Auch Verkleidungen waren erlaubt. Im Bild ist das Damenteam "Very Bad Wild Bad Girls" zu sehen. Foto: Stadler

Zum Jubiläum "100 Jahre Fassdaubenrennen" hat der Wildbader Bürgermeister Marco Gauger die zahlreichen Gäste im Festzelt neben der Skihütte auf dem Sommerberg begrüßt.

Bad Wildbad - "Es gibt nicht viele Vereine, die mit solch einer Veranstaltung auf eine 100-jährige Tradition zurückblicken können", sagte Bad Wildbads Bürgermeister Marco Gauger an die Verantwortlichen der Skizunft Wildbad gerichtet. Der Verein richtet seit 100 Jahren das Fassdaubenrennen aus. Auch wenn zu Anfang des Fassdaubenrennen nur einfachste Mittel zur Verfügung standen, so hat sich das einstige Schülerrennen im Laufe der Zeit zu einem Gaudirennen entwickelt, das immer wieder zahlreiche Fassdaubenritter und jede Menge Zuschauer anlockt.

"Zu Ehren von Götz Bechtle, dem vor wenigen Tagen verstorbenen Ehrenvorsitzenden der Skizunft, wurde mittels Radlader der letzte verfügbare Schnee rangebracht", so Marcus Eisele, Vorsitzender der Skizunft. In Zusammenarbeit mit Bechtle wurde für die Jubiläumsveranstaltung eine von Barbara Hammann-Reister gezeigte Präsentation mit Bildern und Texten zur Vereinshistorie zusammengestellt.

Skier für arme Leute

1923 startete das erste Rennen auf den leicht gebogenen Fassdauben, den Skiern für arme Leute, auf der Bätznerstraße. Der Pforzheimer Schmuckfabrikant Haug spendete damals Skier für den besten Läufer auf den mit Lederriemen festgeschnallten 70 bis 100 Zentimeter langen Fassdauben. Bereits 1924 fand das vom Wintersportverein organisierten Rennen erstmals auf dem Sommerberg statt.

Abenteuerliche Fahrten

Die "Fassdaubenritter" brauchen auch heute noch vielseitige Talente. Für den Aufstieg bewährt sich saubereres Grätschen und guter Stockeinsatz, während in der Langlaufspur möglichst keiner stecken bleiben sollte. Am schwierigsten dann der Abfahrtsteil mit einer oder zwei kleinen Schanzen. Da die Fassdauben weder Kanten noch Rillen haben, entwickelt sich diese Strecke Richtung Ziel oft unkontrolliert und abenteuerlich. Aber Hauptsache, das Ziel wird irgendwie erreicht.

In der Vergangenheit sah man auf dieser Etappe mutige Sprünge und den einen oder anderen gewagten Salto, aber zu keiner Zeit wurde jemand ernsthaft verletzt, so Hammann-Reister. Das Fassdaubenrennen wurde zunächst für Schüler veranstaltet, die sich bisweilen ehrgeizige Wettkämpfe lieferten und deren Teilnahme quasi Ehrensache war. Es hat sich im Laufe der Jahre zu einem Gaudirennen entwickelt, das immer viele Schaulustige anlockt und bei dem der Spaß im Vordergrund steht.

Nach einer kriegsbedingten Pause zwischen 1940 und 1948, erlebte das Fassdaubenrennen nach seiner Wiederaufnahme und der Organisation durch die 1950 gegründete Skizunft in den 1960er-Jahren ihren Höhepunkt mit bis zu 180 Teilnehmern und 1000 Besuchern. Über lange Jahre lag die Gesamtleitung der Veranstaltung in den Händen von Götz Bechtle (Vorstand von 1973 bis 1979).

Im Jahr 1993 wurde der Wettbewerb auch für Senioren geöffnet. Genannt wurde dabei 15 Jahre als Mindestalter, um in dieser Klasse zu starten. Erstmals im Jahr 2011 erschienen die Fassdaubenritter in Verkleidung zum Gaudirennen am Sommerberg. Seit 2017 sind Teams erlaubt.

Seit 1949 fanden 46 Fassdaubenrennen mit 4322 Fassdaubenrittern statt. Insgesamt 27 Mal musste die Veranstaltung wegen Schneemangel ausfallen. Die höchste Zahl an Teilnehmern wurde mit 180 im Jahr 1963 gezählt. In den Jahren 2020 bis 2022 gab es aufgrund der Pandemie keine Rennen. Inzwischen besitzt die Skizunft auch rund 80 Paar Fassdauben, die ausgeliehen werden.

Party nach der Siegerehrung

Vor dem Start zum Jubiläumsrennen begrüßte der ehemalige Bürgermeister von Bad Wildbad und heutige Bundestagsabgeordnete Klaus Mack die Fassdaubenritter am Start zur tollen Traditionsveranstaltung, die sich jedes Jahr weiterentwickelt hat und zu der in den 1970er-Jahren sogar Sonderwagen der Bahn Gäste und Teilnehmer nach Bad Wildbad brachten. Er zollte der Skizunft Wildbad Respekt für ihre Kreativität, die es mit rund 50 Organisatoren möglich machte, trotz Klimawandels die Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Rund um die Skihütte bewirteten die Vereinsmitglieder mit allerlei Köstlichkeiten. Im Festzelt war eine Bar in Betrieb. Hier wurde auch die abschließende Party nach der Siegerehrung gefeiert.

Zur Jubiläumsveranstaltung war auch der 80-jährige Fritz Sander aus Schömberg angereist. Als Neunjähriger hat das Ehrenmitglied der Skizunft Wildbad im Jahr 1952 das Fassdaubenrennen und damit ein Paar Skier vom einstigen Sporthaus Schmollinger gewonnen. Stolz zeigte er ein Foto, auf dem er mit der Startnummer 115 zu sehen ist. Die Stadtkapelle Bad Wildbad umrahmte musikalisch die Jubiläumsveranstaltung.

Wetter

100 Jahre Fassdaubenrennen und der Schnee der vergangenen Tage war nahezu komplett geschmolzen. Durch den unermüdlichen Einsatz der Skizunft Wildbad wurden trotz Tauwetters die letzten Krümel Schnee zusammengekarrt und eine Abfahrt auf Naturschnee angelegt. Auf der verkürzten Strecke war Domenico Frei von der Stadtkapelle als Schnellster unterwegs.

Gut eine Woche, bevor die Skizunft Wildbad das vor 100 Jahren erstmals organisierte Fassdaubenrennen mit ihrer Jubiläumsauflage an den Start ging, war der Skihang am Sommerberg noch verschneit. Tauwetter ließ die weiße Pracht bis zum Renntag schmelzen. Die Mitglieder der Skizunft setzten alle Hebel in Bewegung, brachten Schnee zur Rennstrecke und legten ein weißes Band für den Abfahrtsteil an und statteten die verkürzte Langlaufstrecke mit Kunstrasen aus, während die Aufstiegsstrecke ab Start auf Gras zu absolvieren war. Nach dem Aufruf von Moderator Jörg Schmauder versammelten sich die rund 70 Fassdaubenritter im Alter zwischen sieben und 63 Jahren am Start zum Jubiläumsrennen.

Verkleidungen

Mit der Startnummer 1 eröffnete Hannah Eisele von der Skizunft Wildbad das diesjährige Fassdaubenrennen auf einer – mangels Schnee – leicht verkürzten Strecke von etwa 500 Metern. Bei dem sich vom einstigen Rennen der Schuljugend zum Gaudiwettkampf entwickelten Dreikampf auf 70 bis 100 Zentimeter langen Fassdauben, die mit Riemen aus Leder oder Kunststoff unter den Schuhen befestigt werden, wurden kuriose Teilnehmergruppen ebenso gesichtet wie Fassdaubenritter, die auf uraltem Material und in traditioneller Kleidung mit Lederhose oder Dirndl unterwegs waren. Dazwischen tummelten sich Tabaluga- und Zaubererkostüme ebenso Teilnehmer mit verschiedenem Kopfschmuck, angefangen von Deutschland-Fahnen bis zu Teufelshörnchen. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. So wagte sich die unter dem Gruppennamen "Batschnass" startende Herrenriege leichtbekleidet, mit sommerlichen Shirts und Shorts, auf den Kurs. Aus Holland stammt Grace Darcy, die zum ersten Mal beim Fassdaubenrennen an den Start ging. Mit Fellmütze geschützt war der russische Teilnehmer Alexander Krivtsov unterwegs. Im Skaterschritt, überwiegend mit Stockeinsatz – mal bedächtig, mal äußerst rasant, ging es vom Startpunkt aus den Berg hoch zur Skihütte, wo den erwachsenen Fassdaubenrittern ein oder zwei Schnäpschen gereicht wurden.

Wer die verkürzte Langlaufstrecke über den Kunstrasen hinter sich gebracht hatte, den erwartete das bis zum Ziel ausgelegte Band mit Schnee, an dessen Ende das Ziel lag. Hier säumten die zahlreichen Zuschauer die spektakulärste Etappe des Rennens. Nicht immer verlief die Abfahrt sturzfrei. Laute Anfeuerungsrufe begleiteten die Teilnehmer bis zum Ziel.

Ergebnisse

Der Schnellste bei den Männern war Domenico Frei von der Stadtkapelle mit der Bestzeit von einer Minute und 14,8 Sekunden. Den Sieg bei den Frauen holte Lena Bott (1:28,5). Bei den Schülerinnen 1 siegte Hannah Eisele (2:02,0), Robin Roller wurde mit einer Zeit von 2:56,8 Erster in der Klasse Schüler 1. Weitere Erstplatzierte waren: Clara Schlegel (2:04,1) Schülerinnen 2, Annkathrin Brenner (2:17,8) Schülerinnen 3, Bastian Eisele (1:53,8) Schüler 3, Willi Koenig (1:32,9) Schüler 4, Emma Koenig (2:44,8) Jugend weiblich, Adrian Lutz (1:34,1) Jugend männlich. Beate Großmann (2:24,1) war die schnellste Seniorin und Frank Wentsch (2:00,3) der schnellste Senior beim Jubiläumsrennen. In der Gesamtwertung siegte die Gruppe "Batschnass" mit einer Gesamtzeit von 4:16,4 vor dem Team Bogner (4:59,2) und dem Team F.Sky (5:04,1). Freuen durften sich alle auf die Teilnehmerurkunde und natürlich auf die von der Stadt gespendete Rennwurst sowie Preise für die Besten. Der Spaß am Fassdaubenrennen stand auch bei der Jubiläumsauflage wieder im Vordergrund, die mit der Après-Party ausklang. Die einzelnen Ergebnisse sind abrufbar auf der Homepage der Skizunft Wildbad unter https://skizunft-wildbad.de/fassdaubenrennen-2023-auf-der-letzten-flocke.