Der Krieg in der Ukraine setzt der Zivilbevölkerung zu. Neben Traumata und Verlusten gilt es auch das alltägliche Leben zu bewältigen und den Schwachen zu helfen.
Eine Delegation aus Ettenheim ist auf Einladung für drei Tage in die ukrainischen Partnerstadt Vilkhovetska gereist. Bürgermeister Bruno Metz, Hauptamtsleiterin Julia Zehnle und der frühere Gemeinderat Kristian Herdick konnten sich so selbst ein Bild davon machen, wie die Spenden aus Ettenheim und Deutschland eingesetzt werden. Emiliia Krychfalushi war als Übersetzerin und Ansprechpartnerin der Partnerstadt dabei. Bei der Zusammenkunft mit politisch und kulturell Verantwortlichen im Ort wurde sehr deutlich, dass die direkte Hilfe dringend benötigt wird, erklärt die Stadt. Durch persönliche Begegnungen insbesondere auch mit Bürgermeister Mykhailo Tsiryk, der seit 2015 im Amt ist, wurde aus der solidarischen Städtepartnerschaft eine Freundschaft beider Städte.
Nahezu jeder Einwohner hat Freunde oder Bekannte verloren: Wie viele Einzelschicksale durch den Krieg betroffen sind, wurde bei dem Besuch wieder deutlich: „Annähernd alle, mit denen wir zusammentrafen, haben Verwandte, Freunde oder Bekannte im Krieg und viele haben auch schon Angehörige verloren,“ berichtet Metz. Ein Beispiel sei der Direktor einer österreichischen Firma für Möbelbau in der Ukraine, ein 42 Jahre alter Familienvater. Er habe sich freiwillig für den Kriegsdienst gemeldet und sei nach neun Monaten an der Front umgekommen. In einem der Gymnasien erinnert eine Tafel an einen 21-jährigen ehemaligen Schüler. Er sei der sportlichste Schüler gewesen und habe sich sofort freiwillig gemeldet und sei nach knapp zwei Jahren Kriegseinsatz an der Front umgekommen. Auf Friedhöfen und in Innenstädten erinnern Tafeln an im Krieg getötete Soldaten.
Schwächere und Traumatisierte sollen nicht vergessen werden: In der ukrainischen Stadt wird viel unternommen, um sich auch um die Schwächeren zu kümmern, etwa im Inklusions- und Rehabilitationszentrum für Menschen und Kinder mit Behinderung. Die Einrichtung in Vilkhovetska hat ebenso wie die Stadt selbst zahlreiche traumatisierte Kinder und durch den Krieg verletzte Menschen aufgenommen und behandelt. In der Reha-Einrichtung werden vor allem Kindern mit körperlichen Beeinträchtigungen betreut und deren sensorische und motorische Fähigkeiten gefördert. „Der Umgang mit ihnen ist rührend, von hoher Empathie geprägt“, berichtet Hauptamtsleiterin Julia Zehnle. „Der Einsatz der Pflegenden ist enorm.
3D-Spiel-Therapie fürs Rehazentrum
Soldaten bedanken sich für Unterstützung: Auch aus dieser Therapeutenrunde musste ein junger Mann in den Krieg. Für ihn und seine Kameraden wurden teilweise Powerbanks, warme Kleidung und Thermoskannen im letzten Herbst geliefert“, so die Hauptamtsleiterin. Als Dank bekam die Ettenheimer Gruppe eine Flagge des Bataillons mit den Unterschriften und Dankesworten aller Soldaten überreicht. Als neuestes Unterstützungsprojekt wurde ein interaktiver Boden zur 3D-Spiel-Therapie an das Rehazentrum im Rahmen des Besuchs offiziell übergeben. Mit ihm können unter anderem das Gleichgewicht und die Bewegungskoordination, die Kommunikationsfähigkeit sowie die Flexibilität des Denkens trainiert werden.
Bagger und Grader sollen Zivilbevölkerung helfen: Da viele kommunale Fahrzeuge sowie Schulbusse von der Armee eingezogen wurden , wurden ein Bagger und ein Grader für den Bevölkerungsschutz angeschafft. Der Grader soll unter anderem zum Wegebau und Freiräumen von Bächen und Flüssen dienen. Zahlreiche Baustellen ruhen seit Kriegsbeginn. Alle Ressourcen gehen in die Kriegswirtschaft. Umso wichtiger und wertvoller ist die Unterstützung aus Deutschland. Die Kosten für den Grader und den Bagger in Höhe von je knapp 50 000 Euro werden zu 90 Prozent vom Bund getragen, die restlichen zehn Prozent werde über Spendenmittel finanziert. Durch die Teilnahme am Bundesprojekt „Bevölkerungsschutz und Wiederaufbau der Ukraine“ der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurden außerdem ein Bauhoffahrzeug, ein Baumaschinenanhänger sowie eine Scherenarbeitsbühne beantragt, die komplett von der GIZ finanziert werden sollen.
Trotz schlechter Bedingungen geben die Menschen die Hoffnung nicht auf: „Jede Einrichtung, die bei uns geschlossen wird, weil sie nicht mehr den Standards entspricht, wäre für diese Menschen purer Luxus“, stellt Bürgermeister Metz fest. „Pflegeheime, Rehakliniken, Krankenhäuser und selbst die ältesten Kindergärten bei uns sind meist über dem neuesten, was wir dort gesehen haben. Trotz der begrenzten Möglichkeiten ist alles gepflegt und die Geräte und Häuser, die wir sahen, in Schuss gehalten.“ „Mich hat am meisten beeindruckt, dass die Menschen trotz den Kriegsereignissen und den vielen schlechten Nachrichten sich ihre Lebensfreunde und Hoffnung auf eine Zukunft in Freiheit und Frieden in einem demokratischen Staat bewahrt haben“, stellt Kristian Herdick fest
Die Partnerschaft
Seit April 2023 besteht eine Solidaritätspartnerschaft mit der westukrainischen Stadt, die circa 1500 Kilometer entfernt von Ettenheim liegt und mit 13 500 Einwohnern eine ähnliche Größe hat. Die Städtepartnerschaft wurde eingegangen, um sich mit den Menschen in der Ukraine solidarisch zu zeigen und Hilfsgüter und wichtige Gerätschaften in dieser humanitären Notsituation für die Partnerstadt zu beschaffen. Als erstes Unterstützungsprojekt für die westukrainische Stadt hat Ettenheim ein Feuerwehrfahrzeug in die Ukraine überführt. Hilfsgüter wie medizinisches Material und Geräte sowie Powerbanks wurden mit Unterstützung weiterer Akteure in die Ukraine gebracht.