Auch in diesem Jahr haben Albstädter Muslime und Nicht-Muslime gemeinsam in der Ebinger Festhalle das Fasten gebrochen. Dazu eingeladen hatte der deutsch-türkische Verein zur Förderung von Jugendarbeit – und nicht nur Lokalprominenz kam.
Stimmt, der Ramadan dauert 30 Tage – und von denen waren am Montagabend erst 17 um.
Einige ahnungslose Nicht-Muslime mochten in der Annahme in die Ebinger Festhalle gekommen sein, sie würden nun dem „Ramazan Bayramı“ oder Zuckerfest beiwohnen, mit dem das Ende des islamischen Fastenmonats gefeiert wird. Sie mussten sich eines Besseren belehren lassen.
13 Tage lang war noch Fastenzeit und dieser Abend hier war einer von 30, an denen nach Sonnenuntergang – am Montag 18.38 Uhr – wieder gegessen werden durfte. Gar nichts Besonderes; ein Abend wie jeder andere.
Wie man es nimmt – angesichts der Köstlichkeiten, unter denen sich die Tischplatten im Foyer der Ebinger Festhalle bogen, konnte man es niemandem, der mit dem religiösen Kalender der Muslime unvertraut war, verübeln, wenn er auf ein großes Fest getippt hatte, vielleicht das große Fest schlechthin.
Im siebten Schlemmerhimmel – der ist von der Religion unabhängig
Hier warteten Salate unterschiedlichster Machart, dort die gefüllten Weinblätter, die die Griechen Dolmadakia und die Türken Sarma nennen, daneben Tsatsiki alias Cacık und das Diabetikern ausdrücklich empfohlene und garantiert vegane Kichererbsenmus Hummus – und noch eine Position weiter, in zwangloser, guter Nachbarschaft, das geschmorte, wunderbar würzige Kalbfleisch. An diesem Abend war Toleranz oberstes Gebot, und zwar offensichtlich auch in kulinarischer Hinsicht.
Später am Abend, die Salatschüsseln und die Fleisch- und Gemüsetiegel hatten sich mittlerweile geleert, bildeten sich lange Schlangen vor dem Dessertschalter, an denen extrem süßes, nussiges Baklava und Künefe alias „Engelshaar“ von den Blechen geschnitten wurden. Fastenzeit – Zeit des Abnehmens? Nicht an diesem Abend; er war dem Genuss vorbehalten.
So sah es offensichtlich auch Roland Tralmer: In seinem kurzen und gewohnt launigen Grußwort verwies der Oberbürgermeister darauf, dass dank kalendarischer Koinzidenz Muslime und Christen in diesem Jahr praktisch zeitgleich fasten – der Ramadan ist bekanntlich nicht jahreszeitlich stationär wie die christliche Fastenzeit, sondern wandert durch den Kreis der Jahreszeiten. 2025 fällt er in den März, und so hatte Tralmer den Vergleich, in dem das Christentum sich aus seiner Sicht nicht unbedingt leicht tut.
Die Pfarrer mögen jetzt weghören, empfahl er – aber wenn jedes Fastenbrechen so schmecke wie dieses, dann sei die Versuchung zur Konversion durchaus ernst zu nehmen.
Wenigstens zwei Geistliche haben es doch gehört: die evangelischen Pfarrerinnen Ilze Druvina aus der Ebinger Weststadt und Marlies Haist aus der Oststadt – letztere beteiligte sich nach dem Essen am großen interreligiösen Gebet, in dem Christen und Muslime gemeinsam um Frieden, den äußeren und den inneren, baten und einander Friedfertigkeit zusagten. Was sie voneinander trennte, war am Ende nur das bekräftigende Schlusswort: hier „Amen“, dort „Amin“.
Auch Reingeschmeckte speisen mit
Mehrere hundert Gäste hatten sich in der Festhalle eingefunden, darunter zahlreiche Deutsche, Schwaben wie auch Reingeschmeckte – und sie speisten, feierten und kommunizierten so einträchtig, dass Tralmer den Ruf der Älbler, verschlossene Eigenbrötler zu sein, auf überzeugende Weise widerlegt sah: In Albstadt werde an diesem Abend ein Zeichen gesetzt – für Weltoffenheit, Dialogbereitschaft, Blick über den Gartenzaun und die Weigerung, sich auseinanderdividieren zu lassen. „Ihnen allen wünsche ich einen gesegneten Ramadan.“