Georg Fröhlich war viele Jahre als „Schreibspuren“- Jurymitglied dabei. Inzwischen ist er stellvertretender Vorsitzender des gleichnamigen Trägervereins. Auch ihn treibt die Frage um, wie es weitergehen kann. Foto: Cools

Beim Schreibspuren-Wettbewerb erhalten junge Menschen in Rottweil seit fast 30 Jahren die Chance, ihre Gedanken in Prosa oder Lyrik auszudrücken. Das Thema KI stellt den Wettbewerb auf eine harte Probe. Doch es gibt eine Chance.

Vom „Spätzlemörder“ am Mittagstisch bis zur eindrücklichen Geschichte einer Frau, die zum Scheiterhaufen geführt wird – in mehr als 25 Jahren Schreibspuren sind Georg Fröhlich so einige Texte im Gedächtnis geblieben. Manche von so hoher literarischer Qualität, dass er sie sogar im Deutschunterricht analysieren ließ. Wenn diese Chance für junge Menschen, sich auszudrücken, verloren ginge, wäre das ein großer Verlust, findet er.

 

Der 59-Jährige ist Deutschlehrer am Droste-Hülshoff-Gymnasium (DHG) in Rottweil, stellvertretender Vorsitzender des Schreibspuren-Vereins, war lange Zeit selbst Jurymitglied und hat den Wettbewerb beinahe von Anfang an begleitet.

Initiative zweier Referendare

Die Idee, ein dem Wettbewerb „Jugend forscht“ vergleichbares Format für den Bereich Literatur auf die Beine zu stellen, um Schüler, die gerne schreiben, zu fördern und ihre Erzeugnisse zu bewerten, kam den damaligen Referendaren Uta Krone und Wolfgang Spreckelsen. Uta Krone war es auch, die das Markenzeichen des Wettbewerbs, den charakteristischen Vogel mit dem umgestoßenen Tintenfass, schuf – und das in wenigen Minuten, erinnert sich Georg Fröhlich.

DHG-Deutschlehrer Michael Lamberty unterstützte sie dabei, den Wettbewerb, bei dem es sowohl Buchgutscheine als auch -preise zu gewinnen gibt, auf die Beine zu stellen. Zum ersten Mal ausgerichtet wurde er im Schuljahr 1996/97. Teilnehmen durften Schüler der drei Rottweiler Gymnasien.

Dass die Rottweiler Realschule dazukam, war einer Schülerin zu verdanken, die vom Gymnasium dorthin gewechselt war, aber weiterhin am Schreibspuren-Wettbewerb teilnehmen wollte – mit Erfolg.

Siegertexte werden vorgetragen und abgedruckt

Und weil man die literarischen Werke einem breiteren Publikum zugänglich machen wollte, fanden die Siegertexte von Anfang an Eingang in ein gedrucktes Heft – bis auf das Jahr 2004. Da gab’s die Texte per Diskette. „Das scheint damals wohl in gewesen zu sein“, sagt Georg Fröhlich schmunzelnd.

Er war von 1998 bis 2011 Teil der Jury und später dann Teil des Vorstands im Schreibspuren-Verein, der vor einigen Jahren nach dem Tod von Jurymitglied Jürgen Lutz (DHG), der sich auf bemerkenswerte Weise für die Schreibspuren engagiert hatte, gegründet wurde. Damit sollte die Weiterführung des Wettbewerbs auf eine neue Basis gestellt werden.

Früher mehr als 100 Teilnehmer

In den Hochzeiten des Wettbewerbs waren es mehr als 100 Teilnehmer, die ein Gedicht oder eine Geschichte einreichten und auf eine Prämierung durch die Jury, überwiegend bestehend aus Lehrern der teilnehmenden Schulen, hofften. Manche machten jedes Jahr mit – von der fünften Klasse bis zur Oberstufe.

„Zeitweise hatte ich bis zu 40 Fantasy-Geschichten mit je 30 oder 40 Seiten auf dem Tisch. Das waren riesige Stapel“, erinnert sich Georg Fröhlich. Später wurde ein Seitenlimit eingeführt.

Warum geht die Anzahl der Beiträge zurück?

Die Anzahl der Teilnehmer und Beiträge hat über die Jahre deutlich abgenommen. Das gefährdet den Fortbestand des Wettbewerbs. Aus Fröhlichs Sicht hat der Rückgang verschiedene Gründe.

Einer sei sicher der Umstand, dass kreatives Schreiben im schulischen Kontext immer weniger Bedeutung einnehme – bedingt durch die Gestaltung der Abiturprüfung, in der Textformen wie die Erörterung immer mehr in den Fokus rücken. Und dass Lehrer den Organisationsaufwand und das Motivieren ihrer Schüler zur Teilnahme quasi nebenher leisten müssten.

Ein weiterer sei vielleicht das in Zeiten von Social Media gesunkene Interesse am Lesen und an Büchern. Wobei Phänomene wie die BookTok-Bewegung auf der Plattform TikTok, bei der Buchtipps ausgetauscht und Rezensionen abgegeben werden, wieder eine Chance bieten könnten, zum Niederschreiben eigener Ideen und Gedanken zu motivieren, meint Fröhlich.

KI als großes Fragezeichen

Ein großes Fragezeichen für den Wettbewerb sei das Thema Künstliche Intelligenz. Denn deren Einsatz würde eine faire Bewertung schwierig machen. Bei den Wettbewerbsbeiträgen lässt sich die Jury schriftlich von den Schülern versichern, dass deren eingereichte Texte ohne das technische Hilfsmittel verfasst wurden.

„Die KI kann aber ohnehin nicht das leisten, was die Freude an der Teilnahme an diesem Wettbewerb ausmacht. Denn es geht eben nicht um etwas Vorgefertigtes, etwas, das schon da war, sondern darum, Inspiration zu spüren und mittels Sprache auszudrücken, was ich bin und denke“, meint Georg Fröhlich. „Und zu spüren, dass es frei macht, die eigenen Gedanken in Sprache zu bringen.“

Bedürfnis zum Ausdruck schlummert in Schülern

Dass ein Bedürfnis dazu auch in diesen Zeiten noch in den Schülern schlummere, das spüre er regelmäßig in seinen Deutsch-Oberstufenkursen, sagt der Rottweiler. Deshalb sei der Fortbestand des Wettbewerbs auch so wichtig. Er biete ein Forum, gebe jungen Menschen die Chance, etwas auszusprechen – und das bei einer völlig freien Themenwahl. Wo tauche so eine Möglichkeit sonst noch im Alltag auf?

Auf breitere Füße stellen?

Und wie also könnte eine Zukunft des Wettbewerbs aussehen? Eine Überlegung wäre es, die Schreibspuren zu „institutionalisieren“, also in ein städtisches Projekt zu überführen, so dass nicht mehr die Lehrerschaft die zentrale Triebfeder wäre. Das böte auch Chancen für die Stadt, zeigt Fröhlich auf. Denn wie könnte man die Jugend besser erreichen und verstehen, als darüber zu lesen, was sie denkt?

Preisverleihung des diesjährigen Wettbewerbs

Die Bewertung der Beiträge beim aktuellen Schreibspuren-Wettbewerb ist bereits erfolgt. Die Preisverleihung, bei der Ausschnitte aus den Siegertexten von Schauspielerin Anne Hecht auf eindrückliche Weise vorgetragen werden, findet am Dienstag, 27. Mai, ab 18.30 Uhr im Festsaal der Gymnasien (Albertus-Magnus-Gymnasium) statt.