Bremen - Der Frühling ist Fastenzeit. Nach wie vor sind es die sieben Wochen vor Ostern, in denen Verzicht geübt wird – was auf den kirchlichen Ursprung verweist. Seit Aschermittwoch sind Christen zur Entsagung aufgerufen, erst von Ostersonntag an dürfen die Gläubigen wieder schlemmen.

Doch es sind längst nicht mehr nur die Bibelfesten, die diesen Neustart für Körper und Geist wagen: Fasten ist zum Trend geworden. Von Jahr zu Jahr machen immer mehr Menschen mit beim Verzichtüben. Während die einen sich in Klöster oder Fastenkliniken zurückziehen, nehmen die anderen bei Fastenwanderungen in Mallorca teil oder fahren an den Bodensee zum Basenfasten. Umfragen zufolge will in diesem Jahr jeder Sechste fasten – und mit 21 Prozent sind es meist Frauen. Die damit verbundene Hoffnung: eineBefreiung von den sogenannten Schlacken, die sich im Winter angesammelt haben.Doch Studien zeigen, dass sich dies kaum erfüllen lässt.

Der Körper scheidet ständig Unverwertbares aus

So fehlen nämlich wissenschaftliche Belege für die Existenz von irgendwelchen Schlacken, bei denen es sich laut Heilfastenanhängern mal um die „Abbaustufen der Neutralfette“, mal um „Zwischenprodukte eines unvollständigen Eiweißstoffwechsels“ handeln soll. Tatsächlich jedoch scheidet der Körper, wie Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung betont, „unverwertbare Stoffwechselprodukte ständig über Haut, Niere, Darm oder Lunge aus“. Könnte er das nicht, wäre der Mensch im Laufe der Evolution längst ausgestorben.

Schwangere und Stillende sollten allerdings von einer Fastenkur absehen, um nicht die Nährstoffversorgung des Nachwuchses zu gefährden. Problematisch ist auch, wenn gleichzeitig zum Fasten die Anti-Baby-Pille genommen wird – denn die wirkt unter Nahrungsentzug nur noch unzuverlässig.

Fettpolster sind Zwischenlager für fettlösliche Gifte

Dagegen untersuchte eine koreanische Forschergruppe die Gift- und Gewichtsdaten von insgesamt 1099 Probanden – und entdeckte, dass mit jeder Diät die Blutwerte an DDT, Dioxin und den als Weichmacher bekannten Polychlorierten Biphenylen deutlich anstiegen. Und zwar umso mehr, je übergewichtiger die Menschen und härter die Diäten waren.

Der mögliche Vergiftungscharakter von harten Abspeckkuren erklärt sich daraus, dass die Fettdepots im Körper evolutionär nicht nur als Kältepuffer und Reserven für nahrungsärmere Zeiten gedacht sind, sondern auch als Zwischenlager für fettlösliche Gifte. Wenn man folglich diese Depots angreift, gelangen die Gifte ins Blut und von dort aus zu anderen Organen, wo sie durchaus Schaden anrichten können. So gelten etwa DDT und andere Chlorchemikalien als mögliche Krebsauslöser. Und die Weichmacher-Biphenyle können aufgrund ihrer hormonähnlichen Wirkung bei Männern zu Unfruchtbarkeit führen.

Vorsichtig an eine Fastenkur herangehen

Gründe genug also, warum man gerade bei starkem Übergewicht vorsichtig an eine Fastenkur herangehen sollte. Nichtsdestoweniger kann sie durchaus heilsam sein – sofern sie keine Null-Diät ist.

So könne moderates Fasten, wie Naturheilkunde-Experte Bernhard Uehleke von der FU in Berlin betont, bei entzündlichen Erkrankungen wie Neurodermitis und Rheuma helfen, weil der Körper physiologisch umgestimmt wird: „Er schaltet dann auf Bewältigungsstrategien um, die weniger zu schmerzhaften Entzündungen führen.“ Beispielsweise reduziere der Fleischverzicht den Wert an Arachidonsäure, der vom Körper als chemische Basis für Entzündungsreaktionen herangezogen wird.

Fasten stärkt das Immunsystem

Darüber hinaus stärkt Fasten das Immunsystem: Es vermehrt im Darm die für die Virusabwehr zuständigen Immunglobuline, und dieser Effekt lässt sich zum Teil auch noch drei Monate nach Beendigung einer Fastenkur nachweisen. Physiologe Yurly Zverev von der Universität Malawi fand zudem heraus, dass Fasten das Schmecken verändert. „Vor allem unser Geschmackssinn auf Süßes und Salziges“, so erklärt er, „reagiert danach sensibler als vorher.“

Schwangere und Stillende sollten allerdings von einer Fastenkur absehen, um nicht die Nährstoffversorgung des Nachwuchses zu gefährden. Problematisch ist auch, wenn gleichzeitig zum Fasten die Anti-Baby-Pille genommen wird – denn die wirkt unter Nahrungsentzug nur noch unzuverlässig.

Uehleke rät, bei kranken Menschen das Heilfasten zusammen mit anderen Naturheilverfahren durchzuführen. An der FU wird es beispielsweise mit Kneipp’schen Güssen und Anwendungen aus der Heilpflanzenkunde kombiniert. Außerdem sollten Fastenkuren, die länger als eine Woche dauern, nicht ohne fachliche Anleitung durchgeführt werden. Immer wieder werden Menschen in Krankenhäuser eingeliefert, die bei ihren privaten Fastenkuren kollabierten. Wer therapeutisch fasten will, sollte sich ambulant oder sogar stationär an eine entsprechende Klinik wenden. Wobei zu bedenken ist, dass ein Tag zum Hungern in einer Klinik bis zu 150 Euro kosten kann – und die gesetzlichen Krankenkassen zahlen den Aufenthalt nur in Ausnahmefällen.