wussten Sie, dass in einem Huhn mehr Dino steckt als in einem Krokodil? Und dass Saurier wohl Federn hatten? Paläontologe Rainer Schoch über neue Erkenntnisse in seinem Fach.

Wussten Sie, dass in einem Huhn mehr Dino steckt als in einem Krokodil? Und dass Saurier wohl Federn hatten? Paläontologe Rainer Schoch über neue Erkenntnisse in seinem Fach.

Herr Schoch, Sie hatten unlängst im Naturkundemuseum Besuch von einem T.-Rex-Baby, einem der Stars der Hallen-Show „Dinosaurier – Im Reich der Giganten“. Wie real war der Dino?
Ich fand ihn gut. Aussehen und Bewegungen haben mir gefallen.

Sie mögen es, wenn man Dinos wiederbelebt?
Manche Kollegen haben damit ein Problem, ich stehe dem aufgeschlossen gegenüber. Es ist natürlich nicht unproblematisch, wenn man ein Wesen zum Leben erweckt, von dem man nur einen Schwanzwirbel oder einen Schädelrest gefunden hat. Beim Tyrannosaurus schaut die Sache aber anders aus, von dem kennt man das ganze Skelett.

Es trägt doch auch zur Popularität Ihres Fachs, der Paläontologie, bei, wenn man Dinos auf die Leinwand oder in Shows bringt.
Sicher. Außerdem ist es unsere Pflicht, den Menschen etwas zu bieten. Wir werden von Steuergeldern bezahlt. Also müssen wir auch etwas zurückgeben.

Woher weiß man, wie sich ein Tier bewegt hat, das vor Millionen Jahren ausgestorben ist?
Man schaut, wie die Knochen zusammenpassen. Das klingt trivial, ist aber ganz schön schwierig, da man weder Muskeln noch Bänder hat. Außerdem muss man sich verwandte Tiere anschauen, die noch leben.

Also Echsen?
Das hat man früher gemacht. Heute weiß man, dass das falsch ist. Die Nachfahren der Dinosaurier sind die Vögel. Damit ist klar: Wenn ich etwas über den Gang eines T. Rex herausfinden will, muss ich einen Strauß anschauen und keinen Alligator.

Insofern hat sich Ihr Museumsbesucher, das T.-Rex-Baby, realistisch bewegt?
Ich denke schon. Allerdings ist es, was seine Haut angeht, veraltet – was auch für die Saurier in Spielbergs „Jurassic Park“ und in der BBC-Serie „Im Reich der Giganten“ gilt. Die Tiere hatten Federn.

„Man weiß sogar, dass jede Dino-Gruppe eigene Federtypen hatte“

Auch der T. Rex?
Ja. Wir wissen nicht, wie erwachsene Tiere genau aussahen. Aber wir haben Federfunde bei Jungtieren aus China. Die hatten Federn am ganzen Körper.

Seit wann weiß man von den gefiederten Dinos?
Seit rund zehn Jahren. Man weiß sogar, dass jede Dino-Gruppe eigene Federtypen hatte.

Seit wann schlägt Ihr Herz für Saurier?
Ich habe als Schüler Fossilien gesammelt – und bin dabei auf interessante Funde gestoßen. Also habe ich sie, wie sich das in der Wissenschaft gehört, beschrieben. Es ist für mich nach wie vor faszinierend, etwas herauszufinden, was noch kein Mensch weiß.

Hat Sie auch gereizt, dass ein Paläontologe nicht nur am Schreibtisch sitzt?
Auch das. Ich grabe heute noch mit Leidenschaft und muss dazu nicht mal weit reisen. Wir haben bei Schwäbisch Hall einen Steinbruch, wo wir jedes Jahr zwei bis drei neue Saurierarten entdecken. In China ist so was Alltag. In Europa ist das eher selten, da man hier schon so viel gefunden hat. In Schwäbisch Hall werden nicht nur kleine Arten ausgegraben. Da sind auch Kerle von zwei, drei Metern darunter.

Auch die Schwäbische Alb gilt als Fundgrube.
Ja, aber dort gräbt man in den Binnenmeerablagerungen des Jura. Was uns mehr interessiert, ist die darunter liegende Schicht, der Trias. Dort findet man Saurier. Früher hieß es, das Eldorado des Mittleren Trias sei in Argentinien und Brasilien. Inzwischen gilt auch Schwäbisch Hall als Eldorado. Forscher aus Buenos Aires, Salt Lake City, Washington kommen hierher, um mit uns Arten zu beschreiben. Weltweite Zusammenarbeit spielt in der Paläontologie eine wichtige Rolle. Neulich sagte mir eine Kollegin aus Argentinien: „Das Stück, das du mir zeigst, habe ich schon mal gesehen.“ „Wie kannst du das gesehen haben?“, sage ich. „Ich habe die Literatur durchsucht und nichts gefunden.“ „Das Teil liegt in Kalkutta“, sagt sie, „ist aber noch nicht beschrieben.“ Da muss eine Argentinierin nach Kalkutta fliegen, um mir sagen zu können, was wir in Schwäbisch Hall gefunden haben.

Was bedeutet diese Vernetzung konkret für Ihren Forschungsbereich?
Dass unglaublich viel ans Licht kommt. In den vergangenen zehn Jahren ist mehr erforscht worden als in den 100 Jahren davor. Es wird immer rasanter. Das liegt nicht nur an der Vernetzung durch Computer, sondern auch daran, dass es immer mehr Leute gibt, die in dem Fach arbeiten. Und das, obwohl es nicht mehr Paläontologen gibt. Viele Biologen und Geologen arbeiten uns zu.

Zurück zu Ihren Forschungsobjekten. Eigentlich müssen wir froh sein, dass Dinos ausgestorben sind.
Ja, sonst gäbe es uns nicht. Wir Säugetiere haben erst eine Chance bekommen, als ein Großteil der Dinos weg war. Aber wer weiß schon, vielleicht wären auch aus Sauriern intelligente Arten entstanden.

Bei Dinos sprechen wir von Zeiträumen von 100 Millionen Jahren

In „Jurassic Park“ werden mit Hilfe von Gentechnik Dinos nachgezüchtet. Ist das denkbar?
Eigentlich nicht. Dazu bräuchte man die DNA. Aber die hält nicht über so lange Zeit. Die ist weg, anders als die DNA des Neandertalers. Der lebte vor ein paar Zehntausend Jahren. Bei Dinos sprechen wir von Zeiträumen von 100 Millionen Jahren.

Neandertaler könnte man nachzüchten?
Theoretisch schon. Recht konkret ist, dass Russen und Koreaner das Mammut nachzüchten wollen, was keine schlechte Idee ist. Mammuts gab es bis vor 4000 Jahren auf einer Insel im nordsibirischen Meer. Bei den Dinos bin ich froh, dass es nicht geht.

Weil sie nicht in unsere Zeit passen?
Ja. Aber der Gedanke ist für Wissenschaftler reizvoll. Als Paläontologe wird man immer wieder überrascht, was plötzlich möglich ist. Nehmen Sie nur mal die Sache mit den Federn. Das Thema wird schon seit 1850 diskutiert, aber man hat nicht geglaubt, dass man das jemals beweisen kann. Inzwischen wissen wir sogar, welche Farben die Federn hatten. Das kann man aus deren Struktur herleiten. Oder nehmen Sie den Beleg dafür, dass Saurier Warmblüter waren. Wie hätte man das beweisen sollen? Es ist mit chemischen Untersuchungen am Zahnschmelz gelungen. Dadurch wissen wir, dass T. Rex eine Körpertemperatur von 38 Grad gehabt hat.

Kann man sagen: Die Dinos waren zu groß, sie haben nicht mehr in diese Welt gepasst?
Die meisten waren gar nicht so groß. Aber es ist klar, dass große Tiere an einen bestimmten Lebensraum gebunden sind. Wenn der sich verändert, wird es eng. Mit dem Aussterben ist das so eine Sache. Man meint immer, das sei mit einem Knall geschehen. Aber viele sind im Lauf von Millionen von Jahren verschwunden. Ganz unspektakulär. Oder sie wurden durch andere Arten ersetzt.

Was ist mit der Theorie vom Meteoriteneinschlag?
Den gab es. Aber der ist nur ein Baustein, das ganze Bild kennt man nicht. Der Einschlag kam zu früh, um damit alles zu erklären. Die letzten Arten sind eine halbe Million Jahre später ausgestorben.

Angenommen, Sie hätten die Wahl, als Dino wiedergeboren zu werden. Für was würden Sie sich entscheiden?
Für einen Topräuber, den Batrachotomus. Den Vorfahren des Krokodils finden wir häufig bei Schwäbisch Hall. Ein Tag als Batrachotomus würde mir reichen. Dann könnte ich viele Fragen beantworten, die mich seit Jahren umtreiben.

Die Mammut-Show „Dinosaurier – Im Reich der Giganten“ gastiert vom 18. bis zum 24. Februar in der Schleyerhalle. Das Spektakel, das weltweit sieben Millionen Menschen gesehen haben, basiert auf einer preisgekrönten BBC-Produktion.