Die Fastenzeit ist jetzt vorbei. Foto: © Petermeir - stock.adobe.com

„Sieben Wochen ohne“ liegen hinter der Fastengruppe aus der evangelischen Kirchengemeinde Stammheim-Holzbronn. Seit Aschermittwoch haben sich die neun Faster in Verzicht geübt und ihre Erfahrungen geteilt. Nun ziehen sie ein Fazit.

Gewöhnlich leben wir im Überfluss: Wer Lust auf Essen hat, der läuft zum Kühlschrank, wer wissen will, wie das Wetter wird, der greift zum Smartphone. Vieles ist immer verfügbar, und das etwas Brauchen ist dem Wollen gewichen. Zwischen Aschermittwoch und Ostern, etwa 40 Tage lang, sollte es anders sein für neun Christen aus der Kirchengemeinde Stammheim-Holzbronn.

 

Die Aktion

Die gemeinsame Fastenaktion hat eine Vorgeschichte: Bereits seit einigen Jahren spielt das Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle in der Kirchengemeinde. Doch wie nachhaltig sind die Aktionen, die die entsprechende Gruppe anstößt? Was bleibt, und bringen sie dauerhafte Veränderung? Angesichts solcher Fragen – und wegen der Jahreslosung „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thessalonicher 5, 21) – stieß die Gruppe schnell aufs Thema Verzicht, und die Idee zur gemeinsamen Fastenaktion entstand. Neun Faster aus der Kirchengemeinde haben sich daran beteiligt und auf sehr individuelle und persönliche Dinge verzichtet. In den Wochen zwischen Aschermittwoch und Ostern haben sie regelmäßig von ihren Erfahrungen berichtet.

Positives Gesamtfazit

Doch nicht nur das: „Immer wieder haben wir uns in Gesprächen ausgetauscht, uns gegenseitig erzählt vom Müllsammeln, von der Stille, von Kleidung und Essen“, berichtet der ebenfalls beteiligte Pfarrer Philipp Rottach.Und natürlich hätten sie sich ihre Berichte für den Schwarzwälder Boten in der Whatsapp-Gruppe gegenseitig geschickt und kommentiert. Rottach zieht ein positives Gesamtfazit: „Es war toll, gemeinsam so unterwegs zu sein – als Fastengruppe mit je unterschiedlichen Schwerpunkten und von den anderen zu erfahren, was sie gerade bewegt und wie es bei ihnen läuft.“ Seinem Eindruck nach ist das Nachhaltigkeitsteam der Kirchengemeinde durch die Aktion auch noch einmal stärker zusammengewachsen. Und er hofft, dass dieses gemeinsame Fasten auch andere dazu anregt, einmal ihren Lebensstil zu überprüfen.

Die Faster

Vom gemeinsamen Ziel abgesehen, waren die Entscheidungen, wer auf was verzichtet, individuell: Ralf Baral etwa hatte sich vorgenommen, auf eine Mahlzeit am Tag zu verzichten, und stattdessen Zigarettenkippen an den Stammheimer Bushaltestellen zu sammeln. Jana Heer und Lena Schwarz ließen Social Media links liegen, Julian Hoevels das Smartphone. Stephanie Hoevels ging während der Fastenzeit früh ins Bett, Johannes Schwarz stieg statt ins Auto aufs E-Bike. Derweil versuchte Susanne Fischer in den Wochen vor Ostern so wenig Essen wie möglich wegzuwerfen und stattdessen alles zu verwerten, während Diana Hörmann sich auf wenige Kleidungsstücke beschränkte, statt zu viel Zeit vorm Kleiderschrank und beim Waschen zu verschwenden. Bei Philipp Rottach schließlich blieb es ruhig. Musik, Podcasts und Fernseher blieben aus.

Die Bilanz

So unterschiedlich wie die Ziele, so unterschiedlich waren die Erfahrungen. Philipp Rottach etwa nimmt aus der Fastenzeit mit, dass Stille sich lohnt, „weil sie uns dazu bringt, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen, mit den eigenen Lebensthemen, dem eigenen Glauben, den Fragen und Sorgen“. Doch auch wenn das Suchen der Stille gut geklappt habe: Manches Mal sei der Kopf trotzdem voller Gedanken gewesen – und manches Mal lief doch auch der Fernseher. „So rigoros streng war ich da nicht“, gibt er zu.

Wertvolle Gespräche

Auch Ralf Baral hat erlebt, dass es mit dem Verzicht nicht einfach ist. Bei zwei Festen hat er mitgefeiert und -gegessen, und sich in den letzten beiden Wochen der Fastenzeit eine Suppe am Nachmittag zugestanden. Trotzdem „wirkt“ das Fasten: Durch eine Reduzierung der Essintervalle esse er bewusster sowie langsamer und kaufe auch bewusster ein, berichtet er. Zumal sich beim alternativen Kippensammeln wertvolle Gespräche ergeben hätten und der Rentner das Gefühl hatte, etwas für die Umwelt zu tun.

Gut für die Umwelt war auch Johannes Schwarz’ Umstieg vom Auto aufs E-Bike wann immer möglich. Das habe ihm viel Freude bereitet. „Deshalb bleibt das Ziel, auch nach Ostern möglichst viele Alltagsstrecken mit dem Rad zu absolvieren.“ So gelinge es, kleine Brücken zu schlagen „zwischen Büro und Natur, zwischen Termin und einem kleinen Schwätzle über Gott und die Welt“. Allerdings stieß der Umstieg auch an seine Grenzen – „um Brennholz aus dem Wald zu holen, bringt halt der stärkste Elektromotor am Fahrrad nicht viel“.

Stephanie Hoevels nimmt aus der Fastenzeit mit, „wie gut es tut, Verhaltensmuster aufzubrechen und Neues zu versuchen“. Meist scheine alles viel schwieriger, als es dann bei der Umsetzung sei. Sie ist sich sicher, dass sie sich mit dem pünktlichen Zu-Bett-Gehen genau die richtige Herausforderungen gesetzt hatte. Allerdings sei sie so inspiriert von ihren Mitfastern, „dass ich gleich nach den Osterferien andere Ideen aufgreifen und diese in meinen Alltag einpflegen will“.

Tipp parat

Auch Susanne Fischer sieht die Fastenaktion als einen Erfolg. „Ich hätte nie gedacht, dass ,Resteverwertung’ irgendwann so selbstverständlich wird wie Zähneputzen.“ Gleichzeitig hat sie einen Tipp für potenzielle Nachahmer: Wer hungrig einkaufen geht, denkt gerne mal, er müsse zu Hause eine Fußballmannschaft verköstigen. Das gilt es zu vermeiden. „Fasten hat für mich inzwischen nichts mehr mit Verzicht zu tun, sondern mit bewusstem Leben.“

Ebenso hat Diana Hörmann die Erfahrung gemacht: „Minimalismus entspannt, und man gewöhnt sich daran!“ Sie habe es tatsächlich geschafft, mit sieben Bekleidungsstücken auszukommen in der Fastenzeit. Jetzt freue sie sich aber „auf die bunte Abwechslung“. Gleichzeitig wolle sie im Alltag die Einfachheit beibehalten.

Julian Hoevels nimmt aus der Aktion das befreiende Gefühl mit, dass der Alltag nicht mehr vom Smartphone bestimmt wird. „Der ständige Input war mehr Last als Nutzen. Weniger Bildschirmzeit bringt mehr Ruhe und echte Präsenz in den Alltag.“ Und der Verzicht ließ ihm Zeit zum Bücherlesen.

Viel sinnvoller

Ähnliche Erfahrungen haben Lena Schwarz und Jana Heer durch ihren Social-Media-Verzicht gemacht. Sie hätten in den vergangenen Wochen gelernt, dass sie ihre Zeit so viel sinnvoller nutzen könnten als in den sozialen Medien. Selbst wenn es manchmal eher eine Reduzierung als ein totaler Verzicht gewesen sei: Die beiden haben „nun ein besseres Bewusstsein für das bisherige Konsumverhalten“. Dieses Bewusstsein nehmen sie mit aus der Fastenzeit.

So geht es allen: Ihre Erfahrungen haben sie reicher gemacht. Und die Lust geweckt auf weitere Fastenaktionen – gerne wieder in Gemeinschaft.